Interview der Woche: Marco Müller (Feingeist, The Refiners) über Fass-Finishes, Feingeist und schlechte Fässer
Bei der Eröffnung des Spirituosen-Marktes in Mömbris wurde auch ganz inoffiziell eine neue Abfüllungsreihe von Feingeist unter dem Label "The Refiners" vorgestellt. Was es damit auf sich hat, hat mir Marco Müller im Interview verraten. Mit ihm habe ich über Fass-Finishes, gute und schlechte Fässer und die derzeitigen Probleme auf dem Fass-Markt gesprochen.
MM: Marco, bei euch hat es mit der Eröffnung des neuen Spirituosen-Marktes
in Mömbris einige Neuerungen gegeben. Welche Funktion hast du inzwischen bei Feingeist,
und was hat sich geändert?
Marco: Ich bin bei Feingeist angestellt, und meine
Hauptarbeit dreht sich um unserem neuen Spirituosen-Laden. Verkauf, Beratung,
Arbeit an der Bar, das ist mein Kerngeschäft. Mit der Eröffnung unseres neuen
Fachmarktes haben wir die Spirituosen-Abteilung vom Rewe-Markt abgekoppelt. Unsere
ehemalige Spirituosen-Abteilung im Rewe-Markt ist deshalb komplett geschlossen,
und wir haben alles in unseren neuen Fachmarkt verlagert. Zusätzlich haben wir
noch einen Online-Shop.
MM: Man kann also irgendwann alle Produkte, die es hier
im Laden gibt, auch online erwerben?
Marco: Genau. Anfang nächsten Jahres wird es dann
hoffentlich so weit sein. Schon jetzt kann man im online-Shop unsere
Eigenmarken erwerben, also die speziellen Abfüllungen für Feingeist, und ab
nächstem Jahr werden wir dann peu à peu auch alle anderen Produkte einstellen.
MM: Lass uns mal über diese Eigenmarken reden. Unter dem
Namen „Feingeist“ bzw. „The Refiners“ haben Pat Hock und du begonnen, eine
eigene Reihe als Whisky-Abfüller heraus zu bringen. Wessen Idee war das denn?
Marco: Es ist ursprünglich meine Idee gewesen. Das
war sozusagen aus der Not heraus geboren. Pat war mein Vorgänger hier bei
Feingeist, und als er dann zu St. Kilian wechselte, habe ich den Job von Pat
übernommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es im Laden Whisky aus einer deutschen
Brennerei, der für uns abgefüllt worden war, der mir aber nicht so richtig gefallen
hatte. Ich verkaufe nicht gerne Produkte, hinter denen ich selbst nicht stehe.
Also habe ich mir überlegt, was ich damit machen kann. Die Flaschen waren schon
komplett gebottelt, aber ich war damit nicht zufrieden. Der Whisky war nicht
schlecht, versteh mich da nicht falsch. Aber mir hatte irgendwie der Kick
gefehlt. Er war mir zu „deutsch“. Also habe ich mir überlegt, wie ich das
ändern kann.
Ich habe dann ein Laphroaig-Fass und ein Sherry-Fass bestellt,
jeweils 100 Liter. Dann habe ich den deutschen Whisky ein ganzes Jahr lang in
ein Laphi-Fass gesteckt, in der Hoffnung, dass der Rauch aus dem Fass bei
dieser Nachreifung dieses „Deutsche“ zudecken wird. Und meine Hoffnung hat sich
dann tatsächlich erfüllt. Man merkt natürlich noch immer, dass es ein deutscher
Whisky ist, aber er ist durch das Fass-Finish spannender geworden. Es ist jetzt
ein sehr schöner deutscher Whisky. Ich hatte auch noch einen schottischen
Whisky, einen Ruadh Maor, also ein rauchiger Glenturret, der mir irgendwie zu
langweilig war. Den Ruadh Maor habe ich in das Sherry-Fass getan und ebenfalls
ein Jahr nachreifen lassen.
Nach der Hälfe der Reifezeit ist mir dann eine sehr
coole Geschichte passiert. Ich hatte Proben gezogen zur Kontrolle, aber die
beiden Whiskys waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht so, wie ich mir das
vorgestellt habe. Ich habe die Proben dann zusammengeschüttet, und wollte sie
eigentlich wegschütten. Dann kam aber Kundschaft, ich musste die Leute erst mal
eine Weile beraten. Als ich wieder an die Bar zurückkam, dachte ich: „Nanu, was
riecht denn hier so gut?“ Und dann
merkte ich, dass dieser tolle Geruch aus meinem Glas mit den zusammengegossenen
Proben kam. Ich war so begeistert, auch vom Geschmack, dass ich den Rest in ein
Sample-Fläschlein füllte, und am nächsten Tag habe ich diesen zufälligen Blend
dann nachgebaut. Daraus ist dann unser „Project Zero“ geworden. Der deutsche
Whisky aus dem Laphi-Fass wurde mein „Project One“, und der Ruadh Maor aus dem
Sherry-Fass wurde mein „Project Two“.
Plötzlich hatte ich drei verschiedene
Abfüllungen, die mir supergut gefielen, weil sie im Vergleich zum
Ausgangsprodukt deutlich verbessert waren. Und damit war dann die Idee geboren,
Fass-Finishes als eigene Feingeist-Linie weiter zu entwickeln.
MM: Ah, verstehe. Jetzt frage ich aber mal etwas
kritisch: du hast eben das Wort „zudecken“ benutzt. Sind Fass-Finishes im
Grunde genommen nur eine Maskerade, mit der man unliebsame Ausprägungen
zudecken kann – oder anders gefragt: sind Fass-Finishes ein wunderbares Mittel,
um einen schlechten Whisky zu maskieren?
Marko: Nein, ein Fass-Finish ist keine Maskerade. Mit
einem Fass-Finish kann ich ein Produkt besser machen. Das hat mit Maskerade nichts
zu tun. Lass mich das erklären. Du hast auf der einen Seite ein Produkt A, und
auf der anderen Seite die Vorstellung eines Produktes X. Die Frage ist, wie du
von A nach X kommst. Du musst dir da was überlegen. Was mache ich, wenn ich ein
Produkt habe, das meinen Vorstellungen nicht entspricht und mir nicht richtig
schmeckt? Soll ich es trotzdem abfüllen? Oder soll ich nicht vielmehr einen
Zwischenschritt einbauen, damit ich dann von dem ungeliebten Produkt A zu dem
Produkt X komme, das mir gefällt?
Natürlich ist ein Fass-Finish sinnlos, wenn ich ein Produkt
habe, das mir supergut schmeckt. Dann brauche ich ja nichts zu verbessern.
Warum sollte ich ein Produkt, das perfekt schmeckt, noch finishen? Es gibt ja
einen Grund, warum man sich für ein Fass-Finish entscheidet. Es ist ja nicht
so, dass Produkt A geil ist. Wenn es nur top Fässer gäbe, würde es ja gar keine
Finishes mehr geben.
MM: Heißt das im Klartext, dass es zurzeit sehr viel
Whisky auf dem Markt gibt, der ...
Marco: ... der nix taugt. Ja.
MM: Lass uns das jetzt konkretisieren. Lassen wir mal die
Abfüllungen außer Betracht, die schon abgefüllt aus Schottland in unsere Regale
kommen, und konzentrieren wir uns auf das, womit du bei einem Finish
normalerweise arbeitest: auf Fässer mit Whisky, die von Whisky-Brokern nach
Deutschland verkauft werden. Gibt es da deiner Meinung nach zu viele Fässer,
die eigentlich minderwertig sind?
Marco: Ja. Auf jeden Fall. Pat und ich wollten vor
zwei Monaten noch kurzfristig eine Sonderedition für die Eröffnung unseres
Marktes abfüllen. Man hat uns dann Proben geschickt – die Fässer waren richtig,
richtig teuer. Da war beispielsweise ein 12jähriger Fettercairn dabei, der war
klar wie Wasser – selbst Reiswein ist dunkler – und das hat geschmeckt wie New
Make mit einem Hauch von Würze. Und das bekommt man dann angeboten, für richtig
viel Geld. Will ich sowas wirklich abfüllen? Verstehst du, was ich meine?
MM: Ja klar, du willst euren Kunden solche Fässer nicht
zumuten.
Marco: Wenn ich dieser Broker wäre, ich würde mich
schämen, so was rauszuschicken. Bleiben wir bei diesem Fettercairn. Der Whisky
hat 12 Jahre lang in einem Fass gelegen, ohne dass da irgendetwas passiert ist.
Hat der Abfüller oder der Broker da geschlafen? Wenn ich doch nach sechs oder
sieben Jahren merke, dass sich da nix tut, dass das Fass tot ist, sollte ich
das Fass dann nicht besser umfüllen in ein besseres Fass? So ein totes Fass
kann man doch niemandem anbieten. Wer will denn so ein Fass abfüllen? Ich kann
mir nicht vorstellen, dass irgendjemand so ein Fass kaufen will.
MM: Ich denke, dass diese Fässer wahrscheinlich nie dazu
gedacht waren, als Einzelfass-Abfüllung auf den Markt zu kommen. Die waren doch
ursprünglich mit Sicherheit dazu gedacht, um in irgendwelchen Blends zu landen,
oder?
Marco: Ich kann mir sogar das nicht
vorstellen. Das war ein 12 Jahre alter New Make. Wenn du so was aber noch mal
drei oder vier Jahre in ein richtig gutes Fass legst, dann hast du einen 15
oder 16 Jahre alten Whisky mit ‘nem guten Alter, und
mit ‘nem guten Geschmack. Also das war das schlechteste, was ich je probiert
habe. Mich ärgert so was. Wenn der Preis gestimmt hätte, dann hätte ich es
sogar gekauft, und hätte es noch mal für einige Jahre nachgelagert, bis der
Whisky gut ist. Aber so – der Anbieter sollte sich schämen.
MM: Deine Strategie ist also, günstige Fässer zu finden,
die Potential haben, und ....
Marco: ... wo ich dann mit diesem Potential
weiterarbeite und noch ein, zwei, drei Stufen höher gehen kann, indem ich es in
einem guten Fass finishe. Ja. Wenn ich jetzt wieder zurück zu meinem Produkt A
komme – es gibt derzeit sehr viele mittelprächtige Fässer, die mich nicht
umhauen, die aber ein gutes Grundpotential haben und aus denen ich noch was richtig
Gutes machen kann. Solche Fässer gibt es derzeit wie Sand am Meer. Was passiert
denn mit den Fässern, die niemand haben will? Die werden wieder eingelagert,
und in zehn Jahren sind die immer noch schlecht. Solche Fässer kann man
eigentlich nur retten, indem man sie umfüllt.
Das mit dem zudecken meine ich nicht negativ. Der Whisky,
den wir gefinished haben, war in Ordnung. Das war ein gutes Grundprodukt. Ich
würde auch nicht sagen, dass das eine Maskerade ist. Eine Maskerade wäre es,
wenn ich ihn als schottischen oder irischen oder indischen Whisky maskieren
wollte. Darum geht es nicht. Unser Project One ist immer noch ein deutscher
Whisky. Aber wir haben noch was zusätzlich drübergelegt, was ihn besser macht.
Er hat jetzt eine andere Facette. Das hat nichts mit Maskerade zu tun.
MM: Ihr seid mit diesen ersten Fass-Finish-Projekten sehr
erfolgreich gewesen, und habt inzwischen auch schon weitere Abfüllungen
herausgebracht. Und ich habe gesehen, ihr habt die Optik auch komplett
verändert?
Marco: Ja, unsere ersten Abfüllungen waren Project
Zero, One und Two. Außerdem gab es noch den Cille Bhrìghde – das war ein
Laphroaig mit einem Sauternes-Fass-Finish - sowie einen Secret Islay mit Port
Finish und einen Penderyn mit einem Moscatel-Finish.
MM: Danach habt ihr dann die Flaschenform und das Label
geändert. Was war der Grund dafür?
Marco: Das war eigentlich ganz banal. Wir hatten
irgendwann keine Flaschen mehr und hätten nachbestellen müssen. Zu diesem
Zeitpunkt stand schon fest, dass wir einen neuen Laden haben werden. Wir haben
die Gelegenheit dann genutzt, das optische Konzept neu zu entwickeln.
MM: Ihr habt also zusammen mit dem neuen Laden jetzt auch
eine neue Serie aus der Taufe gehoben?
Marco: Ja, wir wollten sozusagen ein komplett neues
„Face“ für die Feingeist-Abfüllungen.
MM: Wie haben du und Pat denn die einzelnen
Aufgabenbereiche für eure Abfüllungen aufgeteilt?
Marco: Wir sind schon ein Team und wir planen das
gemeinsam. Die Entscheidung, welches Fass ich nehme, und welchen Whisky ich
nehme, das ist mein Ding. Aber es ist letztendlich ein Feingeist-Projekt, das
wir im Team betreuen.
MM: Ihr habt gleich zwei Abfüllungen für die Eröffnung
herausgebracht?
Marco: Ja. Das eine ist ein 9jähriger Speyburn mit
einem Sauternes-Fass-Finish und der zweite ist ein 8jähriger Tormore mit einem
Finish im Cognac-Fass.
MM: Was habt ihr denn noch in der Pipeline liegen?
Marco: Es gab eine Fassteilung von uns, und zwar
einen Dufftown Whisky, den wir in ein Domina-Fass gelegt haben.
MM: Wird es den mit oder ohne Peitsche geben?
Marco: Eine Peitsche haben wir nicht geplant. Aber
ich bin überzeugt, dass unser Whisky auch ohne Peitsche sehr gut mit der
Hamburger Domina-Abfüllung mithalten kann.
MM: Vielleicht könnt ihr ja mal mit den Hamburgern eine
Domina-Battle machen. Das wäre bestimmt ganz lustig.
Marco: Ja, das wäre bestimmt lustig, vor allem für
uns, weil wir die Battle garantiert gewinnen würden.... Nein, das war jetzt natürlich ein Scherz, ich habe
die Hamburger Abfüllung leider nicht probieren können. Aber es wäre bestimmt
interessant, die beiden Abfüllungen miteinander zu vergleichen. Ich bin sehr
zufrieden damit, wie sich unser Whisky entwickelt hat. Und die Farbe ist
unglaublich. Wenn du möchtest, kann ich dir nachher eine Probe aus dem Fass
ziehen.
MM: Au ja, gerne! Wie seid ihr denn zu dem Fass gekommen?
Marco: Mein vorheriger Chef hatte das organisiert.
Wir haben viele Winzer hier, und eines Tages klopfte es an der Tür, und dann
stand da jemand mit diesem Fass. Es war frisch entleert, und nicht geschwefelt.
Das Fass war einfach ein Traum. Zu dem Zeitpunkt hatten wir gar keinen Whisky
parat, aber wir hatten zum Glück noch Fassproben in petto. Wir haben uns dann
für einen Dufftown entschieden, der sehr schöne weinige Noten hatte.
MM: Das Weinfass hat ja schon eine ordentliche Größe. Wie
groß sind eure Fässer zum Finishen denn normalerweise und wie oft belegt ihr?
Marco: Optimal finde ich Fassgrößen zwischen 50 und
100 Liter. Ein richtiges Sherry-Butt wäre für unsere Auflagen-Größe zu groß. Es
gibt ja kaum noch gute Sherry-Fässer oder sie sind einfach zu teuer. Da muss
ich nach guten Alternativen suchen, wie beispielsweise schöne Weinfässer. Das
Sauternes-Fass war toll und wird jetzt zum dritten Mal belegt werden, und dann
ist es Geschichte. Was es bei mir eher nicht geben wird, ist ein Rum-Finish.
Ich bin kein Freund von Rum-Fässern für Whisky, ich finde, das passt nur selten
gut zusammen. Cognac-Fass-Finish hingegen finde ich toll.
MM: Ich drücke euch die Daumen, dass die Fass-Finishes
auch in Zukunft gut gelingen, und bin schon sehr gespannt auf das Sample aus
dem Domina-Fass. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview
genommen hast.
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