Lagavulin für Hipster?

Werbung wegen Markennennung.

Vor kurzem erschien wieder der Jahresbericht von Diageo, und wie immer legt der Getränke-Riese auch in seinem Bericht 2018 für die Shareholder seine Ziele und Strategischen Maßnahmen dar. Aktien habe ich zwar keine gekauft, aber den Bericht schaue ich mir trotzdem immer an. Denn er gewährt einen tieferen Einblick in die Spirituosenindustrie - und auch auf das, was da vielleicht noch kommen mag.



Wie immer ist auch der Jahresbericht 2018 von Diageo eine spannende Angelegenheit, und er enthält viele Informationen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Und wie immer habe ich auch diesmal versucht, mit Hilfe des Berichtes "im Kaffeesatz" zu lesen. Allzu revolutionäres habe ich diesmal nicht gefunden, man setzt eher auf altbewährtes und führt den in den vergangenen Jahren begonnenen Kurs fort. Die ein oder andere Überraschung  habe ich dann aber doch entdeckt.

Quelle: Diageo Jahresbericht 2018


Ein kurzer Blick auf Zahlen und Märkte verrät, dass in Asien am meisten getrunken wird. Aber man trinkt dort auch am billigsten. Dazu dürfte in nicht unerheblichem Maße der  Bereich des "Indian Made Foreign Liquor (IMFL) Whisky" beitragen. Der wird viel verkauft, aber nur wenig beworben, und verkauft sich wahrscheinlich nur über den Preis. Da bin ich jetzt nicht unbedingt neidisch. 

Am teuersten hingegen trinkt man in Nord-Amerika. Während sich Europa im Vergleich dazu volumenmäßig fast auf Augenhöhe mit den USA und Kanada befindet, hapert es jedoch im Bereich des "Operating Profit". Wir hinken hier heftige 854 Millionen Pfund hinterher.

Was im Klartext bedeutet: wir trinken fast genau so viel die Amerikaner, aber wir trinken die billigeren Sachen. Doch warum eigentlich? Sind wir ärmer? Oder sind wir nur geiziger? Und mal ehrlich - da geht doch noch was, oder?

Quelle: Diageo Jahresbericht 2018



Vielleicht hat man sich bei Diageo die gleichen Fragen gestellt. Das strategische Ziel für das kommende Jahr ist jedenfalls
 " to support premiumisation in developed and emerging countries. (...)In developed markets, we support premiumisation through our premium core and reserve brands.These enable consumers to trade up into luxury categories."
Die Premiumisierung ist also das Ziel für die kommenden Jahre. Was ja einerseits sehr schön ist, denn wir alle haben doch gerne etwas Luxus in unseren Gläsern. Wenn da nicht die Kehrseite wäre - den vermehrten Luxus gibt es nicht umsonst. Wir werden auch mehr dafür zahlen müssen.

Nun wäre gegen ein etwas verbessertes Produkt grundsätzlich ja nichts einzuwenden. Und für mehr Qualität greift man auch gerne etwas tiefer in die Tasche. Doch allzu oft verbirgt sich hinter dem schönfärberischen Begriff der" P-r-e-m-i-u-m-i-s-i-e-r-u-n-g" (ich liebe dieses Wort) in Wirklichkeit nur eine teurere Verpackung und ein kluges Marketing, das den Kunden das Gefühl eines gehobenen Life-Styles gibt. Mit der tatsächlichen Qualität des Produktes hat der Begriff eher wenig zu tun. Beste Beispiele findet man etwa bei  Nespresso oder Apple.

P-r-e-m-i-u-m-i-s-i-e-r-u-n-g bedeutet also vor allem, dass wir den Whisky in Zukunft in einer besonders hübschen Verpackung bekommen werden.  Und so verwundert es dann auch nicht, dass Diageo sich im Bereich des Whiskys viel vorgenommen hat:

"Over the next three years a £150 million investment will transform our Scotch whisky visitor experiences through investment in our 12 malt whisky distillery visitor centers with a focus on the 'Four Corners distilleries', Glenkinchie, Caol Ila, Clynelish and Cardhu, celebrating the important role these single malts play in the flavours of Johnnie Walker".
Diageo setzt bei der  P-r-e-m-i-u-m-i-s-i-e-r-u-n-g also an den Wurzeln an und wird endlich die  Visitor Centre seiner schottischen Destillerien aufhübschen  - was teilweise schon passiert ist und in Fällen wie beispielsweise Clynelish wahrhaftig kein Luxus war. Und wenn die Besucher schon mal da sind, dann werden sie bestimmt auch die ein oder andere besondere Flasche mitnehmen wollen. Was besseres, natürlich. Das Premium-Produkt. Den Standard kriegt man ja auch zuhause.

Über die Qualität der zukünftigen Besucher-Zentren sagen solche Zahlen natürlich nichts aus, doch sind wir mal frohen Mutes, dass dem zukünftigen Premium-Besucher auch ein Premium-Programm geboten wird.

Doch bevor wir jetzt im Freudentaumel unseren nächsten Schottland-Urlaub planen, sollten wir noch schnell einen Blick auf die "premium core and reserve brands" werfen, in denen uns eine P-r-e-m-i-u-m-i-s-i-e-r-u-n-g  ins Haus stehen wird.

Dass Johnnie Walker an erster Stelle die Markenphalanx anführen wird, verwundert uns sicher nicht.



Quelle: Diageo Jahresbericht 2018

Doch bei einem Blick auf die "Reserve Brands" reibe ich mir dann doch die Augen: neben Blue Label, Bulleit, Singleton of Glen Ord und Talisker taucht da auch mein heißgeliebter Lagavulin auf.
Und jetzt wird mir doch etwas ängstlich zumute: soll Lagavulin etwa der zweite Talisker werden? Mit vielen  günstigen NAS-Abfüllungen auf der einen Seite und schweine-teuren, alten Abfüllungen auf der anderen Seite? Oder hat die P-r-e-m-i-u-m-i-s-i-e-r-u-n-g  des L-a-g-a-v-u-l-i-n etwa schon längst begonnen, und ich habe es bloß noch nicht gemerkt?

Bei Diageo hat man offensichtlich schon längst verstanden, was wir Konsumenten eigentlich wollen: die Marke feiern. Oder brauchen wir die Marke, um uns selbst zu feiern?
"We have developed a better understanding of how our consumers celebrate life with our brands."
Vielleicht sollte ich in Zukunft dann doch wieder mehr  Mortlach trinken. Der kommt in dieser Liste nämlich nicht (mehr) vor...


Slàinte

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