Wie gut ist alter Whisky wirklich?
Alte Whiskys werden immer teurer. War es vor fünf Jahren für Durchschnittsverdiener noch problemlos möglich, auch einmal einen Glenfarclas 35 oder Springbank 40 zu probieren, so ist dieses Vergnügen für die meisten von uns inzwischen in weite Ferne gerückt. Aber sind alte Whiskys auch besser?
Eines meiner liebsten Whisky-Bücher ist "Appreciating Whisky" von Phillip Hills. Auch wenn es inzwischen einige Jährchen auf dem Buckel hat, so ist es doch immer noch ein faszinierender und äußerst hilfreicher Begleiter, um in die Welt des Whiskys einzutauchen.
Viele der Informationen, die Hills damals zum ersten Mal aussprach, sind heute Allgemeingut geworden, die jeder Whisky-Fan kennt. Doch so manche seiner Ansichten scheinen im Laufe der Jahre auch aus der Mode gekommen zu sein - die Whisky-Welt hat sich seither ein gutes Stück weiter gedreht.
Eine dieser "alten" Weisheiten ist seine Ansicht über alte Whiskys. Hills gibt dazu eine kleine Geschichte zum besten: Als er einmal einen Londoner Whiskyhändler besuchte, bot ihm dieser einen 40 Jahre alten Springbank zum Probieren an. Hills zeigte sich wenig beeindruckt und merkte an, dass dies wohl zwanzig Jahre früher ein guter Whisky gewesen sei, der jedoch längst seine besten Zeiten hinter sich habe. Der Händler erwiderte, dass er diesen überreifen alten Whisky an die Japaner verkaufe, die ihm zweihundert Dollar für die Flasche böten.
Heute würden wir wohl alle jubeln, wenn wir irgendwo noch einen 40 Jahre alten Springbank für 200 Dollar finden würden. Ob er uns auch schmecken würde?
Alte Whiskys sind in den vergangenen Jahren unglaublich teuer geworden, was viele Kunden zu der Annahme verleiten mag, dass ein Whisky mit zunehmendem Alter immer besser wird. Doch entspricht das auch der Realität? Ich habe selbst schon einige alte Whiskys im Glas gehabt, die voller Holznoten und Tannine waren, aber kaum Körper besaßen.
Warum das so ist, macht eine Graphik deutlich, die ich bei dem italienischen unabhängigen Abfüller Samaroli gefunden habe. Ein guter Whisky besteht immer aus zwei Komponenten: einer Fülle von Aromen einerseits, und einem großartigen "Körper" andererseits.
Schauen wir uns diese beiden Elemente etwas genauer an: "Körper" ist das, was ein Whisky von jung auf mitbringt. Leider verliert er im Laufe der Zeit immer mehr davon. Die Aromen hingegen bauen sich erst langsam durch die Fassreifung auf. Den besten Whisky erhält man im Schnittpunkt dieser beiden Kurven. Doch es ist schwer vorherzusagen, wann der optimale Punkt erreicht ist.
In neuen Fässern entzieht der Whisky dem Holz die Geschmacksaromen deutlich schneller als in alten, und dementsprechend entwickelt er sich in First-fill-Fässern andern als in Refill-Hogsheads. Auch die Größe des Fasses und die Umgebungstemperatur spielen eine Rolle. Neu sind diese Erkenntnisse ja nicht. Doch sie scheinen in jüngster Zeit neu interpretiert zu werden.
War es bis vor wenigen Jahren noch enorm wichtig, eine ausgewogene Balance zwischen Körper und Aroma zu finden, scheinen in jüngerer Zeit eindimensionale, übergewichtige Whiskys immer mehr Anhänger zu finden.
Vor allem bei den Einzelfass-Abfüllungen sind in den letzten Jahren viele junge Whiskys in die Flasche gekommen, die noch weit von ihrem optimalen Reifepunkt entfernt waren. Dennoch haben sie ihre Käufer gefunden, denn sie können mit einem schönen Körper gefallen. Was man auf den ersten, zweiten, und dritten Schluck meistens nicht merkt - es fehlt ihnen die Tiefe. Eine gehörige Portion Rauch in der Mischung benebelt zusätzlich die Sinne. Werden zudem junge First-Fill-Fässer abgefüllt, die auch in jungen Jahren eine Menge zusätzlicher Aromen aufweisen können, fallen die Mangelerscheinungen erst recht nicht mehr auf.
Solche Whiskys schmecken unglaublich vollmundig und voluminös, sie explodieren regelrecht im Mund. Gelungene Beispiele hierfür sind von Bowmore der Devils' Casks 10, die jungen Octomores oder auch die jüngsten Highland Park Single Cask Abfüllungen. Aber auch viele andere First-Fill-Sherry-Monster könnte ich hier auflisten, die in den letzten Jahren zunehmend auf den Markt gekommen sind.
Auch auf der anderen Seite der Skala sind die Whiskys nur wenig ausgewogen - die Reife im Alter geht zu Lasten des Körpers, der Whisky wird zunehmend flacher. Andererseits entwickeln sich jetzt jene Aromen, die Samaroli als "great flavours" und "great aromas" bezeichnet. Doch wieviel von diesen großartigen Aromen braucht ein Whisky, um toll zu sein? Verhält sich das Geschmacksprofil tatsächlich nach dem Motto "je mehr, desto besser"? Oder ist es wie mit dem Salz in der Suppe - wenn es fehlt, ist die Suppe fad. Wenn es zu viel ist, ist sie jedoch ungenießbar.
In jüngster Zeit bin ich des öfteren auf Abfüllungen gestoßen, wo die Suppe versalzen war und am Ende nur noch Holz, Tannine und Sherrynoten hervorgestochen haben. Doch Geschmack ist relativ. Gibt es tatsächlich für diese mittelmäßigen alten Holzböcke einen Kundenkreis, der wenig Wert auf Balance legt und die dominante Einseitigkeit als Qualitätsmerkmal sieht? Oder gilt hier einfach die Regel: Teures muss auch gut sein? Noch ist es zu früh, hier einen Trend zu erkennen.
Ein anderer Trend hingegen hat sich längst bewährt.Kein Bereich kann so sehr von einer Mischung aus Körper und Aroma profitieren wie NAS-Whiskys. Hier bringen junge Fässer die Fülle und den voluminösen Körper, während alte Fässer für Komplexität und Aromenspiel sorgen. Im Optimalfall lassen sich so wunderschöne Whiskys komponieren, die auch bezahlbar sind. Talisker Port Ruighe kommt mir da in den Sinn, oder auch verschiedene der jüngeren Ardbegs, wie etwa der Rollercoaster. Doch wer garantiert dem Kunden, dass nicht nur junge Fässer in die Mischung kamen?
Statt alte Fässer in NAS-Abfüllungen einzubringen, ist es für die Abfüller inzwischen viel lukrativer geworden, sie zu Höchstpreisen auf dem Investoren-Markt anzubieten. Die Liebhaber haben oft das Nachsehen.
Womit ich wieder bei meiner Anfangsfrage angekommen wäre. Sind alte Whiskys wirklich besser? Können die "großartigen Aromen" das Fehlen des Körpers mehr als wettmachen? Oder verderben zu viele von ihnen den Brei? Scheinen alte Abfüllungen nur deshalb besonders gut, weil sie begehrt und teuer sind? Um sich Klarheit zu verschaffen, bleibt eigentlich nur eine Möglichkeit: aufmachen und verkosten. Doch das scheitert heute meistens am Geld.
Fasslager bei Balblair. Foto: MM |
Eines meiner liebsten Whisky-Bücher ist "Appreciating Whisky" von Phillip Hills. Auch wenn es inzwischen einige Jährchen auf dem Buckel hat, so ist es doch immer noch ein faszinierender und äußerst hilfreicher Begleiter, um in die Welt des Whiskys einzutauchen.
Viele der Informationen, die Hills damals zum ersten Mal aussprach, sind heute Allgemeingut geworden, die jeder Whisky-Fan kennt. Doch so manche seiner Ansichten scheinen im Laufe der Jahre auch aus der Mode gekommen zu sein - die Whisky-Welt hat sich seither ein gutes Stück weiter gedreht.
Eine dieser "alten" Weisheiten ist seine Ansicht über alte Whiskys. Hills gibt dazu eine kleine Geschichte zum besten: Als er einmal einen Londoner Whiskyhändler besuchte, bot ihm dieser einen 40 Jahre alten Springbank zum Probieren an. Hills zeigte sich wenig beeindruckt und merkte an, dass dies wohl zwanzig Jahre früher ein guter Whisky gewesen sei, der jedoch längst seine besten Zeiten hinter sich habe. Der Händler erwiderte, dass er diesen überreifen alten Whisky an die Japaner verkaufe, die ihm zweihundert Dollar für die Flasche böten.
Heute würden wir wohl alle jubeln, wenn wir irgendwo noch einen 40 Jahre alten Springbank für 200 Dollar finden würden. Ob er uns auch schmecken würde?
Alte Whiskys sind in den vergangenen Jahren unglaublich teuer geworden, was viele Kunden zu der Annahme verleiten mag, dass ein Whisky mit zunehmendem Alter immer besser wird. Doch entspricht das auch der Realität? Ich habe selbst schon einige alte Whiskys im Glas gehabt, die voller Holznoten und Tannine waren, aber kaum Körper besaßen.
Warum das so ist, macht eine Graphik deutlich, die ich bei dem italienischen unabhängigen Abfüller Samaroli gefunden habe. Ein guter Whisky besteht immer aus zwei Komponenten: einer Fülle von Aromen einerseits, und einem großartigen "Körper" andererseits.
Schauen wir uns diese beiden Elemente etwas genauer an: "Körper" ist das, was ein Whisky von jung auf mitbringt. Leider verliert er im Laufe der Zeit immer mehr davon. Die Aromen hingegen bauen sich erst langsam durch die Fassreifung auf. Den besten Whisky erhält man im Schnittpunkt dieser beiden Kurven. Doch es ist schwer vorherzusagen, wann der optimale Punkt erreicht ist.
Samaroli Katalog 2010 |
In neuen Fässern entzieht der Whisky dem Holz die Geschmacksaromen deutlich schneller als in alten, und dementsprechend entwickelt er sich in First-fill-Fässern andern als in Refill-Hogsheads. Auch die Größe des Fasses und die Umgebungstemperatur spielen eine Rolle. Neu sind diese Erkenntnisse ja nicht. Doch sie scheinen in jüngster Zeit neu interpretiert zu werden.
War es bis vor wenigen Jahren noch enorm wichtig, eine ausgewogene Balance zwischen Körper und Aroma zu finden, scheinen in jüngerer Zeit eindimensionale, übergewichtige Whiskys immer mehr Anhänger zu finden.
Vor allem bei den Einzelfass-Abfüllungen sind in den letzten Jahren viele junge Whiskys in die Flasche gekommen, die noch weit von ihrem optimalen Reifepunkt entfernt waren. Dennoch haben sie ihre Käufer gefunden, denn sie können mit einem schönen Körper gefallen. Was man auf den ersten, zweiten, und dritten Schluck meistens nicht merkt - es fehlt ihnen die Tiefe. Eine gehörige Portion Rauch in der Mischung benebelt zusätzlich die Sinne. Werden zudem junge First-Fill-Fässer abgefüllt, die auch in jungen Jahren eine Menge zusätzlicher Aromen aufweisen können, fallen die Mangelerscheinungen erst recht nicht mehr auf.
Solche Whiskys schmecken unglaublich vollmundig und voluminös, sie explodieren regelrecht im Mund. Gelungene Beispiele hierfür sind von Bowmore der Devils' Casks 10, die jungen Octomores oder auch die jüngsten Highland Park Single Cask Abfüllungen. Aber auch viele andere First-Fill-Sherry-Monster könnte ich hier auflisten, die in den letzten Jahren zunehmend auf den Markt gekommen sind.
"Alter in Fässern ist problematischer. Als Regel kann man sagen, dass Malt Whiskys am besten nach 10 bis 15 Jahren im Fass sind. Danach baut sich die Qualität des Malt Whiskys wieder ab." Phillip Hills, 2000
Auch auf der anderen Seite der Skala sind die Whiskys nur wenig ausgewogen - die Reife im Alter geht zu Lasten des Körpers, der Whisky wird zunehmend flacher. Andererseits entwickeln sich jetzt jene Aromen, die Samaroli als "great flavours" und "great aromas" bezeichnet. Doch wieviel von diesen großartigen Aromen braucht ein Whisky, um toll zu sein? Verhält sich das Geschmacksprofil tatsächlich nach dem Motto "je mehr, desto besser"? Oder ist es wie mit dem Salz in der Suppe - wenn es fehlt, ist die Suppe fad. Wenn es zu viel ist, ist sie jedoch ungenießbar.
In jüngster Zeit bin ich des öfteren auf Abfüllungen gestoßen, wo die Suppe versalzen war und am Ende nur noch Holz, Tannine und Sherrynoten hervorgestochen haben. Doch Geschmack ist relativ. Gibt es tatsächlich für diese mittelmäßigen alten Holzböcke einen Kundenkreis, der wenig Wert auf Balance legt und die dominante Einseitigkeit als Qualitätsmerkmal sieht? Oder gilt hier einfach die Regel: Teures muss auch gut sein? Noch ist es zu früh, hier einen Trend zu erkennen.
Ein anderer Trend hingegen hat sich längst bewährt.Kein Bereich kann so sehr von einer Mischung aus Körper und Aroma profitieren wie NAS-Whiskys. Hier bringen junge Fässer die Fülle und den voluminösen Körper, während alte Fässer für Komplexität und Aromenspiel sorgen. Im Optimalfall lassen sich so wunderschöne Whiskys komponieren, die auch bezahlbar sind. Talisker Port Ruighe kommt mir da in den Sinn, oder auch verschiedene der jüngeren Ardbegs, wie etwa der Rollercoaster. Doch wer garantiert dem Kunden, dass nicht nur junge Fässer in die Mischung kamen?
Statt alte Fässer in NAS-Abfüllungen einzubringen, ist es für die Abfüller inzwischen viel lukrativer geworden, sie zu Höchstpreisen auf dem Investoren-Markt anzubieten. Die Liebhaber haben oft das Nachsehen.
Womit ich wieder bei meiner Anfangsfrage angekommen wäre. Sind alte Whiskys wirklich besser? Können die "großartigen Aromen" das Fehlen des Körpers mehr als wettmachen? Oder verderben zu viele von ihnen den Brei? Scheinen alte Abfüllungen nur deshalb besonders gut, weil sie begehrt und teuer sind? Um sich Klarheit zu verschaffen, bleibt eigentlich nur eine Möglichkeit: aufmachen und verkosten. Doch das scheitert heute meistens am Geld.
Ich persönlich mag die jungen nicht so sehr, viele sind mir zu scharf. Für mich ist es eine Geschmackssache, ich bevorzuge in der Regel Whiskys zwischen 18-25 Jahren, die sherrylastig sind. Die ganz teuren kann man nicht probieren, nur kaufen. Und für einen Fehlkauf wiederum habe ich kein Geld, drum lasse ich es.
AntwortenLöschenSo lehne ich es auch ab, nur nach einem Namen zu kaufen und dafür viel Geld zu lassen. Alles ist Ansichts - und Geschmackssache! :)
Sigrun
Da lohnt sich dann doch schon mal der Besuch einer Whisky-Messe, Sigrun. Denn dort hat man tatsächlich die Möglichkeit, auch richtig alte Sachen mal zu probieren. Limburg wäre die nächste Gelegenheit dazu :-)
LöschenIch habe für mich festgestellt, dass mir die älteren Whiskys selten wirklich gut schmecken. Bei allen über 25 habe ich in der Regel Probleme mit den Tanninen und dem doch recht bitteren Nachgeschmack des Holzes. Am besten gefallen mir persönlich derzeit die Whiskys zwischen 12 und 20, aber am liebsten zwischen 15 und 18 Jahren. Das gilt auch im starken Maße für die Islay-Whiskys, bei denen sich in diesem Alter der Rauch i.d.R. so richtig schön in die Aromen eingebettet hat.
AntwortenLöschenGruß
Jürgen
Ist auch meine bevorzugte Altersgruppe beim Whisky. Obwohl es natürlich tolle Ausnahmen gibt. Leider sind die oft sehr teuer.
Löschen