Bushmills - einstmals so wild wie die Whiskys von Islay

Manche Whiskys hat man viel zu selten im Glas. Bushmills zum Beispiel. Vielleicht liegt es daran, dass es diese Brennerei bereits seit einer halben Ewigkeit gibt. Da kann schnell das Gefühl entstehen, dass über Bushmills schon längst alles gesagt worden ist. Doch die derzeitigen Abfüllungen, die man von der nordirischen Brennerei erhält, sind alles andere als ein alter Hut. Im Gegenteil: es wird höchste Zeit, sich endlich mal wieder mit Bushmills zu befassen, dessen Whiskey einstmals so wild wie die Whiskys von Islay war. 


Ach ja, Bushmills. OLD Bushmills. So steht es jedenfalls auf dem Dach der Brennerei in großen Buchstaben. Fast klingt das schon ein bißchen wie ein Anachronismus - irischer Whiskey und "alt" gehen derzeit nicht wirklich Hand in Hand. Die vielen, neu gegründeten  irischen Whiskey-Brennereien und -Marken der letzten Jahre sind vor allem jung, und bei dem derzeitigen jungen Hype um irischen Whiskey kann man schon mal den Blick auf das Alte vergessen. Und ehe man sich versieht, ist man ein Opfer seiner eigenen Vorurteile und verwechselt "alt" mit "angestaubt" und "scheintot". 

Dabei erweist sich die Old Bushmills Distillery derzeit als erstaunlich jung und lebendig. Mit den Abfüllungen der "Causeway Collection" hat die Brennerei für viel Furore gesorgt. Und nach einer fünfjährigen Bauzeit wurde letzten Monat auch die neue "Causeway Distillery" eröffnet. 

Zeitgleich zur Eröffnung der neuen Brennerei wurde auch eine Abfüllung mit 30 Jahre altem Bushmills-Whiskey herausgebracht. Keine andere Brennerei in Irland kann mit so altem Whiskey aufwarten wie Bushmills - wenn man von Teeling absieht. Und selbst da kann man nie ganz sicher sein, ob in der Flasche in Wirklichkeit nicht doch ein alter Bushmills  versteckt ist. 

Bleiben wir also beim "Old", und zollen wir der Brennerei den Respekt, den sie verdient. Denn die Grande Dame des Whiskeys an Irlands nördlichem Gestade ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme-Erscheinung. 



Auch 14 Jahre nach dem Tode von Sorleyboy Macdonnel findet sich sein Name in einer Karte von 1609. Direkt daneben der Name seines Sohnes, damals noch Sir Randal, später Earl of Antrim. Rechts davon ist einem weiteren Helden gedacht: dort war die Stelle, wo Shane o'Neill, der große Kämpfer und Liebhaber von Aqua Vitae, zu Tode kam.

Der Gründungsmythos der Bushmills-Distillery wurde bereits unzählige Male erzählt, und in fast jedem Whiskey-Buch wird irgendwann die Zahl 1608 erwähnt. Die Hintergründe der historischen Ereignisse bleiben dabei - leider - meist unbeachtet. Dabei lohnt es sich durchaus, bei dieser Zahl ein wenig zu verweilen, wenn man die Einzigartigkeit der Bushmills Distillery wirklich verstehen will.

Die Anfänge - aus dem Zusammenprall der Kulturen geboren

Eine alte Karte von 1609 hilft uns dabei, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Das Gebiet um den Fluss Bush, wo sich die Bushmills Distillery befindet, gehörte lange Zeit zum Herrschaftsgebiet der McDonnells von Antrim, in Schottland unter dem Namen MacDonald bekannt. Vor allem Sorley Boy MacDonnell - in  den schottischen Highlands Somhairle Buidhe Mac Domnhaill und in englischer Sprache Somerled with the yellow hair genannt - war ein berühmter Kriegsfürst des Clans. In der Karte von 1609 ist sein Name noch prominent eingezeichnet, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits seit vielen Jahren verstorben war. Doch sein Ruf war schon damals legendär. Direkt daneben sehen wir den Namen seines Sohnes und Nachfolgers, Sir Randal, der später zum ersten Earl of Antrim ernannt wurde - gegen Zahlung einer erklecklichen Geldsumme an den englischen König.

Sorleyboy stammte aus einer berühmten Familie. Seine Vorfahren waren die berüchtigten Lords of the Isles, die vor vielen Jahrhunderten die westschottische Inselwelt beherrschten. Sorleyboy war der jüngste Sohn von Alexander Macdonald, Lord of Islay and Kintyre, und sein ältester Bruder James residierte nach dem Tod des Vaters auf der Insel Islay in Dunyvaig Castle, dessen Ruinen malerisch die Einfahrt zur Bucht von Lagavulin bewachen. Sorleyboys Schwägerin war Agnes Campbell, die Tochter des Earl of Argyll, und als Mary Queen of Scots 1563 Argyll bereiste, sorgte Agnes Campbell dafür, dass die Königin eine standesgemäßes Highland-Bekleidung erhielt. Die Campbells waren berühmt für ihr Aquavitae, und wo ein Campbell war, war eine Brennblase nicht weit. Nach dem Tode ihres Mannes heiratete Agnes 1569 den irischen Lord Turlough Lynagh O'Neill. Als Hochzeitsgeschenk brachte sie 1.200 Highland-Krieger - sogenannte Gallowglass - mit nach Ulster, die sie persönlich auf dem Zug in die neue Heimat anführte. Als Sorleyboy die Ländereien in Antrim übernahm, war die politische Lage so instabil und gefährlich, dass von den älteren Brüdern niemand nach Antrim gehen wollte. Als er 1595 verstarb, waren die schottischen Highlander fest in Ulster etabliert. 

Über den Whiskey jener Zeit wissen wir nur sehr wenig, außer, dass er reichlich getrunken wurde. Vor allem Sorleyboys Zeitgenosse und Widersacher Shane O'Neill sprach dem Aquavitae besonders gerne zu und war für seine Alkoholexzesse berüchtigt. Dass in Ulster und in Islay das Aquavitae damals sehr ähnlich war, können wir vermuten. Angeblich war es eine Prinzessin aus Ulster, die 1302 anlässlich ihrer Hochzeit mit dem Clan-Führer der Macdonalds die Destillationskunst von Irland nach Islay brachte. Nur wenige Kilometer Wasser trennt Ulster von Islay und Campbelltown, und für die flinken Boote der Macdonalds war dieses Wasser kein Hinternis, sondern eine Autobahn.

Doch 1603 begannen sich die Machtverhältnisse zu verändern. König James VI von Schottland waren die Machtbestrebungen der Macdonalds schon lange ein Dorn im Auge. Als er nach dem Tode der englischen Königin Elisabeth I auch den englischen Thron übernehmen konnte, nutzte er seinen Machtzuwachs sogleich aus, um - nunmehr als James I von England - die Vormachtstellung der MacDonalds zu brechen und seine eigene Machtbasis in Irland auszubauen. Nach einigen entscheidenden Schlachten gelang es ihm 1607, Ulster unter seine Kontrolle zu bringen. Ein Jahr später begann er, Lizenzen für alles mögliche zu verteilen. Und so kam es, dass 1608 ein gewisser Thomas Phillips vom englischen König eine Lizenz erhielt, in Antrim, am River Bush, so viel Whiskey zu destillieren, wie es ihm gefallen würde. 

Um Ulster enger an den schottischen Thron zu binden, ließ James I zudem neben einigen tausend englischen Siedlern auch mehr als 7.000 Schotten aus den Lowlands in Ulster ansiedeln. Auch Sorelyboys Sohn Randal musste 300 schottische Presbyterier auf seinen Ländereien aufnehmen. 

Einer dieser schottischen Neusiedler war William Boyd, ein wohlhabender Händler, der bei Dunluce Castle lebte. Als er 1624 starb, hinterließ er seinem Sohn Adam einen Braukessel und eine Aquavitae-Brennblase. Benutzt wurde sie allerdings von Adams Mutter, die ein lebenslanges Nutzungsrecht erhielt.  Auch der Ort Bushmills wird im Testament erwähnt, denn dort lebte Boyds Schwager John Logan of the Boshmilnes. 

Das Testament von John Logan ist leider nicht überliefert, so dass wir nicht wissen, ob er ebenfalls im Besitz einer Brennblase war. Ich denke schon - denn welche Frau steht schon gerne hinter ihrer Schwägerin zurück?


Einfach war dieser Zusammenprall der verschiedenen Kulturen mit ihren verschiedenen Sprachen und verschiedenen Religionen mit Sicherheit nicht, und bis heute ist die Bevölkerungsmischung in Ulster ein schwelendes Pulverfass, in dem mitunter die Funken fliegen. Was wir gerne übersehen, sind die neuen Ideen, die eine Mischung von unterschiedlichen Einflüssen zu bringen vermag.

Diese beiden Ereignisse - die königliche Lizenz von 1608 sowie die Brennblase im Testament von William Boyd - zeigen uns überdeutlich den Rahmen, in dem sich die Bushmills Distillery in den kommenden Jahrhunderten entwickeln konnte: eingebettet in das englische Steuerrecht einerseits und das englische Kolonialreich andererseits, aber auch geprägt von der irischen Landschaft und der Sturheit der irischen Bevölkerung sowie von der Geschäftstüchtigkeit der Lowlandschotten, gepaart mit einer ausgeprägten Liebe der Highland-Schotten zum Single Malt Whisky, konnte in Bushmills eine Brennerei entstehen, die von den vier verschiedenen Kulturen nur das Beste bekam. 

Auch wenn der Whiskey von Thomas Phillips keine besondere Rolle in der Geschichte spielte, so war das Jahr 1608 doch ein Meilenstein: denn in diesem Jahr wurden die einmaligen Parameter gelegt für die Entwicklung einer Brennerei, die sich in dieser Konstellation sonst nirgends mehr ergeben haben, weder in Irland, noch in Schottland, und erst recht nicht in England. 

Auch in einer alten Karte von 1610 ist Sorleyboy (Sok le Boy) MacDonnell noch als Herr der Route (Rowte) und den Glens (Glinnes) eingetragen.

Die ersten Brennereien entstehen

Die wirtschaftlichen Entwicklungen in Großbritannien haben auch vor der Kolonie in Ulster keinen Halt gemacht, und um 1700 begann man zunehmend mit dem Aufbau einer Flachs- und Textilindustrie. Parallel dazu entstanden nun auch eine Vielzahl von kleinen Farm- und Mühlenbrennereien. Vor allem um Coleraine entstanden viele Brennereien, und 1755 vermerkte ein Zeitgenosse, dass die Region nur von den Brennereien in Dublin übertroffen wurde.

Von Alfred Barnard wissen wir, dass 1743 in Bushmills Whiskey illegal gebrannt wurde. Dokumente aus der Frühphase der Brennereien sind rar, und wir müssen bis 1773 warten, ehe wir endlich einen verbindlichen Hinweis erhalten, dass auch in Bushmills eine oder mehrere Brennereien entstanden waren. Eine Verwaltungsschrift zu den Kosten der königlichen Steuerbehörde listet auch die Steuerbeamten (gaugers) auf, die im Bezirk von Coleraine eingesetzt waren. Gauger in Bushmills war ein gewisser Charles Grier, 



Ähnlich wie die schottischen Brennereien waren auch die Brennereien In Irland den Steuervorschriften des englischen Parlaments unterworfen, das mit mehreren Steueränderung ab 1775 nicht nur den Charakter des Whiskeys massiv veränderte, sondern die gesamte Whisky-Industrie an den Rand des Abgrunds brachte. 

1779 gab es im Bezirk Coleraine noch 61 Brennereien, doch schon ein Jahr später hatte mehr als ein Drittel von ihnen den Betrieb aufgegeben. Auch bei Bushmills wurde zwischen 1775 und 1780 der legale Brennbetrieb eingestellt. Ähnlich wie im benachbarten Islay wurde nun illegal gebrannt, und der Whiskey weiträumig geschmuggelt. Die Anzahl der illegalen Brennereien war so groß, dass man die Zeit zwischen 1779 und 1823 auch als "Poteen Years" bezeichnet hat. 

Erst eine erneute Steuerreform 1784 ließ das legale Brennen wieder attraktiv werden. Hugh Anderson, wichtigster Landbesitzer der Region mit Ländereien in Ballintoy und Billy, gründete sogleich eine Brennereigesellschaft und errichtete eine (vermutlich) neue Brennerei. Überlieferungen zufolge gab es zum damaligen Zeitpunkt noch 5 weitere Brennereien in Bushmills, die jedoch alle illegal betrieben wurden. 

Das Wohnhaus der Andersons steht noch immer: das als "Distiller's Arms" bekannte Gebäude beherbergt derzeit ein gutes Restaurant. Die Brennerei von Anderson war damals deutlich kleiner als die heutige Anlage und war Teil einer großen und modernen Farmwirtschaft.

Doch der Brennereispaß war zunächst nur von kurzer Dauer: mehrere Brennverbote für Getreide in der Zeit von 1800 bis 1814 bedeuteten für die kleinen Brennereien häufig das vorläufige Ende. Überleben konnten nur die großen Brennereien am Clyde, die auf die Destillation von Zucker ausweichen konnten. Bushmills hingegen gehörte nicht dazu. 

All Malt Forever

Anders als von der englischen Regierung erwartet, führten die Brennverbote für Getreide jedoch nicht nur zur Etablierung von einigen wenigen, großen Mega-Brennereien, sondern zu der Entstehung einer beispiellosen Kultur von illegalen Kleinst-Brennereien. Die Verdienstausfälle für die königliche Steuerbehörde waren enorm, und zwischen 1814 und 1823 begann man mit neuen Reformversuchen, das legale Brennen auch für kleine Betriebe wieder attraktiv zu machen. 

Ähnlich wie in den schottischen Lowlands hatte auch in Irland die hohe Besteuerung von Gerstenmalz dazu geführt, dass die meisten Brennereien auf eine Mischung von Gerstenmalz mit ungemälzter Gerste bzw. ungemälztem Getreide umgestiegen sind. 

Anders hingegen die schottischen Highlands: hier hatte sich in den Zeiten der Jacobites ein Whisky-Typ etabliert, der ausschließlich aus 100% Gerstenmalz hergestellt und anschließend möglichst lange im eigenen Keller gelagert wurde. Single Malt wurde zu einer Frage der Ehre - entweder man brannte reines Gerstenmalz, gerne auch illegal, oder man brannte gar nicht. Der Erfolg gab den Brennern recht: zwischen 1775 und 1823 wurden für illegale reine Malt-Whiskys aus den Highlands und von der Insel Islay Höchstsummen bezahlt, während der staatlich erlaubte  "Parlamentswhisky",  der auch ungemälztes Getreide  enthielt, immer unbeliebter wurde. 

Während in Schottland nach der Reform von 1823 duzende von Brennereien in den Highlands wieder offiziell Malt-Whisky brannten, beließen es  in Irland die meisten Brennereien bei der Mischung mit ungemälztem Getreide.  1827 gab es in ganz Irland nur fünf Brennereien, die reinen Malt-Whisky brannten. Eine davon war die Bushmills Distillery. Offensichtlich hatte man bei Bushmills den Whisky-Kodex der Highlands adoptiert: entweder All-Malt, oder gar nicht. Über die Ursachen dafür kann man gewiss vortrefflich spekulieren. Und noch etwas zeichnete die Whiskeys von Bushmills aus: ebenso wie die Whiskeys auf Islay waren sie vom Peat-Rauch geprägt. In Antrim war das Erbe der MacDonnells noch immer sehr lebendig. 

Hinaus in die Welt

In den 1830er Jahren wurde Bushmmills Whiskey bereits überregional sehr geschätzt. Der Giant's Causeway zog schon damals viele Touristen an, und in mancherlei Reisebeschreibung aus jener Zeit finden sich auch Hinweise auf den "weltbekannten" und "weltberühmten" Whiskey der Bushmills Distillery.  Genauere Angaben über die Regionen, in die Bushmills Whiskey exportiert wurde, erhalten wir 1837 im Topographical Dictionary of Ireland: 

"(In Bushmills) wird eine Brennerei betrieben, die für die Qualität ihres Whiskeys viel gerühmt wird, von dem jährlich etwa 12.000 Gallonen hergestellt und hauptsächlich nach England, Schottland, Westindien und Amerika verschickt werden."

Auslöser für den großen Export-Erfolg des Bushmills-Whiskeys war vor allem der neue Hafen im nahegelegenen Portrush, der ab 1829 zu einem wichtigen Import- und Exporthafen wurde, und über den auch viele Passagierschiffe unzählige Touristen an die Küste von Antrim brachten. 

Eine besonders ausführliche Information erhalten wir im Quarterly Journal of Agriculture: 

"Die Vorliebe für den nach Torf riechenden feurigen Poteen scheint bei der Landbevölkerung in Irland zurückgegangen zu sein, und zwar zugunsten des milderen und geschmacksneutraleren Spiritus aus Schottland, von dem mittlerweile große Mengen nach Irland geschickt werden. Doch die irischen Brennereien imitieren den schottischen Whisky mit Erfolg. Sie trocknen das Malz mit Koks statt mit Torf und beschäftigen in manchen Fällen Schotten als Brenner. Die Brennerei in Bushmills produziert sehr feinen Whisky und verlangt stets einen Preis von 10 Shilling pro Gallone. Sein Besitzer kauft die gesamte zweireihige Gerste auf, die in seiner Nachbarschaft zu ernten ist, und nur in seiner Nachbarschaft wird eine größere Menge dieser Gerstensorte gesät." (Band III, 1831-1832, S. 774)

Während die meisten Brennereien in Irland ab etwa 1830 auf den Peat-Rauch bei der Herstellung von Malz verzichtet haben, blieb man in Bushmills beim Altbewährten. 1837 wird im  "Northern Whig" noch immer für den rauchigen Whiskey von Bushmills geworben.

MCDONNELL and CAMPBELL offer for Sale OLD DUBLIN and CORK MALT WHISKEY of the finest quality; also, that very superior PEAT-FLAVOURED MALT WHISKEY, from the Bush Mills Distillery.

Die Erfindung der Coffey-Still, einer Brennblase, die ein kontinuierliches Brennen ermöglichte und dadurch größere Mengen erlaubte,  veränderte schon bald die Whiskey-Industrie nachhaltig. Während viele Brennereien in Irland um 1850 die sogenannte Coffey-Still installierten, hielt man es bei Bushmills ebenso wie bei den Nachbarn in den schottischen Highlands: man pfiff auf eine Produktionssteigerung und blieb bei der altbewährten Pot Still. 



So wild und rauchig wie die Whiskeys von Islay

Wie stark die Jahre der illegalen Malt-Whiskey-Produktion bei Bushmills nachwirkten, zeigt ein Textauszug aus einem Bericht der königlichen Commission zur Situation des Brennereiwesens. Noch 1854 hatte der Whiskey von Bushmills seinen "illegalen" Poteen-Charakter nicht verloren.

Wie die Bushmills Brennerei die schwierigen Jahren zwischen 1840 und 1870 überstanden hat, ist nicht überliefert, doch 1877 ist die Brennerei noch immer alive , kicking und berühmt. Während die meisten Brennereien in Irland und Schottland ihr Malz inzwischen ohne Torfrauch trocknen, ist man bei Bushmills traditionsbewußt geblieben. 

Ähnlich wie auf der benachbarten Insel Islay wird auch bei Bushmills zu diesem Zeitpunkt noch immer reines Gerstenmalz über Torfrauch getrocknet. 

At Bushmills in Ireland, a noted whisky is made exclusively from malt, which is prepared in the ordinary way, excepting that peat is used in drying it. 

Ein Text von 1877 gibt uns detaillierte Information über die damalige Produktion bei Bushmills. Für die Technik-Freaks unter euch habe ich hier den kompletten Textauszug eingestellt: 

At Bushmills in Ireland, a noted whisky is made exclusively from malt, which is prepared in the ordinary way, excepting that peat is used in drying it. The quantity of malt wetted for each brewing is 80 bushels, from which only one mash is prepared for fermentation, the after-washings being retained, as usual, kfor exhausting fresh quantities of malt. In preparing the first mash, from 18 to 20 gallons of water are used to each bushel of malt. Only as much water or small worts is run on as will wet throughout the whole of the malt, the temperature being 146°Fahr. In almost fifteen minutes afterwards the remaining quantity is run on at a heat of 155° to 160°Fahr.  After drawing off the first mash, 900 gallons of water are let down into the grist at a temperature of 170° to 175° Fahr, and after mashing for three-quarters to one hour and a quarter, the wort is let into the under-back, and pumped into the coppers: 900 gallons more are used in the third mash, the temperature being 180° Fahr, both these liquids are used in making the first mash on the next day’s brewing, and on account of the density of the small worts, the malt used is from 65 to 70 bushels. The density of the first mash, when let into the fermenting tun, is 50 lbs., to the barrel as usual. None but the best of bar mist employed in the fermentation, the quality is 1 per cent of the wort, one-half of which is added at the commencement, and the other when attenuation has reached 30 to 35. Attenuation is usually completed in forty-eight hours though in variable weather a longer time is required, the quality of the malt also affects the quickness of the decomposition, but the chief cause of a good or bad fermentation is the yeast; the fermented worts are reduced in gravity to that of water, and frequently below this. The mash stills at the Bushmills factory are of the old description, and the manager states they are the best for making fine spirit, an assertion with which many will coincide. The average yield in this establishment is from 14 to 16 gallons per quarter of 8 bushels, but there is always a variation above or under these figures, according to the quality of the grist. The best spirit is made always in dry weather. ( Encyclopædia of Chemistry, Theoretical, Practical, and Analytical, 1877)

Nur wenige Jahre später wird die Brennerei von einer Katastrophe getroffen: sie brannte 1885 komplett ab. Größtes Glück in der Not war der Umstand, dass die umfangreichen Lagerbestände, die man bei Bushmills aufgebaut hatte, nicht vom Feuer betroffen waren, und in den nächsten Jahren konnte man weiterhin Whiskey abfüllen, während die Brennerei komplett neu aufgebaut wurde. 


Bushmills blieb weiterhin auf Erfolgskurs, sahnte eine Goldmedaille nach der anderen auf diversen Ausstellungen ab und erreichte die Krönung seines Ruhms, als der Whiskey von Bushmills 1889 auf der Pariser Weltausstellung die einzige Goldmedaille errang, die für Whiskey vergeben wurde. Selbst der Schah von Persien, der zur Weltausstellung in die Seine-Metropole angereist war, legte am Stand von Bushmills einen kurzen Stop ein, um den Whiskey zu probieren. Ob danach auch eine Lieferung nach Persien erfolgte, ist mir leider nicht bekannt. 



Einen Grund für den großen Erfolg hat man damals im Wasser gesehen, das über weite Strecken durch Moorland floss: "The secret of the success of this whiskey undoubtley lies in the quality of the water of the river Bush, which flows through peat bogs for a long distance, and thus yields a liquid which is specially suited to the distillation of superior malt whiskey." (Industries of Ireland, 1891, Seite 77.) Wer fühlt sich bei dieser Textstelle nicht automatisch an Bowmore erinnert? Auch im Katalog der Weltausstellung in Chicago finden sich Hinweise auf die Torfmoore von Bushmills.

Nach wie vor wird in Werbekampagnen der Brennerei darauf hingewiesen, dass man reines Gerstenmalz in traditionellen Kupferbrennblasen brennt. Die Kupferbrennblase wurde schließlich zum Markenzeichen der Brennerei, und wurde stolz auf den Flaschen-Etiketten abgebildet. 

Bushmills Werbung 1896


Überlebenskampf

Doch schon bald kamen düstere Zeiten für die erfolgsverwöhnte Brennerei, die es damals durchaus mit Brennereien wie Lagavulin und Glenlivet aufnehmen konnte. 

Der erste Weltkrieg, der Kampf um die irische Unabhängigkeit und das Alkoholverbot in den USA waren drei Ereignisse, die innnerhalb kürzester Zeit die irische Whiskey-Industrie in die Knie zwang. Auch Bushmills verlor den größten Teil seiner weltweiten Absatzmärkte.

1923 gelangte die Brennerei zum Schnäppchenpreis in den Besitz von Samuel Wilson Boyd, einem Wein- und  Whiskey-Händler aus Belfast, dessen Familie ursprünglich aus den Lowlands stammte. Boyd betrieb die nächsten Jahre Leichenfledderei: mit Hilfe von geschickten Marketing-Kampagnen verkaufte er die folgenden Jahre große Mengen des Bushmills Whiskeys, die reichhaltig in den Lagerhallen vorhanden waren und zum größten Teil noch aus der Vorkriegszeit stammten, doch die Brennerei blieb geschlossen. 

Als nach Boyds Tod seine Söhne die Firma 1931 übernahmen, kam das ganze Ausmaß der Katastrophe erst wirklich zum Vorschein. Auf der einen Seite waren die Lager weitestgehend geplündert, doch auf der anderen Seite waren die Produktionsanlagen inzwischen so verfallen und verrottet, dass es kaum noch möglich schien, die Produktion wieder aufzunehmen. 

Neuer Brennerei-Manager wurde James Watt Morrison, ein Schotte, der zuvor bei Mortlach gearbeitet hatte. Mit Morrisons Hilfe wurde die Brennerei wieder auf Vordermann gebracht, und im Januar 1932 wurden die Brennblasen wieder angeworfen. Doch zur großen Enttäuschung aller empfand Morrison den New Make als "vile", als "abscheulich". Erst die Installation einer zusätzlichen dritten Brennblase löste das Problem. Ähnlich wie bei Mortlach entwickelte man nun auch bei Bushmills ein kompliziertes Destillationssystem. Die Boyds hatten Bushmills am Leben erhalten und über eine schwierige Zeit hinweg gerettet. Aber war das noch der gleiche Whiskey, für den Bushmills jahrzehntelang berühmt gewesen war?

Ein Jahr später gelang den Boyd-Brüdern wahrscheinlich der Coup des Jahrhunderts. Im September 1933 erwarben sie günstig die benachbarte Coleraine Distillery einschließlich ihrer prallgefüllten Lagerhäuser. Kurz zuvor war Wison Boyd auf Geschäftsreise in New York gewesen. Nur 8 Wochen später,  am 5. Dezember 1933, erklärte der amerikanische Präsident die Alkohol-Prohibition für beendet. Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine ganze Schiffsladung mit Whiskey von Coleraine auf dem Weg nach New York. Während die meisten irischen Brennereien das Ende der Prohibition regelrecht verschlafen hatten, waren die Boyd-Brüder bestens vorbereitet, um die amerikanischen Städte Weihnachten 1933 mit bestem irischen Whiskey aus Coleraine zu versorgen, und langfristige Lieferverträge sollten folgen. 

Die folgenden Jahrzehnte sollten wechselhaft bleiben für die Bushmills Distillery, die vor allem während der Zeit, als sie im Besitz von Diageo war, zu einem Hauptlieferant für langweilige, preiswerte Supermarktblends wurde. 

Heute gibt man sich bei Bushmills große Mühe, die irische Karte zu spielen und die alte Islay-Connection möglichst zu ignorieren.  Mild, malzig, und fruchtig, elegant, gefällig und dreifach gebrannt, soll der Bushmills 10 den typischen irischen Whiskey repräsentieren. Kenner und Whisky-Liebhaber auf der ganzen Welt schätzen ihn für diese Eigenschaften. Aber lieben sie ihn auch? 

Wirklich grandios wird Bushmills erst dann, wenn er älter wird. 16, 20, 25 Jahre alte Abfüllungen sind ein Gedicht, und jeden Cent wert, den sie kosten. Die Sonderabfüllungen der letzten Jahre sind beeindruckend und haben mich zu einem großen Fan der Brennerei werden lassen.

Und dennoch kommt Wehmut in mir auf, wenn ich in alten Archiven stöbere. Diese göttliche Cousine von Lagavulin und Bowmore, die vor 400 Jahren auf dem alten Land des Sorleyboy MacDonnell ihren Ursprung hatte, die 1784 in den Torfmooren am River Bush offiziell geboren wurde, die jahrzehntelang  den rauchig-wilden Character von Poteen in sich trug und von Antrim aus im 19. Jahrhundert die Welt erobern konnte - es gibt sie nicht mehr. 



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