Rund um den deutschen Whisky entwickelt sich derzeit eine ganz neue Szene - es gibt inzwischen eine kleine, aber feine Gruppe von Personen, die als unabhängige Abfüller, Finisher, Blender oder Bonder von deutschem Whisky Neuland betreten. Ich habe mich umgeschaut: Wer sind die Pioniere der deutschen unabhängigen Whisky-Szene? In Folge drei stelle ich euch Sebastian Büssing vor, der seit vielen Jahren mit kreativen Ideen und ausgefallenen Finishes die Whisky-Szene bereichert.
MM: Whisky ist eine äußerst komplexe Spirituose, die immer mehr Menschen fasziniert. Seit wann und warum interessierst du dich für Whisky?
Sebastian: Ich interessiere mich seit meinem 18. Lebensjahr für Whisky. Das habe ich meiner Oma zu verdanken, die mir einen 18 Jahre alten Glenfiddich zum Geburtstag geschenkt hatte. Für deutschen Whisky interessiere ich mich seit 2008. Da habe ich damals angefangen, ein Jahr lang für einen Whiskyblog, den ich zu diesem Zeitpunkt betreute, nur deutsche Whiskys zu testen und zu beschreiben.
MM: Beim Bloggen ist es dann aber nicht geblieben. Seit wann beschäftigst du dich beruflich mit Whisky?
Sebastian: Beruflich bewege ich mich in der Whiskyszene schon länger, aber seit 2015 auf selbstständiger Basis, unter anderem als Unabhängiger Abfüller „The Spirits Alchemist“, aber auch als Brand Ambassador für Loch Lomond, Mackmyra und die Sauerländer Edelbrennerei.
MM: Du engagierst dich inzwischen auch für die israelische Milk & Honey Distillery?
Sebastian: Ja, die Brenenrei hat trotz Corona bisher einen tollen Start gehabt. Anfang des Jahres kommt das erste Single Cask auch nach D :-)
MM: Wenn es um Whisky geht, bist du in den letzten Jahren sehr umtriebig und kreativ gewesen. Welche Fass-Experimente, Finishes oder Blends hast du mit deutschem Whisky schon gemacht?
Sebastian: Bisher sind da schon einige Projekte entstanden. Unter anderem ein Whisky aus der Sauerländer Edelbrennerei mit Kaffee-Finish, oder zwei Habbel-Whiskys mit Lakritzspirituosen- bzw. Bier-Finish. Aber auch einen Blend aus vielen verschiedenen deutschen Whiskys gab es schon, gelagert in einem Maulbeerbaumfass.
MM: An das Kaffee-Finish und die Maulbeerbaumreifung kann
ich mich gut erinnern. Die waren beide fantastisch. Wird es davon irgendwann
eine Neuauflage geben, oder machst du jedes Projekt nur ein einziges Mal?
Sebastian: Es gab ja zum Tag des deutschen Whisky dieses Jahr in Zusammenarbeit mit der Sauerländer Edelbrennerei einen Whisky in Vollreifung
aus dem Kaffeefass und eine Abfüllung aus dem Teefass. Aber ja, es wird auch
noch weitere solche Abfüllungen geben.
Einige Projekte mache ich so wie sie sind auch nur ein
mal...es kann aber sein, dass ich z.B. bei der ersten Umsetzung einen rauchigen
Whisky nehme und bei der zweiten einen nicht rauchigen 😉
MM: Whisky ist für dich ja nicht nur ein Hobby, sondern auch ein Geschäftsmodell, mit dem du inzwischen deinen Lebensunterhalt verdienst. Würdest du dich eher als einen Abfüller, Bonder, Finisher oder Blender bezeichnen?
Sebastian: Ich denke, ich bin da eher Abfüller und Finisher als Bonder oder Blender, da das Hauptaugenmerk auf Single Malts liegt.
MM: Gibt es spezielle deutsche Brennereien, mit denen du zusammenarbeitest, oder nimmst du, was der Markt gerade bietet?
Sebastian: Also eine bestimmte Brennerei gibt es da nicht. Bei den Deutschen sind es gerne welche aus meiner Region wie die Sauerländer Edelbrennerei oder Habbel, aber natürlich schaut man sich den Fassmarkt in Schottland an und wenn ich Samples bekomme und verkoste, habe ich meist dann beim verkosten eine Idee was ich mit dem Malt machen könnte 😊
MM: Welche Strategie bzw. welche Ausrichtung verfolgst du bei deinen Abfüllungen? Hast du ein bestimmtes Konzept?
Sebastian: Das Konzept liegt ja schon im Namen (The Spirits Alchemist)…ich probiere natürlich sehr verrückte Sachen aus, die gerade bei den Puristen nicht immer gut ankommen, aber ich versuche auch zu zeigen, was alles möglich ist im Whiskybereich in Bezug auf Finishes.
Aber es wird auch klassische Whiskys unter meinem Label geben, ganz strikt nur Bourbon Cask oder Sherryfass Reifung.
MM: Besitzt du ein eigenes Fasslager?
Sebastian: Nein ich besitze kein eigenes Fasslager. Ich nutze von Kollegen oder der Sauerländer Edelbrennerei das Fasslager. Aber einige kleine Projekte lagern auch bei mir im Keller 😉
Ich denke aktuell besitze ich so um die 30 Fässer.
MM: Deutscher Whisky hat in den letzten Jahren einen großen Sprung nach vorne gemacht und kann immer mehr Whisky-Genießer überzeugen. Welche Zukunftsaussichten siehst du für den deutschen Whisky?
Sebastian: Ich denke die Qualität wird immer besser, man gibt dem Whisky mehr Zeit, auch länger zu reifen und man bekommt gute Fässer. Dazu setzen viele Konsumenten auf Regionalität, daher denke ich, dass der Trend weiter nach oben geht!
MM: Im Gegensatz zum irischen Whisky, der ja derzeit auch viele Neuentwicklungen sieht, tut sich deutscher Whisky deutlich schwerer mit Marketing-Kampagnen und Verbraucher-Akzeptanz. Warum hat es deiner Meinung nach deutscher Whisky so viel schwerer als irischer Whisky, um die Leute zu begeistern?
Sebastian: Ich denke in erster Linie liegt es daran, dass das Ursprungsland für Whisky nun mal Irland ist und daher verbindet man eine gewisse Tradition damit. Außerdem tun sich einige deutsche Brennereien schwer, da sie immer mit dem Preis der Flasche zu kämpfen haben im Vergleich zu den Schotten oder Iren, was aber in der Regel bei vielen an der Produktionsmenge liegt. Da ist es dann normal, das man bei einer Brennanlage mit 250L Kessel und 10% New Make Ausstoß (25L) pro Brennvorgang eine Flasche für 79,90€ anbieten muss, die gerade mal 3 Jahre und ein paar Tage alt ist. Aber ich denke auch da wird sich die Qualität umsetzen können. Ein gutes Gegenbeispiel ist der Aureum 10 Jahre von Ziegler in Fassstärke für um die 60€ gewesen…tolles Produkt zu einem super Preis.
MM: Die höheren Kosten sind ein interessanter Aspekt. Entstehen diese höheren Kosten unter anderem dadurch, dass schottische Brennereien den Vor- und Nachlauf sammeln und wieder erneut destillieren, während deutsche Brennereien den Vor- und Nachlauf entsorgen?
Sebastian: Ja, das ist bei der Preisdiskussion das Totschlagargument Nr.
1, da leider viele Leute das gar nicht bedenken. Und oft wird ignoriert, dass die
Brennereien ganz andere Dimensionen haben und am Ende sieht man nur das Alter
und den Preis...aber da steckt viel mehr dahinter.
Natürlich hat der Preis auch etwas damit zu tun, wenn ich
den Vor- und Nachlauf sammle und erneut destilliere, dass ich dann weniger
"Abfall" habe und mehr von meinem Destillat nutzen kann.
Auch das erhöht natürlich den Ertrag beim Brennen.
MM: Der Whisky-Markt ist derzeit unglaublich turbulent und vielfältig, und man weiß eigentlich noch gar nicht so recht, wo die Reise hingehen wird. Welche Entwicklungsmöglichkeiten siehst du für dich für die kommenden Jahre?
Sebastian: Ich sehe die Entwicklung sehr positiv und denke auch, dass einige Brennereien von Unabhängigen Abfüllungen Ihres Whiskies profitieren könnten.
In Deutschland tut sich sehr viel und viele meiner Kollegen machen einen unglaublich tollen Job. Ich bin gespannt, was da in den nächsten Jahren noch auf den Markt kommen wird.
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