Whiskygedanken: Über Jäger und Sammler
Doch ist es wirklich so verwerflich, wenn man Whisky nicht nur trinkt, sondern auch sammelt? Bernhard Rems von den Whisky Experts wagt als Gastschreiber heute ein „Coming-out“ und bricht eine Lanze für die oft Geschmähten.
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"Ich möchte eine
Lanze für eine Spezies brechen, die unter Whiskyfreunden wie ein
Paria behandelt wird, obschon sie selbst zur Gattung der
Whiskyfreunde gehört – eine Lanze für Menschen, die sich
andauernd öffentlich selbst verleugnen müssen und die ihre Liebe
nur im Verborgenen ausleben dürfen. Ja, das geht manchmal sogar so
weit, dass sie in Gesprächen unter Gleichgesinnten über jene die
Nase rümpfen, die so sind wie sie – nur um unerkannt zu bleiben
und in Frieden ihrer Passion nachgehen zu können.
Ich spreche von den
Whiskysammlern. Und ich bin einer von ihnen.
Wir Whiskysammler
frönen dem Wahnsinn in Maßlosigkeit. Wir lieben nicht mit Verstand,
sondern mit Hingabe. Um ein Zitat von Bert Brecht zu verunstalten:
„Ich kann gar nicht so viel trinken, wie ich kaufen möchte“. Und
das ist gut so. Unser Appetit auf Whisky übersteigt die
Einkaufsvernunft bei weitem. Gleichzeitig sind wir nicht
selbstmörderisch genug, im Trinken alle Grenzen zu vergessen.
Es ist doch so:
Würde jede Flasche Whisky, die weltweit verkauft wird, auch zügig
getrunken werden, ich schätze, wir hätten ein unbeschreibliches
Alkoholproblem und ganze Landstriche mit Menschen mit einer Leber aus
Stein. Ich selbst hätte meinen Job verloren, meine Partnerschaft
zerstört und nur mehr vereinzelte Sozialkontakte. Ja, wäre Whisky
wie Buttermilch, könnte man ihn verkosten wie Erdbeeren oder
verschiedene Gemüsesorten – keine Flasche müsste ungeöffnet auf
ihre Stunde harren, kein Schrankbrett hätte sich unter schwerer Last
zu biegen. Aber so? Als Gourmet muss man vorsorglich
ein einkäuferischer Gourmand sein, denn die Ware ist
begrenzt, die Konkurrenz ist groß und die kindliche Freude am Haben
ist nicht zu unterschätzen.
Whiskysammler
kaufen, so sie von der Liebe zum Wasser des Lebens beseelt sind,
nicht für Wertsteigerung; sie kaufen, um beim Öffnen der Flasche
und Einschenken jenen Moment des kleinen Todes (eine von den
Franzosen in hingebungsvoller Beobachtungsgabe ersonnene Umschreibung
des zeitlosen Augenblicks namens Orgasmus) hinauszuzögern, zu
vervielfältigen, an den Horizont der Sehnsucht zu verschieben. Sie
kaufen und sammeln, weil sie Phantasie haben.
Sammler-Glück. Foto: MargareteMarie |
Und selbst jene, die
es des schnöden Mammons wegen tun, die Whiskyflaschen als Wertanlage
betrachten – auch sie sind Nützlinge im Whiskybiotop. Sie
sind es, die denen, die den Genuss suchen, diesen erst ermöglichen.
Und das kommt so:
Würde jede Flasche, die die Abfüllanlagenverlässt, auch
sofort getrunken und nicht zum Teil gebunkertwerden, wir würden
das kollektive Whiskygedächtnis verlieren. Kein Mensch könnte
heutzutage kosten, wie ein Whisky aus den Sechzigern geschmeckt hat.
Kein Mensch würde den überwältigenden Geschmack alter Blends
entdecken können. Niemand könnte mit dem Begriff
„Cadenhead’s Dumpy Bottle“ etwas anfangen. Es
gäbe sie einfach nicht mehr, oder nur auf Bildern und in
Erinnerungen.
Jeder Sammler ist
ein Archivar der Whiskygeschichte. Ein Bewahrer des Gewesenen und ein
Befruchter der Gegenwart und der Zukunft. Ihr Tun mag von Egoismus
getrieben sein, aber ihr Wirken ist altruistisch wie das
von Philanthropen. Denkt daran, bevor ihr sie beschimpft. Und
wenn ihr den Sammler in euch kennt und akzeptiert, lasst ihn mit
Stolz ans Tageslicht treten. Er ist ein Freund."
Bernhard Rems
(51), ist Gründer und Leiter von Whiskyexperts.net,
der größten spezialisierten deutschsprachigen Nachrichtensite über
Whisky und Whiskey. Er bezeichnet sich selbst als trinkenden Sammler
– seine Flaschen sind für ihn eine Wertanlage in Genuss.
Foto: MargareteMarie |
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