Rum für Whisky-Fans (5): Appleton Hearts Collection

Die Rums von Appleton sind weltberühmt und dürfen in keiner Bar fehlen. Meit bestehen sie - ähnlich dem Scotch Blended Whisky - aus einer Mischung von Pot-Still- und Column-Still-destillierten Rums. Doch gelegentlich gibt es auch Abfüllungen, die rein auf Pot Stills gebrannt wuden. So wie die Appleton Hearts Collection.


Auch wenn ihr keine Rum-Fans seid, habt ihr bestimmt schon mal den Namen Appleton gehört. Appleton ist eine der ältesten Zuckerrohrplantagen Jamaikas. Das Anwesen liegt eingebettet im Nassau-Tal in der Gemeinde St. Elizabeth und umfasst eine Brennerei, eine Zuckerfabrik und eine eigene kristallklare, blaue Wasserquelle.

Auf die Geschichte der Brennerei will ich an dieser Stelle nicht eingehen, ihr findet eine umfangreiche Zusammenstellung und Übersicht dazu [hier].

Besonders amüsant ist eine Anzeige, die 1964 die Vorzüge von Appletons weißem Rum hervorheben sollte. Angeblich war der Rum für Leute gedacht, die Gin, Vodka, Screwdrivers und Gimlets bereits hinter sich haben und jetzt Vorreiter für den Drink von morgen sein wollen. Kommt euch das bekannt vor?...



Ob Appleton-Fans immer noch zu den Vorreitern der Drinks-Szene gehören, mag ich nicht zu beurteilen. Für mich ist Appleton mittlerweile das Bushmills der Rum-Brennereien geworden: weltberühmt und legendär, mit einer uralten Historie, in allen Bars dieser Welt zuhause, mit hohen Qualitätsansprüchen, einem strengen Blending-Regime und einer fantastischen Frau als Master-Blender.

Und ebenso wie bei Bushmills sind die Blending-Rezepturen streng geheim. 

Die Rums von Appleton Estate werden teilweise in Pot Stills gebrannt, die Brennerei besitzt aber auch  Säulenbrennblasen. Für die Fermentation wird ein lokaler Hefestamm verwendet, der auf den Zuckerrohrplantagen der Brennerei verbreitet ist.

Normalerweise sind die Rums von Appleton so konzipiert, dass sie wunderbar in Cocktails eingesetzt werden können und pur niemandem weh tun. Um hohe Verkaufszahlen zu erreichen, muss man den Geschmack des Mainstream treffen. Und ebenso wie bei Bushmills gibt es dann und wann eine Sonderabfüllung, die sich an die Geeks und Nerds wendet und dafür sorgt, dass der legendäre Ruf der Brennerei auch legendär bleibt.

Wie beispielsweise die Appleton Hearts Collection, die in Zusammenarbeit mit Velier entstanden ist und mit viel Marketing-Getöse in der Rum-Blogosphäre eingeführt wurde. 

Insgesamt sind bisher 5 Abfüllungen erschienen:

Appleton Estate 1994/2020, 26 Jahre, Velier - Hearts Collection, tropische Reifung, 60%
Appleton Estate 1995/2020, 25 Jahre, Velier - Hearts Collection, tropische Reifung 60%
Appleton Estate 1999/2020, 21 Jahre, Velier - Hearts Collection, tropische Reifung 60%
Appleton Estate 2003/2021, 18 Jahre, Velier - Hearts Collection, tropische Reifung 63% 
Appleton Estate 1984/2021, 37 Jahre, Velier - Hearts Collection, tropische Reifung, 63%

Appleton-Werbung: halbnackte Damen und....

Warum auf der Appleton-Website die 1995er Abfüllung mit viel nackter Haut einer jungen Dame, die1994 Abfüllung hingegen mit einem bieder bekleideten Mann im langweiligen Polo-Shirt beworben wird, muss man nicht unbedingt verstehen. Oder vielleicht verstehen wir die Gründe dafür nur zu gut - Beim Rum ticken Marketing-Abteilungen genauso sexistisch wie bei der Whisky-Vermarktung.

bieder-brave Männer....


Besonders interessant ist die Tatsache, dass die Fässer über 20 Jahre lang in tropischem Klima reifen konnten. Da in heißen Klimaten die Verdunstungsrate extrem hoch ist, hat mich das total überrascht. Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gedacht, dass es möglich ist, auf Jamaica Fässer über einen so langen Zeitraum zu lagern, ohne dass sie irgendwann leer sind.... 

Aber die Brennerei hat einige Tricks auf Lager. Einen davon hat die Master Blenderin Joy Spence verraten: Je leerer ein Fass, desto schneller die Verdunstung. Deshalb werden die Fässer nach drei Jahren, wenn sie bereits aufgrund der Verdunstung einiges an Inhalt eingebüßt haben, in einen größeren Sammelbehälter geleert, und anschließend sofort wieder in die Fässer zurück gefüllt. Praktischer Nebeneffekt ist, dass man dadurch Fässer und Lagerkapazitäten einsparen kann.  

Über den Ester-Gehalt hat man sich hingegen in sämtlichen Zoom-Online-Talks ausgeschwiegen. Die Ester-Marques der Appleton Distillery gelten als Betriebsgeheimnis. 

Angegeben wurden stattdessen der Anteil an sogenannten Congeners, also Bestandteile, die für die Geschmacksbildung zuständig sind. 

Hier meine Tasting-Notes:

Appleton Estate 1994/2020, 26 Jahre, Velier - Hearts Collection, Congeners 1184 gr/hlaa, tropische Reifung, 60%


Aroma: Im Glas eröffnet der Rum sein Aromenfeuer mit Nagellackentferner, Mandelextrakt, Anis-Pastillen, Minze und Kaugummi mit Orangengeschmack. Dann kommt die penetrante Süße von tropischem Blütenduft und Mokka-Schokolade. Man muss sich anstrengen, um unter dieser wilden Aromatik auch die Fruchtnoten zu finden, doch sie sind da: Erinnerungen an Banane, Aprikose und Litschi werden wach. Insgesamt sehr rund und ausbalanciert.

Geschmack: schmeckt, wie er riecht – Anis-Pastillen und Orangenzesten küssen die Zunge wach. So stelle ich mir geraspeltes Süßholz vor. Gleichzeitig besticht er mit einem überaus weichen und runden Mundgefühl. Ein paar Tropfen Wasser müssen nicht sein, schaden ihm aber auch nicht.

Nachklang: lang und warm. Das üppige Volumen im Antritt weicht einem leicht holzigen Nachgeschmack.

Fazit: Bei diesem Appleton 26 fühle ich mich wie ein Sniffin' Glue-Junkie – ich könnte stundenlang die Nase ins Glas tauchen. Es soll Leute geben, die so was im Cocktail versenken. Pur genossen ist dieser Rum eine kleine Offenbarung, wenn man träumerisch auf der Milchstraße des Jamaica-Funks wandeln will.



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