Interview der Woche: Jasmin Haider, Destillateurin, Marketing-Fachfrau, Managerin.

Jasmin Haider ist Destillateurin, Marketing-Fachfrau, Managerin und Vorsitzende der Österreichischen Whisky-Association. Für Whiskyundfrauen habe ich mit ihr über ihre neue Rolle in der elterlichen Brennerei, ihren Whisky und die Herausforderungen ihres Arbeitsalltags gesprochen. 

Jasmin Haider. Pressefoto (Fotograf Philip Monihart)

MM: Jasmin, bei der Waldviertler Whiskybrennerei hat es vor kurzem eine Veränderung in der Betriebsführung gegeben. Was ist deine neue Rolle in eurer Brennerei?

Jasmin: Ich habe schon seit längerem die Geschäftsführung für die Whisky-Erlebniswelt inne. Nun habe ich auch die Verantwortung für die Whiskydestillerie mitübernommen. Grund dafür ist, dass meine Mutter in den wohlverdienten Ruhestand geht. Sie wird sich aber natürlich nicht komplett zurückziehen, sondern bleibt der Destillerie mit Rat und Tat erhalten. 

Ich freue ich schon auf diese Herausforderung. Im Grund sind die neuen Aufgaben schon länger Teil meines Alltags, aber es ist schon noch mal was Besonderes, wenn es offiziell ist und auch die Verantwortung, die damit einher geht, ist groß.

MM: Eure Brennerei feiert in diesem Jahr auch ihr 25jähriges Jubiläum. Das ist für eine kontinental-europäische Whiskybrennerei ein außergewöhnliches Alter. Wie sehr fühlst du dich dem Erbe deiner Eltern verpflichtet? 

Jasmin: Meine Eltern haben 1995 aus einer wirtschaftlichen Krise heraus (EU Beitritt von Österreich) mit dem Destillieren begonnen und den Betrieb in den letzten 25 Jahren Schritt für Schritt learnig by doing aufgebaut. Ich fühle mich jetzt aber nicht so als würde ich mich ins gemachte Nest sitzen – im Gegenteil.

Ich sehe es eher so, dass ich in 2. Generation eine neue Ära einläuten darf. Und das natürlich in der Tradition, wie es auch meine Eltern gemacht haben, frei nach dem Credo Qualität vor Quantität und immer den eigenen Weg gehen. Ich hatte ja auch gute Lehrer mit meinem Vater und meiner Mutter. 

Von ihm habe ich das Destillieren gelernt und vieles über die Lagerung und die Produktion an sich. Meine Mutter hat mir gezeigt, Dinge richtig einzuschätzen und sich auf sein Gefühl zu verlassen – und wie man knallhart kalkuliert. 

Dass ich mit eingestiegen bin in den Betrieb war auch ein schleichender Prozess. Ich habe 13 Jahre in Wien gelebt und dort studiert. Ganz langsam und ohne Druck meiner Eltern hat sich bei mir der Wunsch geregt wieder zurück zu kommen nach Roggenreith und in den Betrieb mit einzusteigen. Ich denke, das war entscheidend, dass meine Eltern nichts von mir verlangt haben. Es war meine Entscheidung – und irgendwann hat mich ohnehin die Leidenschaft für Whisky gepackt und dann war die Sache klar. 

Familie Haider. Pressefoto (Fotografin: Karoline Grill)


MM: In Deutschland gibt es die Redewendung: „Neue Besen kehren gut“. Hast du vor, bei euch gründlich „durchzufegen“ und Dinge zu verändern, oder wird erst mal alles so bleiben, wie es bisher war? 

Jasmin: Ich habe mit dem Fegen schon begonnen 😉. Wir haben das Krisenjahr 2020 genutzt um ein komplettes Re-Design zu machen – neues Logo, neue Website, neue Etiketten. Nach 25 Jahren ist es einfach an der Zeit, auch nach Außen zu zeigen, dass sich etwas getan hat. Außerdem sehe ich es als meine Aufgabe, mir für die Zukunft auch neue Vertriebswege zu erschließen. 

Als meine Eltern begonnen haben, wurden fast 90% unserer Produkte direkt ab Hof verkauft. Das hat sich natürlich verlagert. Nicht zuletzt, weil auch unsere Whiskylager, die wir in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben, jetzt reif sind. Die Erntezeit ist gekommen und darum muss ich mir auch neue Vertriebswege erschließen. 

MM: Eure Brennerei befindet sich in einer sehr schönen Region in Österreich, dein derzeitiger Wohnort ist aber in Deutschland. Welche Probleme entstehen für dich durch die räumliche Distanz, vor allem jetzt, wo Covid-Einschränkungen grenzüberschreitende Fahrten mitunter erschweren können?

Jasmin: Früher habe ich in Wien gelebt und bin zwischen Wien und dem Waldviertel, wo meine Brennerei steht, gependelt. Als ich meinen jetzigen Mann, der aus Nürnberg stammt, kennengelernt habe, war schnell klar, dass ich Wien gegen Nürnberg tausche. 

Aber mein Wohnsitz im Waldviertel bleibt natürlich. Ich habe also 2 Wohnsitze. Die Stecke, die ich mit dem Auto fahren muss, ist zwar etwas weiter geworden, aber es lässt sich nach wie vor mit dem Familienleben vereinbaren.

Covid-19 und die damit verbundenen Einschränkungen sind da ein größeres Problem bzw. Herausforderung. Es hat sich viel auf virtuelle Treffen verlegt. Und die Arbeit vor dem Computer ist nicht ortsgebunden. 

Zum  Glück sind meine Eltern noch vor Ort und können den täglichen Betrieb führen. Außerdem habe ich ein großartiges Team, das (unter den geltenden Auflagen) hervorragende Arbeit macht. Das ist eine große Hilfe. Anders würde es aktuell nicht funktionieren.

Mittlerweile mussten wir aber auch die Whisky-Erlebniswelt, unser Ausflugsziel, das an die Destillerie angeschlossen ist, wieder schließen. Es ist momentan nur der Onlineshop geöffnet, den wir ebenfalls kürzlich neu gestaltet haben.

Pressefoto (Fotografin: Karoline Grill)

MM: Wie viele Brennblasen hat eure Brennerei derzeit und wie hoch sind Brennkapazität und jährliche Gesamtproduktion? Brennt ihr im kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Brennverfahren? 

Jasmin: Wir haben 2 Brennblasen mit je 500 Liter, die, wenn wir destillieren, immer parallel arbeiten. Wir haben keine Wash- und Spiritstill, so wie etwa in Schottland. Die Produktion entscheidet sich überhaupt maßgeblich von der in Schottland. Wir machen keine Wash, sondern stellen eine Ganzkornmaische her. D.h. es befindet sich noch das ganze Korn in der Maische, wodurch auch die Getreidearomen im Destillat intensiver sind. 

Diese Maische wird dann in die beiden Brennblasen gefüllt und destilliert. Und zwar mit einer Brennblase mit aufgesetztem Feinbrenner (4 Siebböden und Dephlegmator) der Firma Christian Carl. Vor- und Nachlauf wird grob abgetrennt. Danach wird das Mittelstück dieses ersten Destillats noch einmal destilliert (wieder über den Dephlegmator). Auch hier kommen Vor- und Nachlauf wieder weg. Dadurch habe ich ein sehr reines Endprodukt, das dann in die Fässer kommt. 

Die Kapazitäten der Brennerei sind noch nicht ausgelastet. Ich könnte theoretisch mehr produzieren, will das aber aktuell nicht, zugunsten eines gesunden Wachstums der Destillerie – Qualität vor Quantität! Im Corona-Jahr 2020 haben wir die Produktion natürlich etwas runter gefahren, aber 2019 haben wir ungefähr 40.000 Liter produziert. 

Johann Haider. Pressefoto (Fotograf Stefan Klemenjak)

MM: Nach 25 Jahren verfügt ihr inzwischen gewiß auch über einen ordentlichen Anteil an älterem Whisky. Welche Rolle spielt das Alter bei euren Abfüllungen? 

Jasmin: Ich werde nicht müde immer wieder den Satz zu sagen: Whisky muss nicht alt sein, er braucht das richtige Alter. Das ist aber leider noch immer in vielen Köpfen so drinnen. Zum Glück bricht dieses Klischee aber langsam auf. Neben der Lagerzeit gibt es so viele Faktoren, die Einfluss auf den Charakter des Whiskys nehmen. Zum Beispiel wie destilliert wird. 

Wenn ich sehr sauber destilliere, wie wir es auch tun, ist eine lange Lagerzeit, während der sich schlechte Stoffe abbauen, nicht zwingend nötig. Dann ist die Holzart, die verwendet wird, entscheidend. Amerikanische Weißeiche etwa ist wesentlich feinporiger als unsere Eiche, die wir verwenden. Da ist mit neuen Fässern keine lange Lagerung möglich. Weitere Faktoren sind die Fassgröße, ob  das Fass vorbelegt war usw. All das ist entscheidend und wichtig zu wissen. 

Bei uns in der Destillerie ist so, das mit unserem Fassmanagement erst bei Drittbefüllungen längere Lagerzeiten möglich sind. Aktuell stammt der Großteil unserer Whiskys im Verkauf aus zweitbelegten Fässern, sprich um die 6 Jahre. Nach 25 Jahren im Business haben wir aber auch schon ältere Abfüllungen mit 10, 12 oder 13 Jahren Lagerzeit. Wir wollen demnächst auch noch einen 15 Jahre gereiften Whisky präsentieren.

Pressefoto (Fotograf Harald Eisenberger)

MM: Lass uns mal etwas intensiver über euer Fassmanagement sprechen. Wie umfangreich ist euer Whiskylager derzeit? Kannst du uns einige Details verraten, z.B. welche Holzarten ihr bevorzugt? Benutzt ihr auch sogenannte „exotische“ Fässer, Weinfässer oder Fässer aus anderen Holzarten wie Eiche? 

Jasmin: Für uns war es wichtig Rohstoffe aus der Region zu verwenden. Das gilt auch bei den Fässern. Im Waldviertel gibt es große Vorkommen an Eichen, der Manhartsberger Sommereiche oder Traubeneiche. Diese verwenden wir natürlich auch. Diese Eichenart ist sehr grobporig und hat viele Tannine und Gerbstoffe. Wir greifen also nicht auf gebrauchte Whiskyfässer zurück, wie in Schottland z.B., sondern starten mit neuen Fässern, die wir dreimal für die Lagerung verwenden. 

Durch die Gegebenheiten des Holzes wird das Destillat bei der Erstbefüllung nur 4 Jahre gelagert. Es würde sonst zu bitter werden durch die Gerbstoffe. Wenn das Fass ein weiteres Mal befüllt wird, lagert der Whisky ca. 6 Jahre darin und vor Drittbefüllungen wird das Fass noch einmal zerlegt, ausgehobelt und nochmal neu ausgekohlt. In diesen Fässern reift der Whisky dann mind. 8 bis zu 15 Jahre. 

Aktuell ist die älteste Abfüllung, die wir im Verkauf haben, 13 Jahre gereift. Wir werden aber bald auch einen 15jährigen vorstellen. Wir experimentieren auch mit gebrauchten Weinfässern. Und auch hier legen wir Wert auf „Region“. In unserer Linie RARE Selection sind Abfüllungen, die in gebrauchten (Süß)Weinfässern von Winzern aus der Region gelagert wurden, zu finden. 

Und als „exotisch“ kann man sicher unser gebrauchtes Laphroaig-Fass bezeichnen. Darin war ein Dark Rye Malt J.H. (aus 100% Roggenmalz, dunkel geröstet) für ein Fassfinish gelagert. Diese Single Cask Abfüllung war relativ rasch ausverkauft. Sie kommt aber bald wieder in einer Neuauflage. Die Aromen waren wirklich der Hammer. Da hat man eindrucksvoll gesehen, was so ein Finish noch mal bewegen kann. Außerdem war die Zusammenarbeit mit der schottischen Destillerie großartig. John Campbell hat mir auch ein Video mit Tastingnotes zu unserem Whisky geschickt. Das Video dazu findet sich auf unserer Facebook Seite (Oktober 2018). 

Das Thema Finish ist überhaupt ein sehr spannendes und wird uns sicherlich in Zukunft beim Fassmanagement noch mehr begleiten. Andere Holzarten als Eiche sind aktuell nicht in Verwendung und es ist momentan auch nichts in diese Richtung geplant. Aktuell sind an die 200.000 Liter Whisky in unseren Lagern. 

Pressefoto (Fotostudio Kerschbaum)



MM: Du bist nicht nur ausgebildete Destillateurin, sondern auch die Vorsitzende der Austrian Whisky Association. Du hast vorhin betont, dass euer Whisky sich im Herstellungsprozess deutlich von schottischem Whisky unterscheidet. Gibt es so etwas wie einen „österreichischen Whisky“? Wenn ja, wie würdest du „österreichischen Whisky“ charakterisieren? 

Jasmin: Die Austrian Whisky Association (AWA) steht für Vielfalt und Qualität. Es gibt nicht den einen österreichischen Whisky. Wir wollen ganz bewusst die Unterschiede betonen und auch zeigen. Was wir, die Mitgliedsbetriebe der AWA, gemeinsam haben, ist die Qualität des heimischen Whisky. So wird in Österreich unterschiedlich produziert, aber auch gelagert. 

Die einen stellen, so wie wir, eine Ganzkornmaische her, die anderen läutern vor dem Einmaischen. Die Getreidesorten, die verwenden werden, sind ebenfalls sehr vielfältig – von Vorarlberger Ribelmais bis zu 100% Roggenmalz, wie er in unserer Destillerie verwendet wird. Und auch die Fässer variieren von gebrauchten Bourbonfässern bis zu neuen Fässern aus heimischer Eiche. 

Einheitlich ist der österreichische Whisky also nicht – aber vielfältig von gleichbleibender Qualität, auf die die Mitgliedsbetriebe der AWA besonderen Wert legen. 

MM: In den nächsten Jahren wird es weltweit eine deutliche Zunahme von Whiskybrennereien und damit verbunden auch eine deutliche Steigerung der weltweiten Produktionsmengen geben. Welche zukünftigen Entwicklungen siehst du für den Whisky aus Österreich? 

Jasmin: Es gibt auch hierzulande immer mehr Brenner, die auf Whisky setzen, weil sie auch den Erfolg sehen, den heimische Produkte haben. Aber ich bin mir sicher, das sich auch beim Whisky aus Österreich die Spreu vom Weizen trennen wird. Es dauert nur etwas länger, weil durch die Lagerzeiten das Endergebnis auf sich warten lässt, das Marketing aber schon anläuft. 

Grundsätzlich denke ich aber, dass sich Whisky aus Österreich schon gut etabliert hat. So wird es auch weiter gehen und es werden sich in Zukunft die Spitzenreiter der heimischen Hersteller zeigen – und da werden wir sicherlich vorne mit dabei sein.

 

Jasmin Haider. Pressefoto (Fotograf Philip Monihart)












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