Grund zum Feiern: 10 Jahre Irish Whiskeys

Die Revival-Bewegung, die wir seit einigen Jahren beim Irischen Whiskey erleben, ist atemberaubend. Eine, die von Anfang an dabei und mittendrin war, ist Mareike Spitzer von Irish Whiskeys. Ohne Mareike wäre Irischer Whiskey in Deutschland weitaus weniger bekannt, als es  derzeit der Fall ist. Seit genau 10 Jahren engagiert sich Mareike mit unermüdlichem Eifer, uns ganz besondere Abfüllungen von der grünen Insel zugänglich zu machen. Den runden Geburtstag habe ich als Anlass genommen, mit ihr eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen.


Wer in Deutschland irischen Whiskey trinkt, kennt auch ganz bestimmt Mareike. Als ich Mareike vor 8 Jahren zum ersten Mal traf, spielte irischer Whiskey nur eine kleine Nebenrolle. Es gab damals eine seeehr überschaubare Anzahl von Brennereien, die Single Malt Anbfüllungen hielten sich in Grenzen und die meisten Leute kannten nur Jameson und Tullamore Dew. Damals habe ich Mareike bewundert, dass sie ein solches Nischenprodukt nach vorne bringen wollte. 

Heute ist Irischer Whiskey eine feste Größe und eine äußerst spannende Kategorie im weltweiten Whisky-Zirkus. Aber vor 10 Jahren musste Mareike noch richtig Pionier-Arbeit leisten. Nach einem ganzen Jahrzehnt kann man ruhig mal innehalten und eine kleine Zwischenbilanz ziehen. Vor ein paar Tagen habe ich mich mit Mareike über die unglaubliche Entwicklung von "Irish Whiskeys" unterhalten. 


MM: 10 Jahre sind eine lange Zeit. War es auch eine anstrengende Zeit?

Mareike: Es gab in den letzten 10 Jahren wohl keinen Tag, an dem ich nicht in mein E-Mail-Fach geschaut habe. Aber es macht ja auch Spaß. Natürlich muss ich auch mal abschalten. Aber in Irish Whiskeys steckt mein Herzblut.

MM: Wenn du jetzt zurückblickst, würdest du sagen "Ich war damals wahnsinnig"?

Mareike: Nein. Ich hatte ein gutes Vorbild, meine Mutter war auch immer selbständig tätig, und ich hatte schon länger überlegt, etwas zu tun, wo ich selbstständig bin. Als mir die Idee mit "Irish Whiskeys" kam, wußte ich sofort "Ja, das ist es."  Ich bin auch sehr stolz auf das, was ich die letzten 10 Jahre erreicht habe.

MM: Was war denn dein allererster Whisky, den du importiert hast?

Mareike: Das war eine Single-Cask-Abfüllung von Teeling, 11 Jahre, aus einem Ex-Bourbon-Fass. Mein erster Import war Glendalough Poitin. 

MM: Vor 10 Jahren war es bestimmt nicht einfach, diese beiden Produkte zu vermarkten. Unbekannte Brennereien, 11 Jahre, Bourbon Fass, und ungereifter Schnaps - damit konnte man vor 10 Jahren kaum punkten. 

Mareike: Es hat drei Jahre gedauert, bis ich die Single Cask Abfüllung verkauft hatte. Wenn man dann gesehen hat, wie schnell die Kollegen ihre schottischen Abfüllungen verkaufen konnten, dann war das schon hart. Ich wusste ja, was für eine gute Qualität meine Abfüllung hatte. Aber es hat lange gedauert. Und Irischer Whiskey steht auch heute noch im Schatten des schottischen Whiskys. 

MM: Wodurch zeichnet sich irischer Whiskey denn aus?

Mareike: Früher war es so, dass irischer Whiskey weich, fruchtig und vanillig war. Aber das ändert sich gerade, und seit etwa einem halben Jahr stelle ich mir auch zunehmend die Frage, was Irischen Whiskey denn ausmacht. Mittlerweile ist irischer Whiskey unglaublich vielfältig geworden. Vom klassischen Single Malt bis zum total abgefahrenen Blend bekommst du inzwischen alles. 

Typisch irisch gibt es eigentlich gar nicht mehr. Wodurch sich irischer Whiskey immer noch auszeichnet, ist seine leichte Zugänglichkeit. Gerade für den Einstieg in den Whisky-Bereich ist irischer Whiskey super gut geeignet. Man fndet genug milde Whiskeys für den Einsteiger, wir können uns aber auch bis hin zum Highlight für den Whiskey-Obernerd problemlos steigern. 

Einem Fan von schottischem Whisky werde ich keinen Jameson empfehlen. Aber es gibt tolle Single Malts, wie etwa der 14 Jahre alte Fercullan, oder Single Cask Abfüllungen, oder der Two Stacks Blender's Cut - das ist ein Blend in Fassstärke - da gibt es inzwischen ganz viele super Sachen.

Ich würde sagen, irischer Whiskey zeichnet sich derzeit vor allem durch seine große Vielfalt aus. 

MM: Sind die Iren kreativer bei Whiskey als die Schotten? Meine Beobachtung ist, dass schottischer Whiskey vor allem teuer geworden ist. Bietet irischer Whiskey bei vergleichbaren Qualitäten mehr für weniger Geld?

Mareike: Ich würde das bejahen. Aber ich bin oft mit dem Vorurteil konfrontiert, dass irischer Whiskey im Vergleich zu teuer sei. Man kann das nicht so pauschal beantworten. Es gibt wahrscheinlich mehr preisgünstige schottische Standard-Abfüllungen als irische. Und alter Whiskey aus Irland ist auch sehr teuer geworden.

Ich denke, dass die Iren kreativer sind, weil sie mehr Freiheiten haben. Beim Fass-Management können sie zum Beispiel mit anderen Holzarten arbeiten als die Schotten. 

MM: Die Iren ja auch viel mutiger als die Schotten, mal was ungewöhnliches zu wagen. 

Mareike: Ja. Und sie haben auch den Irish Pot Still Whiskey. Ich finde Irish Pot Still Whiskey ist ein riesen Thema. Es ist super spannend, was es in den nächsten Jahren da noch geben wird. Ich muss natürlich ganz klar sagen, dass Pot Still nicht nur Midleton ist. Das ist nur eine Art von Pot Still Whiskey. 

Wir müssen unseren Kopf dafür öffnen, was Pot Still Whiskey noch sein kann. Ich habe auch immer gesagt, Pot Still Whiskey muss mindestens 10 Jahre alt sein, sonst schmeckt er nicht. Mittlerweile weiß ich aber, dass er auch sehr gut als junger Whiskey funktionieren kann, wenn er aus einem guten Fass kommt und fass-stark abgefüllt wurde.  

Zur Zeit wird viel experimentiert, auch mit alten Rezepturen aus dem 19. Jahrhundert. Teilweise wurden da ganz andere Getreidarten benutzt, z.B. 30% gemälzte Gerste, 30% ungemälzte Gerste und 40% Hafer.  Da ist der New Make schon ganz anders. Das war für mich unglaublich spannend, so was probieren zu können. Der Whiskey ist ganz anders als das, was wir bisher kennen. Aber zur Zeit verbieten die Vorschriften des Technical File, dass Whiskey aus solchen alten Rezepturen gemacht werden darft, bzw. das Endprodukt darf dann nicht Whiskey heißen.

MM: Daraus ergeben sich für mich jetzt die beiden nächsten Fragen - zum einen, wo will der irische Whiskey in Zukunft hin, und zum anderen - wo will Irish Whiskeys hin?

Mareike: Also bei Irish Whiskeys wird es auf jeden Fall auch in Zukunft meine eigenen Abfüllungen geben, wie Fairy Cask, weil ich da frei bin in dem, was ich tun kann. Inzwischen bin ich auch einen Schritt weiter gegangen und kaufe leere Fässer, die ich dann befüllen lasse. Meine Importe sind natürlich auch ganz wichtig für mich. 

Es werden also auch in Zukunft immer wieder kleine Abfüller dabei sein, die ganz spannende Sachen machen, wie etwa W.D. O'Connel, die sehr limitierte, besondere Abfüllungen heraus bringen. Die werden jetzt bei nächsten Irish Whiskey Weekend im Oktober auch neu dabei sein. Ich möchte mein Portfolio lebendig gestalten, mit Sachen, die es immer gibt, aber auch mit ungewöhnlichen Abfüllungen, die es nur eine begrenzte Zeit gibt. 

Vielleicht werden wir uns alle umorientieren müssen, weil es in Zukunft die Messelandschaft, wie es sie vor Corona gegeben hat, nicht mehr geben wird. Ich möchte das Irish Whiskey Wochenende in Zukunft jährlich durchführen, und vielleicht in Zukunft dann auch online- und Präsenzveranstaltung kombinieren. Mein Irish Whiskey Wochenende ist dieses Jahr noch größer als letztes Jahr, wir werden ja auch immer professioneller. Es gibt mir auch die Möglichkeit, die Produzenten oder Master Blender mit einzubeziehen. Wo gibt es das schon, dass man so viele Whisky-Koryphäen bei einer Veranstaltung versammelt hat?

MM: Steht das Datum schon fest?

Mareike: Ja, es wird am 9. und 10. Oktober stattfinden. Und wir haben in diesem Jahr komplett andere Whiskeys. Wer letztes Jahr dabei war, wird in diesem Jahr also ganz andere Abfüllungen bekommen. 

MM: Und Irish Whiskey ohne "s"? Welche zukünftige Entwicklung siehst du da?

Mareike: Allmählich werden jetzt die ganzen neuen Brennereien ihre eigenen Whiskeys auf den Markt bringen können. Im September wird der erste vierjährige Single Malt Whiskey der Connacht Distillery erscheinen, da freue ich mich sehr darauf. Wir müssen weg von der Vorstellung des weichen, milden Whiskeys aus Irland. Das wird es natürlich noch geben, aber nicht ausschließlich. Da kommt noch mehr. Irischer Whiskey verändert sich, er wird ruppiger und würziger. 

MM: Hast du als Importeur auch die Möglichkeit, die Szene aktiv mit zu gestalten?

Mareike: Ja, definitiv. Powerscourt zum Beispiel hatte urspünglich gar nicht daran gedacht, Single Cask Abfüllungen zu machen. Oder manchmal habe ich Kunden, die nur mit 40% abfüllen wollen. Mir ist es wichtig, dass ich solche Sachen wie Fassstärken, Single Cask Abfüllungen oder doch zumindest Abfüllungen mit 46% oder besondere Fässer habe. Und das machen die Firmen dann auch, und wenn es nur für den deutschen Markt ist. Es kam auch schon vor, dass ein Whiskey gefinished wurde und das Finish war meiner Meinung nach viel zu kurz. Den wollte ich so nicht abfüllen, der hatte noch etwas mehr Zeit gebraucht. Dann wird auch schon auf mich gehört. Ich kann die Abfüllungen, die ich bringen will, auch in einem gewissen Maße mit beeinflussen.

MM: Besteht die Gefahr, dass irischer Whiskey in den nächsten Jahren auch an Qualität verlieren wird?

Mareike: Natürlich wird es Veränderungen geben, und nicht alles wird gut sein, was da kommt, da brauchen wir nicht um den heißen Brei herumzureden. Aber es traut sich eigentlich niemand, ein wirklich schlechtes Produkt auf den Markt zu bringen. Nimm Connacht zum Beispiel. Sie wollten eigentlich ihren Whiskey schon nach drei Jahren abfüllen, aber sie haben es dann doch nicht gemacht, und den Whiskey lieber noch etwas reifen lassen. 

Powerscourt wird im September oder Oktober den ersten dreijährigen Whiskey herausbringen, und ich glaube nicht, dass Noel Sweeney einen Whiskey abfüllen wird, der nicht gut ist. Bei meinen eigenen Abfüllungen habe ich gemerkt, dass ein Whiskey auch schon nach drei Jahren richtig geil sein kann. Man kann das nicht so pauschal sagen. 

Ich hatte letztes Jahr einen dreieinhalb Jahren alten Grain abgefüllt, und ich habe mich dann gefühlt wie damals, als ich meine Firma gegründet habe. Alle haben vorher gesagt: "das geht nicht, das wird nichts". Ich habe es trotzdem getan. Und dann hat der Whiskey alle überzeugt. Du musst wissen, was du tust, dann kann ein Whiskey auch schon mit drei Jahren toll sein. Aber wenn du nur einfach ein paar x-beliebige Ex-Bourbon-Fässer nimmst, dann funktioniert das nicht.

Und da sind wir wieder bei der Frage von vorhin. Wir müssen uns verabschieden von dem Gedanken, dass ein irischer Whiskey so-und-so schmecken muss. Wir müssen offen werden. Die neuen irischen Whiskeys werden anders sein als das, was wir bisher kennen. 

MM: Wird sich in den nächsten Jahren die Spreu vom Weizen trennen?

Mareike: Wahrscheinlich. Ich glaube auch nicht, dass jede Destillerie überleben wird. Man muss ihnen aber auch Zeit geben, da passiert gerade so viel. Der irische Whiskey ist schon auf einem guten Weg.

MM: Warum haben die Iren diese besondere Liebe zu Blended Whiskey?

MM: Ich glaube, es liegt zunächst daran, dass zur Zeit irischer Grain Whiskey gut verfügbar ist, Malt Whiskey hingegen ist in Irland im Moment sehr knapp. Es hat aber auch was mit der irischen Geschichte zu tun. Die Whiskey Bonder hatten ja früher schon Blended Whiskey gemacht. 

Man kann die irischen Blends auch nicht mit einem Johnnie Walker vergleichen. Der Grain-Anteil ist oft niedriger als der Malt-Anteil. Ich habe jetzt zum Beispiel mit Louise den "Bonder's Blend No 4" gemacht, das ist ein Blend aus verschiedenen Single Malts, da ist der jüngste Whiskey 15 Jahre alt, und der älteste Whiskey 30 Jahre alt. Das ist ja eine ganz andere Qualität als Johnnie Walker oder Jameson. man geht dort ganz anders ran an einen Blend. Ein Blend kann dort auch ein Prämium-Produkt sein. Das ist kein Supermarkt-Whiskey. 

Oder nimm meine aktuelle Fairy-Cask Abfüllung. Das ist ein Blended Whiskey als Single Cask Abfüllung. Ich habe dafür Malt- und Grain-Whiskey geblended und dann noch mal zwei Jahre im Portwein-Fass reifen lassen. Der jüngste Whiskey in der Mischung ist 12 Jahre, und der Malt ist 17 Jahre. 

Der Grain Whiskey ist in Irland auch oft anders als in Schottland. In Irland kann bis zu 30% gemälzte Gerste im Grain enthalten sein. Der Malt-Anteil bei irischen Blends ist oft viel höher als man denkt.

MM: Zum 10jährigen Jubiläum gibt es doch bestimmt auch eine Sonderabfüllung?

Mareike: Ja, wir haben lange überlegt, was wir machen wollen. Ein alter Whiskey wäre natürlih toll, ist dann aber auch entsprechend teuer. Wir wollten dann aber lieber etwas, das nicht so teuer ist, damit viele Leute mit uns feiern können, und sind bei einem jüngeren Whiskey gelandet. Aber es sollte ja trotzdem etwas besonderes sein. 

Ich habe mich noch nie so schwer getan, ein Einzelfass zu fnden. Und dann habe ich ein tolles Fass mit Sherry-Finish gefunden. Die Sonderabfüllung für unser 10jähriges Jubiläum ist ein 5 Jahre alter Single Malt, der 3 Jahre im Bourbon-Fass reifte und danach noch 2 Jahre in einem tollen PX-Sherry-Fass gefinished wurde. 

MM: Zwei Jahre im Sherry-Fass ist lange. Das ist ja dann schon fast eine Double-Maturation.

Mareike: Ja, und der Whiskey ist so schön, ich habe mich sehr über dieses Fass gefreut. Es muss ja nicht immer was ausgefallenes sein. Mir war wichtig, dass er gut schmeckt.

MM: Mareike, ich bin sicher, dass du auch bei diesem Fass ein gutes Näschen hattest, und wünsche dir auch für die nächsten 10 Jahre alles Gute und weiterhin viel Erfolg! 

(Interview leicht gekürzt)








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