Blended Whisky - Teil 4: Japan, Indien, Australien

Sind Blends wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Und was genau ist eigendlich ein Blend? Teil 4  unserer Rundreise durch die internationale Welt der Blends führt uns nach Asien und Australien. 



6. Japan

Japanischer Single Malt Whisky ist aufgrund seiner zunehmenden Popularität nicht nur knapp, sondern auch teuer geworden. Lächerlich knapp. Lächerlich teuer. Ähnlich wie in Irland sucht die Industrie einen Ausweg aus dem derzeitigen Dilemma, indem man hochwertige Blends auf den Markt bringt.

Während schottische Blends zumeist aus Whiskys von unterschiedlichen Brennereien bestehen, produzieren Japans Brennereien in der Regel ihre Mischung im eigenen Haus. Folglich können japanische Brennereien eine breite Palette von Stilen herausbringen und müssen nicht notwendigerweise einen „Hausstil“ entwickeln, wie es die schottischen Brennereien tun mussten, um die Anforderungen der Blending-Industrie zu erfüllen.

Japanische Hersteller können mit verschiedenen Arten von Brennblasen, verschiedenen Fermentationsmethoden, unterschiedlichen Hefen und einer größeren Auswahl an Fässern arbeiten, um eine Vielzahl verschiedener Produkte zu erzeugen. Anders als in Schottland enthält ein Blended Whisky in Japan in der Regel nur Malt-Whisky aus den Brennereien desselben Unternehmens. Die Kunst, einen perfekten Blend herzustellen, hat in Japan einen sehr hohen Stellenwert.

Suntorys "Toki" ist ein Blended Whisky aus verschiedenen Malts der Yamazaki und Hakushu Brennereien und Grain Whisky seiner Chita Distillery. Ebenfalls von Suntory sind die Blends Hibiki 17 und der ewas besser verfügbare Hibiki Harmony.

Aus der Mars Shinto Distillery stammt der beachtenswerte Blend "Iwai Tradition", bei dem Whiskys aus verschiedenen Fassreifungen gemischt wurden. Der Blend besteht aus 25% Maiswhisky, 65% leicht rauchigem Single Malt und 10% Roggenwhisky. Gereift wird er in Ex-Bourbon-, Ex-Sherry-, Ex-Wein-Fässern sowie in nicht vorbelegten Fässern aus Französischer und Amerikanischer Eiche. Die Whiskys haben ein Alter zwischen 3 und 20 Jahren.

Nikka hat mit dem "Nikka from the Barrel" einen sehr populären Blend ohne Altersangabe am Start. Hier wurden über 100 Fässer mit verschiedenen Malt und Grain Whiskys aus unterschiedlichen Fassreifungen gemischt. Böse Zungen behaupten, dass ein großer Teil dieser Fässer aus der Nikka-eigenen Ben-Nevis-Brennerei in Schottland stamme. Ein solches Vorgehen wäre durchaus legal, die gesetzlichen Vorschriften in Japan schreiben nicht vor, aus welchem Land ein Whisky stammen muss, um die Bezeichnung japanischer Whisky tragen zu dürfen.

Eine offizielle Definition von japanischem Whisky gibt es nicht, und es ist vollkommen legal, Whisky aus Schottland oder anderen Ländern zu mischen und als japanischen Whisky auf den Markt zu bringen - schon ein paar Tropfen japanischer Whisky in der Mischung reichen, damit sich das Produkt "japanischer Whisky" nennen darf..

Einige japanische Whiskys verwenden den Begriff "Pure Malt", wie beispielsweise Nikka Taketsuru Pure Malt. Diese Bezeichnung entspricht dem Blended Malt in Schottland und bezeichnet ein Whisky, dessen Bestandteile 100% gemälzte Gerste sind, die aber aus mehr als einer Brennerei stammen.

Trend:

Die großen Häuser werden auch in den nächsten Jahren hochwertige Blends auf den Markt bringen müssen, da sie noch eine ganze Weile über zu wenig Single Malt verfügen werden. In den nächsten Jahren werden zunehmend Abfüllungen von neuen Brennereien auf den Markt kommen, die es aber schwer haben, sich zu behaupten. Die mangelnde Verbindlichkeit, was eigentlich japanischer Whisky ist und was er nicht ist, könnte zu einer Verunsicherung der Kunden führen und der Branche irgendwann böse auf die Füsse fallen.

7. Indien

Noch lustiger wird es, wenn wir uns die Blended Whiskys in Indien anschauen. Die meisten hochprozentigen Spirituosen, die in Indien als "Whisky" bezeichnet werden, sind üblicherweise Mischungen, die einen geringen Teil von traditionellem Malt Whisky (normalerweise um 10%) und bis zu 90% Neutralalkohol enthalten, wobei letzterer aus fermentierter Melasse gewonnen wird. Außerhalb Indiens würde man ein solches Getränk eher als Rum bezeichnen. 

Während in Schottland und in der EU genau definiert ist, was ein Whisky sein muss, gibt es  in Indien keine obligatorische Definition von Whisky, und es ist nicht vorgeschrieben, dass Whisky aus Getreide destilliert oder in Fässern gereift werden muss. Solche Spirituosen sind natürlich erheblich billiger herzustellen als echter Whisky. 

Blended Whiskys auf der Basis von Melasse machen 90 Prozent der in Indien als "Whisky" konsumierten Spirituosen aus, obwohl Whisky, der vollständig aus Malz und anderen Getreidearten destilliert wurde, ebenfalls hergestellt und verkauft wird.

Eine der größten indischen Marken, Officer’s Choice, verkauft über 400 Millionen Flaschen pro Jahr. Innerhalb der EU dürfen diese indischen Blended Whiskys auf Melasse-Basis zwar angeboten werden, aber nicht unter dem Namen „Whisky“, sondern unter dem Namen „Spirits“. Ein Beispiel ist „8PM“ von Radico Khaitan, der vor einiger Zeit auch in Europa erhältlich war.

Schottische Blends wie beispielsweise Teachers, Vat 69 oder Black & White werden in Tankern nach Indien gebracht und dann dort abgefüllt. Ob man beim Abfüllen noch ein bißchen Melasse-Whisky untermischt, entzieht sich meiner Kenntnis.

Trend: 

Neben Blended Whisky wird in Indien auch immer mehr Single Malt Whisky hergestellt, der auch in Europa erhältlich ist und sich weltweit zunehmend wachsender Beliebtheit erfreut. 


8. Australien

Als Startschuß für die Australische Whisky-Industrie wird im allgemeinen der Victorian Distillation Act von 1862 gesehen. Weitreichende Veränderungen brachte vier Jahrzehnte später der Distillation Act von 1901, der  die Entwicklung von großen Brennereien begünstigte, da er eine Mindestgröße von 2700 Liter Fassungsvermögen für die Wash Still vorschrieb.

In den 1930er Jahren gründeten die britische Distillers Company of Edinburgh (heute Diageo) die Corio Brennerei bei Geelong. Nach dem zweiten Weltkrieg folgte die Firma Gilbey’s of London mit einer neue Brennerei in Melbourne und der Übernahme der Milne Distillery in Adelaide.

Dadurch wurde fast die gesamte Whisky-Produktion Australiens von diesen beiden britischen Gesellschaften kontrolliert. Schutzzölle ermöglichten einen Preisvorteil von über 40% gegenüber ausländischen Produkten, während gleichzeitig die inländischen Produkte vor allem im unteren Segment der billigen Blended Whiskys angesiedelt waren. Dementsprechend schlecht war der Ruf der damaligen Australischen Whiskys.

Durch die Abschaffung der Schutzzölle 1960 wurde ausländischer Whisky in Australien preiswerter, und die einheimische Whiskyindustrie geriet unter Druck. 1980 wurden schließlich die beiden größten australischen Brennereien geschlossen und verkauft.

Erst 1990 wurden durch eine Gesetzesänderung Brennereien mit kleinen Brennblasen wieder zugelassen., und seither hat sich eine sehr lebendige Whisky-Produktion in Australien entwickelt.
1992 öffnete die Lark Distillery, 1994 folgte Sulivan’s Cove Distillery, 1999 wurde die Hellyer’s Road Distillery gegründet. Weitere kleine Brennereien in Tasmanien, New South Wales und Victoria entstanden schon bald danach. Derzeit gibt es ca. 50 Whisky-Brennereien in ganz Australien. Ähnlich wie in Irland haben viele dieser kleinen Brennereien zur Zeit noch keinen Whisky auf dem Markt.

Für internationale Aufmerksamkeit sorgte australischer Whisky 2014 bei den World Whiskies Awards, als die Sullivan’s Cove Distillery mit einer Single Cask zum ersten Mal eine Auszeichnung für den besten Single Malt erringen konnte.

Australischer Whisky wird ähnlich wie schottischer Whisky hergestellt, der resultierende Geschmack ist jedoch anders. Im Gegensatz zur schottischen Industrie haben sich in  Australien keine traditionellen Methoden herausgebildet, was zu einer großen Variation bezüglich Stil und Aroma von Whisky führt. Ähnlich wie in Deutschland wird in Australien derzeit noch viel experimentiert. Für die Fassreifung werden häufig Fässer von australischen Weingütern verwendet. Die Mindestreifezeit für Whisky beträgt zwei Jahre.

Während vor 1980 das Bild des australischen Whiskys vor allem durch preiswerte Blended Whiskys geprägt war, wollen die neuen Brennereien auf hochwertige Produkte setzen.

Ein Blended Australian Whisky, der seit kurzem auch in Deutschland erhältlich ist, ist der Twofold der Starward Distillery. Er besteht zu etwa zwei Teilen aus Malt Whisky der Starward Distillery und zu drei Teilen aus Weizendestillat der Manildra Group, dem größten Hersteller von Ethanol in Australien. 2020 hat der australische Produzent von Weizenprodukten jeglicher Art in Nowra (New South Wales) eine Weltklasse-Destillerie in Betrieb genommen, die für eine Vielzahl von alkoholischen Getränken den nötigen Neutralalkohol auf Weizenbasis herstellt. Die hochmoderne Anlage verfügt über sieben gigantische Column Stills und ist derzeit die größte Brennerei in Südostasien.

Für den Starward Twofold werden nach der Destillation sowohl der eigene Malt- als auch das dazu gekaufte Weizen-Destillat, das laut Angaben der Starward Brennerei nach ihren eigenen Spezifikationen produziert wird, in den Lagerhallen der Starward Distillery gereift. Die Reifung erfolgt in Ex-Weinfässern von austalischen Weingütern. Der Starward Twofold ist also tatsächlich ein Blend, der ausschließlich mit australischen Zutaten hergestellt wird.

Durch den hohen Malzanteil und die individuelle Fassreifung gehört der Starward Twofold zu den hochwertigen Blends, die derzeit auf dem Markt sind. Sowohl bei den World Spirits Awards als auch bei den World Whiskies Awards hat er 2020 eine Goldmedaille in der Kategorie "Australischer Blended Whisky" gewinnen können.  Dennoch vermeided man bei Starward den Begriff "Blended Whisky" und spricht lieber von einem "Double Grain". Die Kategorie des "Double Grain" gibt es eigentlich nicht, aber in Australien sind die Regularien weniger streng als in Schottland, und der Begriff "Blend" ist scheinbar auch in Australien ein "gefährliches Wort", wie Mark Reynier so treffend gesagt hat.

Trend:

Australischem Whisky wird derzeit eine große Zukunft vorausgesagt. Wenn sie internationale Märkte erobern wollen, brauchen sie jedoch ausreichend verfügbare Mengen zu sinnvollen Preisen. Hochwertige Blends könnten hier eine Lösung schaffen - doch Blends haben in Australien einen besonders schlechten Ruf. Es bleibt spannend.

Destillationsanlage der Shoalhaven Starches in Nowra, New South Wales. Pressefoto.


9. Welt-Blends

2019 hat Suntory einen neuartigen Blend mit dem Namen "Ao" herausgebracht, was auf Japanisch blau bedeutet. Damit soll die Farbe des Ozeans beschrieben werden, der die großen Whisky-Regionen der Welt verbindet.

Dieser Whisky fällt in die bisher nicht vorhandene Kategorie der "Welt-Blends". Die neue Mischung wird Malt- und Grain-Whisky aus Brennereien in den fünf größten Whisky-Regionen der Welt enthalten, nämlich Schottland, Japan, Irland, Kanada und den USA. Der Konzern Beam-Suntory besitzt eine große Anzahl von Brennereien in den genannten Ländern, einschließlich Laphroaig, Bowmore, Tyrconnell, und viele andere Marken.

Die Idee wurde bei Suntory wohl eher aus der Not heraus geboren, weil in Japan die Nachfrage das Angebot an japanischem Whisky bei weitem übersteigt. Hier ging es weniger darum, einen billigen Blended Whisky zu schaffen, sondern das derzeit eher spärliche Angebot an attraktiven Abfüllungen der japanischen Suntory zu bereichern.

Bereits 2015 hatte der unabhängige Abfüller Adelphie ein ähnliches Experiment gewagt und die Abfüllung "The Glover" herausgebracht. Dazu wurden Whiskys der japanischen Hanyu Brennerei mit Whisky der schottischen Longmorn Distillery und ein paar Tropfen von Glen Garioch verschnitten.

 Ob die Kunden solche hochwertigen "Welt-Blends" annehmen werden, bleibt abzuwarten.

Schlußbetrachtung:

Ich hoffe, meine kleine Abhandlung zum Thema "Blend" hat euch ein bißchen geholfen, in diesem Dickicht der begrifflichen Verwirrung den Überblick zu behalten. Denn beim Whisky kommt es vor allem auf die Details an.

Es gibt kaum eine andere Spirituosen-Kategorie, bei der es  bezüglich Qualtität und Erwartungshaltung der Verbraucher so viele Unterschiede gibt wie bei Blends - vom billigsten Glücklichmacher bis zum hochwertigen Qualitätsprodukt ist hier alles vertreten.

Wenn mir jemand erzählt, dass er oder sie nur Single Malt trinkt weil Blends ja ein Scheißprodukt sind, dann weiß ich vor allem eines: eigentlich hat diese Person keine Ahnung, wovon sie da gerade redet.

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