Neue Deutsche Whisky-Szene (Teil 4): Ralf Brzeske, Finisher, Destillateur und Abfüller, im Interview

Rund um den deutschen Whisky entwickelt sich derzeit eine ganz neue Szene - es gibt inzwischen eine kleine, aber feine Gruppe von Personen, die als unabhängige Abfüller, Finisher, Blender oder Bonder von deutschem Whisky Neuland betreten. Ich habe mich umgeschaut: Wer sind die Pioniere der deutschen unabhängigen Whisky-Szene?  Im vierten Teil meiner Serie kommt Ralf Brzeske, Finisher, Abfüller und Inhaber der Whisky-Stube in Neckarsulm, zu Wort. 



MM: Whisky ist eine äußerst komplexe Spirituose, die immer mehr Menschen fasziniert. Seit wann und warum interessierst du dich für Whisky?

Ralf: Die Schotten sind schuld! Einer muss es ja sein… Als ich ohne Whiskywissen und ohne diesen jemals getrunken zu haben nach Schottland fuhr, ergab es sich nach 10 Tagen auf der Rückreise, dass ich bei meiner letzten Station in den Lowlands vom Gastgeber abends eingeladen wurde. Als ich dann zu dem Treffen kam, dachte ich nur „Das kann ja heiter werden“  - der Tisch war voller Whiskyflaschen. Und meine Wenigkeit, die noch nie starke Spirituosen getrunken hatte, ahnte was auf Ihn zukommt.

Die Bekannten vom Gastgeber gaben mir nicht nur Whisky zu trinken, sondern sie wollten auch wissen, was ich rieche und schmecke. So wurde es immer mehr Whisky und der Abend immer später. Dann wurde einfach beschlossen, noch in einen Pub zu gehen, um dort noch einen Snack zu essen und - wer hätte es gedacht - noch mehr Whisky zu trinken. Es war ein feuchtfröhlicher Abend, bei dem ich unter anderem erfuhr, dass es deutschen Whiskys gab, der mir auch gleich einmal gereicht wurde. So kam in 2013 zu Whisky und das hat mich etwas angefixt :-) 




MM: Das war ein zünftiger Einstand, dessen Wirkung offensichtlich sehr nachhaltig war. Seit wann beschäftigst du dich beruflich mit Whisky?

Ralf: Ich beschäftige mich mit dem Whisky nur im Nebenerwerb. Was aber nicht heißt, dass mein Einsatz deshalb weniger enthusiastisch wäre. Ich habe mich nicht nur klassisch in das Thema eingelesen, sondern auch einen einwöchigen Destallationskurs an der Universität Hohenheim besucht.

MM: Trotz deiner Kenntnisse in Destillation hast du aber keine eigene Brennerei. Welche Fass-Experimente, Finishes oder Blends hast du mit deutschem Whisky schon gemacht? 

Ralf: Mein erster eigener Whisky war ein Blend, der allerdings nicht sehr gelungen war. Mein erster Versuch mit einem Finish war ein Owen Albdinkel, den ich 9 Monate in ein Jamaika-Rumfass legte. Der zweite Versuch war ein Saillt Mór, ebenfalls mit einem Finish im Jamaika-Fass. Der jetzt in den nächsten Tagen auf den Markt kommende Roggen-Whisky ist in einem ehemaligen Peated Bourbon-Fass von Kings-County noch zusätzliche 24 Monate gelagert worden. 



MM: Whisky ist für dich ja nicht nur ein Hobby, sondern auch ein Geschäftsmodell geworden. Würdest du dich eher als einen Abfüller, Bonder, Finisher oder Blender bezeichnen? 

Ralf:  Naja der Nebenjob ist quasi so gefächert, das ich gelegentlich an eine Brennanlage kommen  und eigenen Getreidebrand machen kann. Wir haben darauf auch schon Rohbrände zu Feinbränden gemacht und anschließend im Fass gelagert oder einfach in Flaschen abgefüllt, wobei der Original-Abfüller das so nicht auf den Markt bringt. Finishing wird hier genauso gerne gemacht. Vor allem „Experimentell“ arbeite ich sehr gerne.

MM: Was genau meinst du mit experimentell?

Ralf: Alles außerhalb einer Core-Range.

MM: Gibt es spezielle deutsche Brennereien, mit denen du zusammenarbeitest, oder nimmst du, was du gerade kriegen kannst? 

Ralf: Es gibt keine spezielle Brennerei im engeren Sinne. Es muss zu meinem Projekt passen. Da kann auch schon mal eine der vielen reinen Kornbrennereien dabei sein, aber auch Abfindungsbrennereien.




MM: Welche Strategie bzw. welche Ausrichtung verfolgst du bei deinen Abfüllungen? Hast du ein bestimmtes Konzept?

Ralf: Die Strategie von mir ist „Finde den besten Whisky“. Nein Spass bei Seite. Es wird immer Leute geben die das eine mögen und das andere nicht. Ich versuche, nur Single Cask Varianten zu machen, die ihresgleichen suchen. Aber auch hier gilt – der Verbraucher entscheidet was schmeckt und was nicht. Ich sehe es bei meinen Handeswaren anderer Brennereien.

MM: Besitzt du ein eigenes Fasslager? 

Ralf: Ja! Ich habe sogar zwei und ein drittes ist in Planung. – Eines ist im Gewölbekeller, das andere ist im „normalen“ Keller und das geplante soll ein Zolllager werden. Vorausgesetzt, ich bekomme so etwas von Zoll genehmigt. 

MM: ein Zolllager hätte natürlich einige Vorteile. Da drücke ich dir mal die Daumen, dass das klappt.  Welche Zukunftsaussichten siehst du für den deutschen Whisky? 

Ralf: Ich mache, ausser jetzt in der Lockdown-Zeit, Tastings rund um deutsche Whiskys. Sowohl bei mir im Haus wie auch in externen Locations. Möglich sind auch Tastings bei jemandem zu hause, was ich aber seltener mache.



MM: Du wirst demnächst unter dem Namen Sulmgau-Whisky auch einen eigenen Whisky herausbringen.

Ralf: Ja. Am 17. Dezember 2016 hatte ich in der Distillerie Preiser die Möglichkeit, in einem sehr langsamen Destillationsverfahren Maische abzubrennen. Die verwendete Gerste war zuvor über Buchenrauch gedarrt worden. Der Feinbrand hatte am Ende 85% Vol. und eine sehr gute Aromatik. Mit Quellwasser aus der Romäus-Quelle wurde er dann auf 63,5% reduziert, und anschließend in ein Akazienfass gefüllt. Am 14.09.2029 habe ich den Brand dann in ein Kastanienfass umgefüllt. 

Da ich in Neckarsulm lebe und der Whisky dort auch lagerte, habe ich mich für den Namen Sulmgau entschieden. Der Sulmgau wurde urkundlich erstmals im Jahre 771 erwähnt, und bezeichnet das Gebiet um die Sulm, mit den Ortschaften Neckarsulm, Erlenbach, Binswangen, Weinsberg, Obersulm und Löwenstein.

MM: Warum hat es deiner Meinung nach deutscher Whisky so viel schwerer als irischer Whisky, um die Leute zu begeistern? 

Ralf: Das Defizit in der Verbraucherakzeptanz ist unter anderem darin zu suchen, dass die Leute gar  nicht wissen, was sie verpassen. Daher mache ich ja auch Tastings, weil man einem Verbraucher auch nicht zumuten kann, sich eine Flasche zu kaufen, die er nicht kennt, einzuschätzen weiß oder nur subjektiv den Preis als hoch empfindet. 

Whisky ist ein hoch emotionales Produkt, vieles wird nach einem Tasting gekauft, obwohl es etwas teurer ist als ein vergleichbarer Irischer Whisky. Dass unser Whisky teurer ist, liegt nicht zuletzt an der kleinen Menge, die unsere Brenner produzieren. Die Menge, die alle Brenner incl. St. Kilian im Jahr produzieren, liegt oft unter der Monatsmenge einer Brennerei in Schottland.

MM: Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg, und vielen Dank für das Interview.

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