High-Ester-Rum ist seit einigen Jahren zum absoluten Zauberwort in der Rum-Welt geworden. Ester kennen wir auch aus der Whisky-Welt, denn sie sind verantwortlich für die wunderbaren Fruchtnoten im Destillat. Doch wieviel Ester braucht man eigentlich für ein gutes Produkt? Im Rum-Bereich scheint es keine Grenze zu geben: Ultra-Ester-Rums sind seit geraumer Zeit zum Star der Szene geworden. Was hat es auf sich mit den als DOK bezeichneten Frucht-Monstern aus der Karibik?
Berlin
In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren eine sehr lebhafte Rum-Szene entwickelt, was nicht zuletzt auch dem Berliner Rum-Festival zu verdanken ist. Leute wie Dirk Becker, der das Rum-Festival vor mehr als einem Jahrzehnt ins Leben rief, oder die Spirituosen-Experten Mike Meinke und Kristina Wolf haben der Berliner Rum-Szene viele entscheidende Impulse gegeben.
Schon 2011 hatte Becker die Hampden Distillery auf Jamaica besichtigt, und alte Abfüllungen von Hampden entwickelten sich schnell zum Geheimtip in der Berliner Rum-Szene.
Zum damaligen Zeitpunkt war Hampden gerade dabei, aus einem Dornröschen-Schlaf zu erwachen. Die um 1750 gegründete Brennerei war jahrelang in staatlichem Besitz gewesen. Eine Krise in der Zuckerndustrie und rückläufige Verkaufszahlen führten dazu, dass Hampden Estate und die dazu gehörige Brennerei zunächst stark vernachlässigt wurden, ehe man sie 2003 komplett schloss.
2009, zwei Jahre vor Beckers Besuch, hatten Andrew und Outram Hussey die Hampden Distillery erworben und begannen Schritt für Schritt, die Produktion wieder aufzunehmen. Seither hat sich Hampden mit seinen High-Ester-Rums zu einem Lieblings-Kind der deutschen Rum-Fans entwickelt.
DOK - das Ester-Monster von Hampden Distillery
Eine Besonderheit sind dabei die Ester-Monster, die Hampden unter dem Begriff DOK produziert, und heute möchte ich euch ein bißchen mehr über diese Ester-Monster-Rums erzählten.
DOK markiert den höchsten Estergehalt, der bei Hampden hergestellt wird. Dabei handelt es sich um ein Marque mit einem Ester-Gehalt von 1300-1600 gr/hL AA. Über die Bedeutung von Marques hatte ich ja bereits in meinem letzten Eintrag geschrieben, wenn ihr das verpasst habt, könnt ihr das noch mal
hier nachlesen.
Das Marque DOK gab längere Zeit einige Rätsel auf. Inzwischen weiß man, dass es für Dermot Owen Kelly-Lawson steht, der viele Jahrzehntelang Besitzer von Hampden Estate war und der vermutlich das DOK-Marque erstmals bei Hampden entwickelt hat.
Über Dermot Owen Kelly-Lawson ist nicht allzu viel bekannt. Im Internet finden sich derzeit widersprüchliche Angaben. Nachgewiesen ist, dass er zwischen 1890 und 1930 der Eigentümer von Hampden Sugar Estate war und zusätzlich auch Pächter der Zuckerrohrplantagen Gale Valley, Titson Valley und Golden Grove Pen in Trelawny. Verheiratet war Dermot mit Charlotte, einer Tochter von Rev. John Smith aus Edinburgh, Schottland. Dermot war auch Friedensrichter für Trelawny & St. James.
Dermot wurde 1865 in Montego Bay, Jamaica geboren. Seine Eltern waren Patrick Joseph Kelly, MD, und Carey, Tochter von George MacFarquharson Lawson. Sein Großvater George MacFarquharson Lawson gehörte zu den einflussreichsten Männern von Jamaica: er war nicht nur Kustos von St. James (bis1875), sondern ab 1865 auch Mitglied des Legislative Council of Jamaica, einem Vorläufer des späteren parlamentarischen Oberhauses der Regierung von Jamaica.
Die Hampden Plantage befand sich seit 1852 im Besitz von George MacFarquharson Lawson, dessen Familie vermutlich aus Schottland stammte. Nach Lawsons Tod erbte Dermot Owen Kelly das Anwesen, und mit großer Wahrscheinlichkeit fügte er zu diesem Zeitpunkt den Namen seines Großvaters zu seinem eigenen Namen hinzu und nannte sich nun Dermot Owen Kelly-Lawson.
Deutscher Rum
Als Dermot die Brennerei übernahm, war Deutschland ein wichtiger Absatzmarkt für seinen Rum. Um die einheimische Schnaps-Produktion zu schützen, führte die Regierung in Berlin jedoch hohe Einfuhrzölle auf ausländischen Rum ein. Um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, entwickelten die Rum-Import-Firmen an der Nordseeküste eine besondere Art des Rum-Verschnitts. Dazu wurden 95% einheimischer, preiswerter Industrie-Alkohol mit High-Ester-Rums aus Jamaica aufgefüllt. Da der importierte Rum nach Menge und nicht nach Alkoholgehalt besteuert wurde, erschufen die Brennereien auf Jamaica für die deutschen Importeure einen besonders hoch konzentrierte Rum – und erfanden die Monster-Ester-Marques.
Derzeit registrierte High-Ester-Marques auf Jamaica sind:
- DOK (Hampten Estate Distillery, 1300-1600 gr/hL AA)
- WPE (Worthy Park Distillery, bis zu 800 gr/hL AA)
- NYE/HM (New Yarmouth Distillery, 500-700 gr/hL AA)
- NYE/RH (New Yarmouth Distillery, 900-1000 gr/hL AA)
- NYE/WM (New Yarmouth Distillery, 1300-1400 gr/hL AA)
- NYE/WK (New Yarmouth Distillery, 1500-1600 gr/hL AA)
- TECA (Long Pond Distillery, 1200-1300 gr/hL AA)
- TECB (Long Pond Distillery, 1300-1400 gr/hL AA)
- TECC (Long Pond Distillery, 1500-1600 gr/hL AA)
Theoretisch wäre auch ein Estergehalt möglich, der 1600 gr/hL AA übersteigt, allerdings sind seitens des Gesetzgebers nicht mehr als 1600 gr/hL AA erlaubt. Eine tolle Übersicht über die Ester-Gehalte der verschiedenen Brennereien findet ihr hier bei
"Cocktail-Wonk".
Jamaica Rum, Rum Club Private Selection, DOK, 12 Jahre, kontinentale Reifung
Abfüllungen mit Ultra-High-Ester-Rums sind eher selten, und bei Rum-Nerds sehr begehrt. Vor einigen Wochen wurde unter dem Berliner Label "Rum Club Private Selection" von Dirk Becker ein solches Ester-Monster abgefüllt. Die Brennerei wird nicht genannt, doch mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen der ersten Rums, die 2009 in der Hampden Distillery nach der Übernahme durch die Hussey-Familie destilliert und anschließend in Europa gelagert wurde.
Aber eignen sich diese Ester-Monster, die ja eigentlich als Konzentrat für den Rum-Verschnitt erschaffen wurden, tatsächlich zum genussvollen Trinken? Probieren wir es aus:
Meine Tasting Notes:
Jamaica Rum, Rum Club Private Selection, DOK, 12 Jahre, 58,2%
Besonderheit: kontinentale Reifung, destilliert 7/2009, abgefüllt 3/2022, 500 ml, 433 Flaschen
Aroma: Schon beim Eingießen verströmt der Rum den Duft von Backaroma - und davon jede Menge. Die Nase muss sich anstrengen, um darunter auch noch andere Aromen wahrzunehmen. Doch da ist noch mehr. Zunächst kommen die Fruchtnoten wie Pfirsich, Mango, Banane nach oben. Dann treten die erdigen Töne hervor: Staubstraße, trockener Lehm, gekochtes Gemüse und Körperschweiß. Schließlich blühen on top auch Aceton, Nagellackentferner, Kokosnusscreme, und Bittermandel auf. Das ist definitiv spannend - aber ich bin nicht sicher, ob mir die unrunde Mischung wirklich gefällt.
Geschmack: puh!!! Lecker ist anders. Mit kräftigem Mundgefühl, aber eine seltsame Mischung aus Aceton, Spearmint, verkochtem Gemüse und dem weißen Teil der Grapefruit-Schale. Will ich das wirklich trinken?
Nachklang: mittellang, auf der Zunge leicht trocken und pelzig, mit frischer Minze.
Wasser: Durch Zugabe von ein paar Tropfen Wasser wird der Rum deutlich cremiger, und auf der Zunge auch bekömmlicher.
Fazit: Ultra-Ester-Rums sind trinkbar, aber nicht wirklich zum Trinken gedacht. Dennoch gibt es eine kleine Gruppe von Rum-Masochisten, die bei DOK-Abfüllungen in Ekstase geraten. Ich selbst gehöre nicht dazu, benutze ihn aber gerne, um Master Blender zu spielen und low-Ester-Rums ein bißchen aufzupeppen. DOK-Abfüllungen sind nicht ganz billig, ihr solltet einen DOK nur dann kaufen, wenn ihr übermütig seid und euch alles andere zu langweilig ist.
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