Schwedischer Whisky im Porträt: Interview mit Marc Fiederer, Besonderheiten des schwedischen Whiskys & Überblick über alle schwedischen Brennereien
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Schwedischer Whisky ist noch ein Geheimtipp – aber einer, der entdeckt werden will.
Wie treue Leser meines Blogs inzwischen wissen, hatte ich vor kurzem die Chance, während eines Promo-Kurztrips nach Schweden die High Coast Whisky-Brennerei kennen zu lernen, und ich war echt beeindruckt.
Mit dabei in unserem kleinen Reiseteam war Marc Fiederer, der eine ganz besondere Verbindung zu schwedischem Whisky hat. Da wir ausreichend Zeit zur individuellen Gestaltung hatten, habe ich die Gelegenheit genutzt und mich mit Marc über den Whisky der High Coast Distillery, über Mackmyra und über seine persönliche Verbindung zur schwedischen Whiskyszene unterhalten.
Außerdem findet ihr am Ende eine Auflistung der Besonderheiten beim Schwedischen Whisky sowie eine Übersicht der wichtigsten schwedischen Whisky-Brennereien.
Interview: Marc Fiederer über schwedischen Whisky
1. Marc, was bedeutet schwedischer Whisky für dich?
Marc:
„Da muss ich wohl ein bisschen weiter ausholen und von meiner Zeit bei Mackmyra berichten. Für mich war es immer toll, bei den Tastings die eingefleischten Fans des schottischen Whiskys vom neuen Stil des schwedischen Whiskys zu überzeugen. Die wahnsinnig große und außergewöhnliche Fassvielfalt war zu dieser Zeit einfach ein Unikum in der Whiskybranche. Ich musste die Leute am Anfang oft überzeugen, dass sie schwedischen Whisky doch mal probieren sollen. Ich habe oft gesagt, dass sie nichts bezahlen müssen, wenn er ihnen nicht schmeckt. Und dann war es einfach geil zu sehen, wie die Augen der Leute immer größer wurden. Die Leute konnten nicht verbergen, dass der Whisky sie berührt hat, dass der Whisky einfach toll war, weil er anders war als die klassischen Single Malts zu dieser Zeit. Der Hauptunterschied waren neue Ansätze, ähnlich wie beim Thema Gin, wo der New Western Style neue Aromen brachte, die bis zu diesem Zeitpunkt ja niemand hatte, wie z. B. Birkenweinfässer oder Kirschweinfässer. Es waren einfach ganz andere Aromen, die man dann auch schmecken konnte.“
2. Das Schicksal von Mackmyra wird viele Fans betrüben. Kann High Coast die Lücke füllen, die Mackmyra hinterlässt?
Marc:
„Das kann man so nicht sagen. Wir haben hier bei der High Coast Distillery einen wirklich bodenständigen guten Whisky mit einem eigenen Stil, mit einer Art Terroir. Aber er ist nicht so verrückt und hat nicht diese crazy Fassauswahl mit besonderen Finishes wie das früher bei Mackmyra der Fall war. High Coast und Mackmyra sind zwar beide schwedische Brennereien, aber zwei völlig unterschiedliche Destillerien und zwei unterschiedliche Ansätze, Whisky zu brennen.“
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Auch das ist Schweden: in der Hotel-Lobby bei Whisky und Live Musik abhängen und zuschauen, wie es draußen langsam nicht dunkel wird… |
3. Was hat dich bei der High Coast Brennerei besonders beeindruckt?
Marc:
„Also tatsächlich beeindruckt bin ich von der Menge, die hier produziert wird, sieben Tage die Woche. Die geben richtig Vollgas, da muss man schon gut planen, da steckt viel Know-How und eine gute Organisation dahinter. Hier wird nicht einfach nur ins Grüne produziert nach dem Motto „wir machen halt mal Whisky“, sondern die haben definitiv eine zukunftsträchtige Vision und das hat mich beeindruckt.
Ich bin nun zum zweiten Mal in Schweden und auch dieser Besuch zeigt mir die wahnsinnige Gastfreundschaft der Schweden und der wahnsinnig herzliche Umgang. Vom ersten Moment an, als wir den Flughafen-Terminal verlassen haben, wurden wir von unserem Gastgeber Lars zu 100 Prozent umsorgt. Die Location hier am Wasser ist ja auch unglaublich schön. Man merkt, dass hier mit Herz und Hand, aber auch mit sehr viel Verstand gearbeitet wird. Und ich bin tatsächlich auch ein wenig überrascht, wie weit hier in die Zukunft gedacht wird. Ich denke, viele der Fässer, die wir heute gesehen haben, werden wir erst in 10, 15 oder mehr Jahren in den Flaschen sehen und dann in unseren Gläsern genießen können. Ich freue mich sehr darauf und bleibe neugierig.“
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Flo, Marc und Leon beim konzentrierten Zuhören, als uns die Bedeutung des Kühlwassers erklärt wurde. Man(n) will ja nichts verpassen… |
Was wir bei unserem Besuch bei High Coast gelernt haben:
Schwedischer Whisky ist noch immer ein Nischenprodukt, muss sich aber keinesfalls hinter Whisky aus anderen Ländern verstecken. Bei unserem Besuch in der High Coast Distillery hatten wir ausgiebig Gelegenheit, uns mit schwedischem Whisky und seinen Besonderheiten auseinanderzusetzen. Und natürlich hatten wir auch einige Fragen. Das wichtigste für euch hier in der Zusammenfassung:
1. Was macht schwedischen Whisky besonders?
• Nördliches Klima: Man sollte auf keinen Fall die geographische Lage unterschätzen. Die Temperatur-Unterschiede zwischen Sommer und Winter sind gewaltig, und das hat große Auswirkungen auf die Fassreifung.
• Wasser: Klares schwedisches Quellwasser ist enorm wichtig. Jede Quelle besitzt eine ganz individuelle Zusammensetzung an enthaltenen Mineralien, die ihm einen unverwechselbaren Geschmack verleihen. Das macht sich auch im Whisky bemerkbar. Zudem ist das extrem kalte Flusswasser besonders wirkungsvoll bei der Kühlung. Je besser die Kühlung, desto besser der Whisky - das weiß man auch in Schottland, wo die Produktion im Sommer oft wegen unzureichendem Kühlwasser eingestellt wird. Winterwhisky gilt als der beste Whisky.
• Fässer: Viele Brennereien nutzen Fässer aus schwedischer Eiche oder andere Holzarten, die in Schottland nicht zulässig sind. Besonders die Whiskys von Mackmyra waren für ihre exotischen Fassreifungen berühmt. Bei High Coast werden überwiegend Ex-Bourbon- und Ex-Sherry-Fässer verwandt, aber auch Exoten wie Mongolische Eiche oder Europäische Bergeiche kommen zum Einsatz. Für besonders intensive Aromen werden oft kleinere Fässer benutzt.
• Innovation: Schwedische Brennereien gelten als besonders experimentierfreudig und setzen oft auf moderne Technologien. Man denke nur an Mackmyras „Gravity“ Distillery oder an die Vakuum-Destillation bei Agitator. Auch bei High Coast wird modernste Technologie benutzt.
2. Wie schmeckt schwedischer Whisky typischerweise?
Den typischen schwedischen Whisky gibt es nicht. Schwedischer Whisky ist sehr vielfältig, aber oft charakterisiert durch frische, klare und intensive Aromen.
3. Was zeichnet den Whisky der High Coast Distillery aus?
• Geschmack: Was mir beim Whisky der High Coast Distillery besonders gut gefallen hat, sind eine breite, stämmige Basis und kräftige Malznoten, die ihm einen vollmundigen und satten Grundcharakter verleihen. Dieses “breite” Fundament ermöglicht es der Brennerei, mit verschiedenen Fasstypen und Experimenten zu spielen, ohne dass der Whisky auseinanderfällt oder zu dünn wird. Die Frucht- und Süßnoten, die sie durch die Sherry- oder Weinfässer bekommen, sitzen dann auf diesem stabilen Unterbau auf, anstatt ihn zu überdecken. Das unterscheidet High Coast auch von manchen anderen Craft-Brennereien, die manchmal etwas unausgewogen oder zu experimentell werden. Bei High Coast merkst du, dass eine tragfähige Basis besteht und solides whisky-handwerkliches Können dahintersteht.
• Schottisches Know-How: Trotz aller Innovationsfreude weiß man bei High Coast die alten Meister zu würdigen und zu schätzen. Die High Coast Distillery hat sich fachmännischen Rat bei John McDougall geholt, einem hochkarätigen schottischen Whisky-Fachmann, der jahrelang Manager der Laphroaig Distillery auf Islay war, aber auch in der Speyside Whisky gemacht hat. Wenn es um Whisky geht, gibt es wohl keinen Trick, den John nicht kennt, und er hat sein Wissen den Brennmeistern der High Coast Distillery bereitwillig zur Verfügung gestellt. Die original Brennblasen der schottischen Firma Forsyths sind das Sahnehäubchen auf dem Destillierkuchen.
• Japanische Finesse: High Coast verwendet eine japanisch inspirierte Methode zur Herstellung einer besonders klaren Würze. Durch mehrfaches Zurückleiten der ersten, noch trüben Würze und niedrigere Temperaturen beim dritten Maischgang erreichen sie mehr fruchtige und weniger bittere Aromen. Dieser aufwendige Prozess ist zeitintensiv und wird hauptsächlich in kleineren, handwerklichen Brennereien angewandt. Dies führt zu einer sauberen, klaren Basis ohne störende Bitterstoffe.
• Ungeheizte Lagerhallen: Die High Coast Distillery ist derzeit die nördlichste Whisky-Brennerei Schwedens. Im Winter können hier die Umgebungs-Temperaturen schon mal auf -30 Grad absacken, und im Sommer sind +25 Grad und mehr möglich. Das besonders extreme Klima am 63. Breitengrad mit seinen jährlichen Temperatur-Differenzen von 40 bis 60 Grad geben dem Whisky ein ganz besonderes Reifeprofil. Noch weiter nördlich liegt nur die norwegische Aurora Spirit Distillery am 69. Breitengrad - das ist jenseits des Polarkreises (66°). Im Vergleich dazu hat die schottische Highland Park Brennerei auf den Orkney-Inseln, die jahrzehntelang als nördlichste Whisky-Brennerei der Welt galt, (59° Nord) schon fast südliche Temperaturen.
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Schweden trifft Schottland: Brennblasen von Forsyths bei High Coast |
4. Gibt es getorften schwedischen Whisky?
Antwort: Ja! Viele schwedische Brennereien produzieren getorfte Whiskys. Mackmyra beispielsweise verwendet schwedischen Torf, und auch andere Brennereien bieten stark getorfte Varianten an.
High Coast nutzt Malz mit verschiedenen Peat-Stufen: unter 10 ppm für fruchtige, elegante Whiskys, etwa 46 ppm für kräftig rauchige Varianten wie „Timmer“, und experimentell sogar 63 ppm im Rahmen des thematischen Projekts 63.
Falls ihr jetzt Lust bekommen habt, schwedischen Whisky selbst zu entdecken, habe ich eine gute Nachricht für euch: es gibt inzwischen einige lohnenswerte Whisky-Brennereien in Schweden. Hier ist eine Übersicht für euch:
Übersicht: Die wichtigsten Whiskybrennereien in Schweden
Schweden ist in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem echten Hotspot für Whiskyfans geworden – mit einer wachsenden Zahl an Brennereien, die sich durch Innovation, klares Quellwasser und handwerkliche Produktion auszeichnen. Hier sind die bekanntesten und aktivsten schwedischen Whiskybrennereien:
🥃 1. Mackmyra (bei Gävle)
- Gegründet: 1999 – inzwischen eine Legende, aber momentan in einer üblen Schieflage. Mackmyra war die erste moderne schwedische Whiskybrennerei. Ein Wechsel im Management und eine Neuausrichtung der Marketing-Strategie führte zum Konkurs des Unternehmens. Die Zukunft ist derzeit ungewiss.
- Besonderheiten: Innovative Reifung (z. B. in kleinen 30-Liter-Fässern), eigene „Gravity Distillery“, saisonale Abfüllungen.
- Bekannte Produkte: Svensk Ek, Brukswhisky, Moment-Reihe.
🥃 2. High Coast Distillery (ehemals Box Distillery, bei Kramfors)
- Gegründet: 2007, seit 2010 in Produktion (ursprünglich Box Distillery)
- Besonderheiten: Derzeit die nördlichste Whisky-Brennerei Schwedens. Kühle Reifung am Fluss Ångermanälven, rauchige und nicht-rauchige Serien, sehr klare, strukturierte Whiskys. Inzwischen auch in Deutschland problemlos erhältlich.
- Bekannte Produkte: Älv, Hav, Timmer und Berg als Standard Range, sowie viele limitierte Small Batches.
🥃 3. Smögen Whisky (an der Westküste, bei Hunnebostrand)
- Gegründet: 2009.
- Besonderheiten: kleine Produktion, überwiegend Single-Cask Abfüllungen.
- Bekannte Produkte: Smögen 100 Proof, Sherry Octaves, Swedish Single Cask.
🥃 4. Spirit of Hven (auf der Insel Hven zwischen Schweden und Dänemark)
- Gegründet: 2008
- Besonderheiten: produzieren auch Gin, Vodka und Aquavit
- Bekannte Produkte: Tycho's Star, Backafallsbyn, experimentelle Single Malts.
🥃 5. Agitator Whiskymakare (bei Arboga)
- Gegründet: ca. 2018
- Besonderheiten: preisgekrönte Brennerei, die für ihre ungewöhnliche Vakuumdestillation bekannt ist. Neue Fassarten, hohe Innovationslust
- Bekannte Produkte: Agitator Blended, Rök (Rauch), Argument–Reihe.
🥃 6. Gotland Whisky (auf der Insel Gotland)
- Gegründet: 2004 (erste Abfüllungen ab 2016)
- Besonderheiten: Bio-Getreide aus Gotland, Lagerung in ehemaligen Militärbunkern.
- Bekannte Produkte: Isle of Lime-Serie.
🥃 7. Norrtelje Brenneri (nördlich von Stockholm)
- Gegründet: 2001 (Whisky seit ca. 2010)
- Besonderheiten: Kleine Familienbrennerei, auch Gin und Aquavit, experimentiert mit Whiskyreifung.
- Bekannte Produkte: Kleine Einzelfass-Editionen.
🥃 8. Wannborga (Öland, Ostküste)
- Gegründet: 2007
- Besonderheiten: Kleinstproduktion, lokal angebautes Getreide, Whiskyreifung in Weinfässern.
- Bekannte Produkte: Kleinauflagen, nur regional erhältlich.
🥃 9. Bergslagens Destilleri (ehemals Grythyttan)
- Gegründet: Als Nachfolgerin der Grythyttan Brennerei
- Besonderheiten: Handverlesene Einzelfassabfüllungen unter dem Label Selected Swedish Casks.
- Bekannte Produkte: Diverse Single Casks, Rauch- und Sherryfassreifungen.
Bonus:
🇸🇪 Svenska Eldvatten
- Kein Produzent, sondern ein unabhängiger Abfüller, der außer schottischem gelegentlich auch schwedischen Whisky im Portfolio hat (z. B. Smögen).
- Viele spannende Einzelfässer – oft limitiert, manchmal experimentell.
Außerdem gibt es noch:
- Bräntings Bränneri - Befindet sich im nördlichen Teil von Gotland, in der Nähe von Bunge. Erste Single Malt-Abfüllung vermutlich erst 2026.
- Bröderna Bommen Bränneri - 2017 in Njurunda gegründet.
- Forss Destilleri – kleine, aber feine Brennerei. Befindet sich in Köpmanholmen.
- Fjäre Distillery - familiengeführte Brennerei an der schwedischen Westküste.
- Gammelstilla Whisky - Erste Abfüllung 2017. Befindet sich in Torsåker in der Gemeinde Hofors.
- Gute Destilleri – Mikrobrennerei in Hablingbo auf Gotland.
- Lihnell’s Distillery, früher bekannt als Bergslagens Destilleri - Im Sommer 2016 erwarben sie den verbleibenden Fassbestand der Grythyttan Whisky Brennerei, die nur wenige Jahre, von 2010 bis 2013, Whisky produzierte.
- Nordmarkens Destilleri – Befindet sich in Hornedal in Värmland. Whisky seit 2018.
- Tevsjö Destilleri – Aquavit-Brennerei. Whisky seit 2014.
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