The Lübbehusen und die Schildbürgerstreiche der Zollbehörde (mit Tasting Notes)

Brennereibesuche machen immer wieder großen Spaß, und es gibt inzwischen auch in Deutschland so manches lohnenswerte Whisky-Ziel. Mit Blogger-Kollegin Petra Milde war ich vor einigen Tagen in Emsteck bei der Lübbehusen Whisky-Brennerei zu Besuch. Der Tag wurde sehr lustig, denn wir haben dort die  komplette Range durchprobieren können - und außerdem noch eine kuriose Entdeckung gemacht. 


Habt ihr als Kind auch so gerne die Geschichten aus Schilda gelesen wie ich? Ich mag bis heute die kuriosen Erzählungen von den Schildbürgern, die ein Rathaus bauen, aber die Fenster vergessen, oder ihre Stadttore einreißen, damit sie die langen Baumstämme quer hindurchtragen können. Und bis heute habe ich großes Mitleid mit der Kuh, die auf der Stadtmauer das Gras abfressen soll und bei dem Versuch der Schildbürger, besagte Kuh auf die Mauer hoch zu ziehen, gnadenlos stranguliert wird.

Und genau an diese Kuh musste ich bei unserem Besuch in der Lübbehusen Whisky-Brennerei denken. Denn es ist ein echter Schildbürgerstreich, den der Zoll in Niedersachsen der Whisky-Brennerei in Emsteck spielt.

Seit 2014 produziert Jens Lübbehusen Whisky in Deutschlands Norden, im Oldenburger Münsterland. Das moderne Gebäude im Ecopark von Emstek ist mit seinen großen Fensterfronten ein Augenschmaus und hat mich mit seinem lichtdurchfluteten Tasting-Raum und einer hochmodernen Anlagetechnik sehr beeindruckt.

Schon von außen kann man die Brennanlage erkennen, die ein echter Hingucker ist. Mit einem Fassungsvermögen von 2.000 Litern ist die kupferne Wash Still eine der größeren Whisky-Brennblasen in unserem Land. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter und Techniker Marko Abeling hat uns Jens dann durch die Brennerei geführt.

Wenn ihr mehr Informationen über die Brennerei wollt, kann ich euch das folgende Video empfehlen, bei dem die Zuschauer auf einem kurzweiligen Rundgang durch die Brennerei alle Produktionsbereiche kennen lernen.




Bei unserem Besuch konnten Petra und ich natürlich auch die gesamte Brennerei besichtigen. Als wir dann am Ende schließlich ins Fasslager kamen, habe ich aber nicht schlecht gestaunt: der Zoll hat doch tatsächlich jedes (!) einzelne Fass nach der Befüllung mit einer Plombe versiegelt. Das habe ich in anderen Brennereien in Deutschland oder Schottland so noch nicht erlebt, und es hat mir, ehrlich gesagt, regelrecht die Sprache verschlagen.

Selbst wir laienhaften Whisky-Genießer wissen inzwischen, wie bedeutsam der Einfluss des Fasses auf die Aromen-Struktur eines Whiskys ist. Ein gutes Fassmanagement und ein sorgfältiges Fass-Monitoring sind eigentlich unerlässlich für einen Whisky-Produzenten.

Vor allem junge Brennereien, die mit Virgin Oak Fässern arbeiten und viel mit vorbelegten Fässern experimentieren müssen, brauchen eine enge Überwachung ihrer Fässer, da sie ja noch gar nicht wissen können, wie sich ihr New Make in den entsprechenden Fässern entwickeln wird.

Diese unglaublich wichtige Arbeit wird der Brennerei durch die eigenwilligen Zollvorschriften richtig schwer gemacht. Denn bei jeder Fassprobe, die zur Kontrolle entnommen wird, muss der Zoll zugegen sein. Was für ein unnötiger Aufwand! Herzlich willkommen in Schilda, lieber Zoll.

Natürlich geht das alles irgendwie. Muss ja. Von einer sinnvollen Regelung ist die zuständige Zollbehörde dennoch meilenweit entfernt. Aber sind wir mal optimistisch für die Zukunft des deutschen Whiskys, die britische Zollbehörde hatte auch mehrere Jahrzehnte gebraucht ehe sie begriffen hatte wie man eine Kuh melkt ohne sie zu strangulieren.


Da die Brennerei aufgrund der Corona-Einschränkungen derzeit offiziell geschlossen ist, hatten Jens und Marko genug Zeit für uns übrig, und haben uns dann die komplette derzeitige Range vorgestellt. Gewohnheitsmäßig habe ich auch Tasting Notes angefertigt, aber ihr wisst ja, ab dem dritten Whisky schmeckt es immer besser, und die Stimmung wurde von Whisky zu Whisky auch immer lustiger, wie man unschwer an den Tasting Notes für Probe Nummer 7 erkennen kann.

Ich hoffe, dass die folgende Zusammenfassung euch trotzdem einen kurzen Überblick über die Abfüllungen geben kann, die derzeit bei The Lübbehusen erhältlich sind. Für den Whisky wird getorfes und ungetorftes Malz aus Schottland verwendet; zudem wird noch ein Whisky aus Roggenmalz hergestellt. Die derzeit erhältlichen Whiskys sind zwischen drei und fünf Jahre alt.

Die Whiskys:

1. New Make

Nase: süß, karamelisierte Petersilie, Wurzelgemüse
Gaumen: frisches Brot und Sternanis

Ein sehr markanter und eigenständiger New Make, der weniger auf der fruchtigen, sondern eher auf der erdigen Seite steht. Kein Mainstream, aber sehr komplex.


2. Vintage 2017, 3 Jahre, 44,4%

Die Vintage-Abfüllung ist ein Batch aus vier verschiedenen Fasstypen: Ex-Sherry, Virgin Oak, Ex-Bourbon und Ex-Rotwein. Insgesamt wurden 12 Fässer vermählt.

Nase: dominante Sherry-Note, mit versteckten Vanille-Aromen und dezenter Eiche.
Gaumen: mittelstarker Antritt, cremig, elegant, gefällig

Bietet insgesamt eine schöne Komplexität, wobei die Sherry-Aromen die Oberhand haben


3. Unpeated Single Cask, 3 Jahre, 43,8%

Double Matured: 22 Monate in American Virgin Oak Fässern, 21 Monate in Ex-Bourbon (Jack Daniels) Fässern.

Nase: tolle Fruchtnoten von Apfel, Birne, Banane und Aprikosen
Gaumen: kräftig, würzig, schlank, mit deutlichem Holzeinschlag aus den Virgin Oak Fässern

Schöne, fruchtige Abfüllung für Liebhaber von Virgin Oak. Für mich hätte es ein bißchen weniger Holz sein dürfen.


4. Unpeated Small Batch, Cask Strength, 4 Jahre, 56,7%

Virgin-Oak-Fässer und Ex-Bourbon-Fässer

Nase: saftige Mandarinen, Vanille und Karamell
Gaumen: kräftig, würzig

Kräftiger Antritt durch die hohe Fassstärke. Gefällt mir in der Nase besser als im Mund.


5. Rye Single Cask, 42,8%, 3 Jahre

Gemälzter Roggen.

Nase: sehr fruchtig, Mandarine, Banane, Pfirsich, Ananas.
Gaumen: kräftig, sehr untypisch, leicht bitter

Weicht deutlich vom üblichen Schema amerikanischer oder kanadischer Rye Whiskys ab. Ein sehr eigenständiger, ungewöhnlicher Rye, der durch seine leichte Bitterkeit vor allem im Sommer gut passt.


6. Single Malt Sherry, 3 Jahre, 54,8%

Double Matured. 12 Monate in Virgin-Oak-Fässern, danach teils in PX- und teils in Oloroso-Fässern gelagert. Abgefüllt am 22.11. 2018 in Fassstärke.

Nase: wunderschöne Sherry-Note, mit viel Feigen- und Apriosen-Aroma
Geschmack: kräftige Würzaromen, vollmundig und leicht trocken

Die Virgin-Oak-Fässer sorgen hier für Kraft, ohne dominant zu sein. Die Oloroso-Sherry-Note dominiert und legt sich elegant über den Rest des Bouquets. Wunderbar ausgewogen.  Die trockenen Fruchtaromen der Sherry-Fässer harmonieren fantastisch mit der Erdigkeit des New Make. Mein absoluter Liebling des Abends. Die Fassstärke steht ihm gut und lässt die Aromen dichter wirken.



7. Peated Single Cask, 4 Jahre, 44,0%

18 Monate in Virgin-Oak-Fässern gereift, danach 30 Monate in einem Ex-Islay-Fass.

Nase: dezente Rauchnote, mit Latschenkiefer, frischem Männerschweiß und Ozonbad.
Gaumen: grasig, erdig.

Die Whirlpool-Party zu zweit im Nadelwald. Spannend, und passt bestimmt super gut zum Pulled Pork vom Smoker.


8. Peated Small Batch, Cask Strength, 5 Jahre, 57,3%

18 Monate in Virgin-Oak-Fässern, die restliche Zeit in einem Ex-Islay-Fass.

Nase: mehr Karamell, und weniger Latschenkiefer als die Single-Cask-Abfüllung unter Nummer 7. Durch die längere Reifezeit und den höheren Alkoholgehalt wirkt das Aroma intensiver.
Gaumen: trocken, tanninlastig, mit viel Würze und Pfeifen-Tabak.

Es gibt nur wenige Frauen, die Pfeife rauchen, und persönlich kenne ich keine. Vielleicht ist dieser Peated Small Batch dann doch eher ein Männerwhisky?

Anbei findet ihr noch ein paar Fotoimpressionen. Zum Glück hatte die Brennerei offiziell geschlossen, sonst hätte man uns wahrscheinlich rauswerfen müssen, weil wir uns nicht an die Öffnungszeiten gehalten hätten. Es ist jedenfalls verdammt spät geworden. Vielen Dank an Jens und Marko, dass ihr euch so unglaublich viel Zeit für uns genommen habt, das Tasting hat großen Spaß gemacht. Ihr seid fantastische Gastgeber.








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