Rum für Whisky-Fans (2): Vale Royal, Velier, und ein Blick hinter die Kulissen
Die Vale Royal Distillery gibt es schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Dennoch tauchen gelegentlich Abfüllungen mit diesem Namen auf. Vale Royal ist kein Einzelbeispiel. Was hat es mit solchen Abfüllungen aus längst geschlossenen Brennereien in der Karibik auf sich? Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen.
Wer sich für "lost distilleries" interessiert, kann auf Jamaica reiche Beute machen. Um 1901 gab es dort noch 110 Brennereien. Eine von ihnen war Vale Royal. Die meisten von ihnen haben die Nachkriegsjahrzehnte nicht überstanden, und auch Vale Royal wurde um 1956 geschlossen.
Dennoch brachte der italienische Abfüller Velier 2018 eine Abfüllung unter dem Namen "Vale Royal" auf den Markt. Auch andere Abfüllungen unter dem Namen von längst geschlossenen Brennereien der Karibik, wie beispielsweise Cambridge, tauchen gelegentlich auf. Ein ähnliches Phänomen kann man auch bei den Rum-Abfüllungen aus Guyana finden.
Um zu verstehen, was es mit diesen Abfüllungen aus eigentlich längst geschlossenen Brennereien auf sich hat, müssen wir weit ausholen und auch einen langen Blick zurück werfen.
Fangen wir zunächst beim Abfüller an:
1. Velier - ein italienischer Prometheus der Rum-Abfüllungen
Das Unternehmen Velier wurde 1947 gegründet und war auf den Import und Vertrieb von Weinen, Champagner und Spirituosen spezialisiert. 1983 erwarb Luca Gargano die Firma und begann zunehmend, sich auf den Import hochpreisiger Spirituosen zu spezialisieren. In den 1990er Jahren begann er verstärkt mit dem Import von hochwertigen Rums aus der Karibik, und entwickelte ein enges Netzwerk zu Brennereien wie Foursquare in Barbados, Appleton und Worthy Park in Jamaica, Damoiseau in Guadeloupe, und Demerara Distillers in Guyana.
2017 schloss sich Velier mit dem französischen Whisky-Spezialisten La Maison du Whisky zusammen und entwickelte Abfüllungsreihen wie “the Spirit of Haiti“ (Clairins), „Habitation Velier“, und „Hampden Estate rums“, die seither in über 30 Ländern vermarktet werden. Besonderes Kennzeichen von Velier ist die enge Zusammenarbeit mit den Brennereien, und die Fässer für seine Abfüllungen verbleiben oft bis zur Abfüllung in den Lagerhallen der Brennereien.
Luca Gargano gilt heute als eine der einflussreichsten Personen in der Rum-Industrie.
Brennblasen bei Long Pond |
2. Marketing-Trends
Noch vor 10 Jahren war das Segment der Rum-Abfüllungen größtenteils am Bedarf der Bartender und Mixologen ausgerichtet, die Rum als wichtige Spirituose in Cocktails schätzen. Die zunehmende Entwicklung von hochwertigen Cocktails, die wir in den vergangenen Jahren im Barbereich erleben konnten, führte auch zu einem gesteigerten Bedarf an hochwertigen Spirituosen, und es ist kein Zufall, dass das deutsche Rum-Festival in seiner Anfangszeit eng an den Berliner Bar Convent gekoppelt war.
Die rasanten Entwicklungen im Whisky-Bereich, in dem exklusive Abfüllungen, Fass-Stärke, und Einzelfässer eine immer wichtigere Rolle spielen, schwappte vor einigen Jahren auch auf den Rum-Bereich über. Viele unabhängige Whisky-Abfüller, wie Cadenhead, Berry Bros. & Rudd oder auch die Whisky Agency in Deutschland haben ihr Portfolio inzwischen um hochwertige Rums erweitert.
Dabei haben sie auch die wichtigsten Kriterien aus dem Whisky-Prämium-Bereich übernommen: weg vom Blend, hin zu Einzelfass, Small Batch, Altersangabe, Einzel-Brennerei und Fass-Stärken.
Um diese Entwicklung vorantreiben zu können, war es vonnöten, die Verbraucher zu informieren und weiterzubilden. Denn ähnlich wie beim Whisky ist auch die Produktion von Rum alles andere als eine einfache Angelegenheit.
Ein wichtiges Kriterium für die Qualität von Rum ist das Bouquet. Und das wiederum wird auf Jamaica vor allem von den sogenannten Marques definiert.
3. Marque – wieviel Ester darf‘s denn sein?
Bild aus:The West Indies, Illustrated, 1909 |
Zuckerrohrplantagen Jamaica 1804 |
CRV |
0-20 |
|
CQV |
20-50 |
|
LRM |
50-90 |
|
ITP/LSO |
Ive Trelawny Pot (Lluidas Plantation) |
90-120 |
HJC/LIB |
(Caymanas
Estate, till 1940s) |
120-150 |
IRW/VRW |
Vale Royal Wedderburn (Vale Royal, till 1959) |
150-250 |
HHHS/OCLP |
250-400 |
|
LPS |
Long
Pond Special |
400-550 |
STC*E |
Simon Thompson Cambridge Estate (Cambridge Estate) |
550-700 |
TECA |
Tilston Estate Continental A (Tilston Estate) |
1200-1300 |
TECB |
Tilston Estate Continental B (Tilston Estate) |
1300-1400 |
TECC |
Tilston Estate Continental C (Tilston Estate) |
1500-1600 |
6. Vale Royal:
Die Frühgeschichte der Brennerei ist recht gut durch das Centre for the Study of the Legacies of British Slavery dokumentiert. Vale Royal Distillery wurde bereits vor 1787 gegründet und befand sich lange Zeit in Besitz des Liverpooler Händlers Thomas Pepper Thomson. Auf der Plantage lebten um 1800 etwa 300 Sklaven.
Bildnachweis:My Jamaican Family: A Month in the Country |
Einige tolle Fotos vom ehemaligen Herrenhaus des Vale Royal Estate findet ihr hier: Vale Royal Great House
7. Die Abfüllung:
Vale Royal, Jamaica, Pure Single Rum, National Rums of Jamaica, 2006, 12 Years, VRW 150/250, Wedderburn, Double Retort Pot Still, Long Pond, Trelawny, tropical maturation, ohne Zuckerzusatz, ohne zusätzlichen Farbstoff, 62,5%
2018 brachte Velier die oben genannte Abfüllung auf den Markt. Um die vielfältigen Informationen auf dem Etikett verstehen zu können, braucht man einiges an Vorkenntnissen, und Velier hatte sich damals zusammen mit La Maison du Whisky massiv dafür eingesetzt, dass die nötigen Informationen über Mediatoren, Markenbotschafter, Blogger und Bartender an das Zielpublikum weitergereicht wurden. Wir kennen das alle auch aus dem Whisky-Bereich.
Zusammengefasst handelt es sich um einen fass-starken Rum, der 2006 in der Long Pond Distillery gebrannt wurde und eine Reproduktion des Rum-Stils der ehemaligen Vale Royal Distillery ist, die 1959 schließen musste und deren Rum durch die "Marque" VRW (Vale Royal Wedderburn) gekennzeichnet war. Gelagert wurde der Rum mit einem Estergehalt von 150/250 gr/hlpa im tropischen Klima von Jamaica. Es handelt sich dabei um eine Small-Batch-Abfüllung von 11 Fässern, die nach 12 Jahren noch 3.412 Flaschen ergaben.
Zeitgleich erschienen drei weitere Abfüllungen in dieser Serie, von denen ich euch die Abfüllung "Cambridge" in meinem nächsten Post vorstellen werde.
Hat sich soviel Aufwand gelohnt? Schauen wir zunächst auf meine Tasting Notes:
Vale Royal 2006, 12 Jahre, VRW, Velier, National Rums of Jamaica, 62,5%
Farbe: leuchtendes Mahagoni
Aroma: ein Faustschlag gleich zu Beginn! 12 Jahre tropische Reifung haben mächtige, wuchtige Aromen hervorgebracht, wie wir sie beim Whisky von Kavalan-Abfüllungen oder auch fass-starken, älteren Bourbon her kennen. Dann kommen dunkle Kaffee-, Toffee- und Röstaromen zum Vorschein, gefolgt von erdigen Noten nach Salzkartoffeln und nasser Pappe. Der Duft von Holzstaub gerät stark in die Nase. Die leicht stechende Alkoholnote schmälert das Vergnügen etwas, aber ein paar Tropfen Wasser lösen das Problem und schaden dem Rum keinesfalls. Alternativ hilft auch ein Snifter-Glas, das durch seinen hohen Hals dem Rum die alkoholische Schärfe nimmt und seine Vorzüge betont.
Geschmack: volles Mundgefühl, leicht trocken und adstringierend, trotz seiner Kraft überraschend weich, und recht ölig. Nussig und würzig.
Nachklang: angenehm lang und weich
Fazit: insgesamt wuchtig und stark, aber eher schlicht gestrickt, mit wenig Raffinesse und wenig Überraschungen. Dennoch ein schöner Rum, der mit einem guten Mundgefühl und einem langen, warmen Nachklang auch Whisky-Trinker überzeugen kann.
Der Ester-Gehalt bewegt sich eher im durchschnittlichen Bereich, eine Offenbarung sollte man also nicht erwarten.
Sein Reiz liegt in seiner Kraft und in seiner Trockenheit, die uns extrem weit weg führen von den süßlich-lieblichen Rum-Rosinchen, die viele Mainstream-Rums bereit halten.
Am besten kommt er in einem großen Snifter-Glas von Spiegelau zur Geltung, und ausnahmsweise empfehle ich dieses Glas für diese Abfüllung auch. Bei einem derzeitigen Preis von ca. 180 Euro sollte man das Optimum aus der Abfüllung heraus kitzeln. In einem Snifter eignet sich der Rum bestens als Digestiv um einen schönen Abend stilvoll und mit Muße zu beenden.
Der Rum wendet sich an eher an den Connoisseur - um ihn angemessen würdigen zu können, sollte man mit fass-starken Abfüllungen vertraut sein. Wer zudem einen Einstieg in die komplizierte Welt der Rum-Marques sucht, sollte diese Tür unbedingt öffnen.
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