Event: Zoom-Tasting Fading Hill
Nachdem uns in der Vergangenheit die St. Kilian Brennerei mit Online-Tastings spannende Einblicke in ihre Arbeit gegeben hat, hat nun die deutsche Fading Hill Distillery nachgezogen und zu einem großes Online Tasting mit vielen Bloggern und Youtubern eingeladen. Hat die Fading Hill Distillery unser Herz gewinnen können?
Hier meine Tasting Notes:
1. Single Rye, Edition 01/22, 6 Jahre, dest. Juli und Sept.2015, abgefüllt 21.2. 2022, 45%:
Besonderheit: destilliert aus grüner Roggenmaische, aufgeschlossen mit Roggenmalz, gereift im Bourbon- und Oloroso-Fass. Brauch eine Weile an der Luft, ehe er aufgeht.
Aroma: eher auf der floralen und leichten Seite, ein bißchen Apfel, Birne und Mandarine, mit einer aparten Mischung aus frischem Heu, Birkenzweigen, Moos, Honig, Weihrauch, Karamellbonbons, verkohlte Bratenkruste, Lapsang-Tee und milde Lakritze. Man sollte ihm unbedingt Zeit geben, denn je länger er Luft bekommt, desto komplexer wird er.
Geschmack: mittlerer Körper, cremig und ölig, mit einer leichten Süße und angenehmen Würznoten.
Nachklang: mittellang, mit grünem Tee und Heu, trocken und leicht pelzig
Gesamteindruck: man sollte sich nicht vom Namen täuschen lassen - dieser Rye Whisky erinnert nur entfernt an die Rye Whiskys aus Übersee. Ein spannendes und sehr komplexes Produkt, aber der Begriff "Rye Whisky" weckt in mir eine ganz bestimmte Erwartungshaltung, die er anschließend nicht wirklich erfüllen kann. Als Fan von schwerem Monongahela-Rye ist mir dieses florale Leichtgewicht trotz seiner beeindruckenden Komplexität zu grünlastig und kann mich nicht wirklich abholen. Ich tue mich schwer mit diesem Rye, aber vielleicht liegt es nur daran, dass mir das Aromenprofil eher fremd ist.
2. Single Malt, Edition 1/22, 4 Jahre, destilliert 8/2017, 7/2022, 46%
Besonderheit: ein Batch aus den Fässern #562, 328, 329, 287, 236, gereift in Port-, American Oak, Bourbon- und Oloroso-Fässern.
Aroma: ups - da ist Schwefel. Kein guter Start für mich. Dann kommen frische Minze, ein bißchen Orangen, Limetten, Erdbeeren und Ledertasche. Genuss-Botschafterin Annick Seiz wirft glasierte Bratenzwiebeln in unsere Verkostungsrunde, und trifft damit den Nagel auf den Kopf.
Geschmack: würzig, cremig und vollmundig, mit einer schönen Würzigkeit und der leichten Bitterkeit von Eiche. .
Nachklang: lang und warm, am Ende sehr trocken auf der Zunge.
Gesamteindruck: ein schöner Whisky - vorausgesetzt, man hat keine Probleme mit Schwefelnoten und Virgin Oak. Die Bratenzwiebeln bringen eine fleischige Note. Das kann spannend sein, aber auch irritieren.
3. Single Malt Peated Edition, 4 Jahre, destilliert 3/2018, abgefüllt 30.3.2022, 46%
Besonderheit: Verwendung von belgischem Rauchmalz, mit einem Finish im 2nd Fill-Laphroaig-Fass. Small Batch aus Fass-Nr. 751, 752, 753
Aroma: glasklar und pointiert, mit starken Zitrusnoten, Heu, Tannengrün, Minze, Ozon und Kräuterbonbons. Dazu geräucherte Bittermandel.
Geschmack: leicht süß, mittlerer Körper und mit einer sehr milden und dezenten Rauchnote. Anklänge von weißem Tee.
Nachklang: mittellang, dezent rauchig und mild
Gesamteindruck: wir nähern uns Schottland. Die dezenten Rauchnoten sind wunderbar eingebunden, und die Kombination von Zitrus- und Ozon-Aromen geben dem Whisky eine wohltuende Frische. Sehr gelungen. Zudem kann der Whisky stundenlang im Glas stehen, ohne das Aroma merklich zu verlieren.
4. Single Malt, Einzelfass, Fass-Nr. 337, destilliert 17.07.2015, abgefüllt 05.07.2022, 6 Jahre und 50 Wochen, Bourbonfass-Reifung, 55,7%
Besonderheit: Gereift drei Jahre im 1st fill Virgin American Oak Fass, am 17.07.2015 umgefüllt in 1st Fill Bourbon Barrel
Aroma: sehr fruchtig, mit viel Orangengelee und Grapefruit-Zesten, dazu Honigsüße, ein bißchen Apfel- und Birnenduft, sanfte Kräuterwürze und geschnittenes Brot.
Geschmack: vollmundig, mit Minze, Brotkruste und Orangengeschmack.
Nachklang: warm und lang, und noch immer die Orange...
Gesamteindruck: vollmundig, rund und cremig, mit üppigen Fruchtaromen. Gefährlich süffig. Weniger komplex als der Rye, aber dennoch mein Liebling des heutigen Abends.
5. Single Malt, Einzelfass, Fass-Nr. 693, 1st Fill Sherry Cask, 53%
Besonderheit: Teil eines Batches aus sechs 1st fill Bourbon Fässern, befüllt am 15.12.2015, umgefüllt in 1st fill PX Sherry Fässer aus der Bodega Spinola, Jerez, abgefüllt am 5. Juli 2022
Aroma: getrocknete Beeren, Kirschen, Mandarinen und Pflaumen. Auch diesmal ein leicht minziger Unterton,
Geschmack: süß, vollmundig, voluminös und überaus üppig. Fast schon zuviel.
Nachklang: lang und warm, leicht fleischig, mit sanfter Würze und sehr schwachen Tanninen.
Gesamteindruck: Sehr schön! Hier wurde aus dem Vollen geschöpft. Wer nach dicken Aromen sucht, ist hier bestens aufgehoben. Der hat uns alle begeistert.
Fazit:
Die Diskussion um deutschen Whisky steckt derzeit in einem Dilemma: einerseits betonen die Produzenten nachdrücklich, dass deutscher Whisky ein eigenständiges Produkt ist und deshalb auch anders schmecken sollte als schottischer oder amerikanischer Whisky. Andererseits lehnt man sich bei Namensgebung, Begrifflichkeiten und Fass-Reifungs-Methoden ganz stark an schottischen Single Malt an.
Es wird noch ein Weilchen dauern, ehe deutsche Brennereien den Spagat zwischen Eigenständigkeit und Nacheifern meistern können. Die Fading Hill Distillery ist auf dem besten Weg dazu. Lange Fermentierungszeiten, kombiniert mit einem guten Fass-Management, tragen Früchte.
Was alle Samples kennzeichnete, war eine ausgesprochene Cremigkeit sowie eine frische Note, die manchmal sehr stark als Lakritze, manchmal eher schwach als Minze oder Menthol auftritt. Mir haben die Samples immer dann besonders gut gefallen, wenn dieses Frische-Element von den übrigen Aromen gebändigt werden konnte.
Insgesamt war ich von der Qualität der Abfüllungen beeindruckt. Vor allem die Einzelfass-Abfüllungen waren stark. Wer nach guten Whiskys Ausschau hält, sollte die Fading Hill Distillery auf jeden Fall ins Visier nehmen. Die Weichen sind bestens gestellt, und wir werden in den kommenden Jahren mit Sicherheit fantastische Abfüllungen erwarten können.
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