Interview: Gillian Macdonald, Glenmorangie

Chemie-Diplom, Destillateurin, Blenderin, Whisky-Kreateurin - Gillian Macdonald hat erreicht, wovon viele Männer in der Whisky-Industrie nur träumen können, und ihre Karriere ist noch längst nicht zu Ende. Bei Penderyn in Wales hat sie die Kunst der Whisky-Herstellung von der Pike auf gelernt, seit 2012 ist sie als Head of Analytics and Whisky Creation verantwortlich für die Whiskys der schottischen Brennereien Glenmorangie und Ardbeg. In Muirfield habe ich die sympathische Waliserin getroffen und mit ihr über ihre Zeit bei Penderyn, ihre Aufgaben bei Glenmorangie und die Zukunft der Whisky-Industrie gesprochen. Viel Spaß beim Zuhören:-)
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Und wie immer gibt's das Interview auch in übersetzter Form (leicht gekürzt):




MargareteMarie: Ich bin hier in Muirfield und neben mir sitzt Gillian Macdonald, Brennmeisterin..

Gillian: Nein, nein, keine Brennmeisterin, ich bin ich Head of Distillation and Whisky Creation, und ich arbeite mit Dr. Bill Lumsden und dem Whisky Creation Team zusammen. Ein Teil unserer Aufgabe besteht darin, die Qualität unserer Abfüllungen bei Glenmorangie und Ardbeg zu überwachen.


MM: Sie sind verantwortlich für beide Brennereien, Glenmorangie und Ardbeg?

Gillian: Ja, für beide.


MM: Können Sie ihre Aufgaben näher beschreiben?

Gillian: Wir sind im Grunde genommen die Qualitätskontrolle des Whiskys. Wir wählen die Fässer aus, die befüllt werden, wir wählen das Rezept aus für die neuen Abfüllungen, und wir erhalten die Fassproben von der Brennerei, die wir dann verkosten um sicherzustellen, dass wir genau das bekommen, was wir uns vorgestellt haben. Das ist unsere Hauptaufgabe und gehört zu den Routine-Arbeiten.
Wir arbeiten auch mit beiden Brennereien zusammen um sicherzustellen, dass wir das Maximum erreichen und die beste Qualität, die möglich ist. Und wir arbeiten auch in der Produktentwicklung mit, was wohl die meiste Zeit in Anspruch nimmt. Wir versuchen, immer wieder innovativ zu sein und neue Versionen zu finden,was überwiegend die Aufgabe von Bill (Lumsden) ist, der ja verantwortlich für die gesamte Abteilung ist.


MM: Wie entsteht eine neue Version?

Gillian: Es ist vor allem Bill, der dies tut, denn er ist ja schon sehr lange bei der Firma, und weiß genau, was da ist. Er hat eine bestimmte Vorstellung,wie wir dahin kommen.  Manchmal ist es ein Konzept, manchmal ein Geschmack, manchmal eine Kombination von beidem. Es hängt natürlich auch davon ab, was zur Verfügung steht, was machbar ist. In der Whiskyindustrie arbeitet man immer mit dem, was in der Vergangenheit hinterlegt wurde, man hängt immer in dieser Zeitschleife, wo man sich wünscht, dass man eine Zeitmaschine hat, weil man zurück gehen möchte, um mehr zu produzieren, oder mehr von einer bestimmten Sorte, und dann wird Bill freimütig zugeben, dass etwas funktioniert hat, oder auch nicht funktioniert hat,und letztendlich muss man einfach den Mut haben, etwas zu tun.


MM: Wie sehr haben sich ihre Aufgaben mit dem Wechsel von Penderyn zu Glenmorangie geändert?

Gillian: Bei Penderyn war ich Brennmeisterin, und habe auch die Produktion geleitet, und war manchmal auch als Brand Ambassador tätig. Der Maßstab hat sich jetzt geändert, Penderyn war sehr, sehr klein, mit einer sehr kleinen Menge produziertem Alkohol, Glenmorangie ist sehr viel größer, selbst Ardbeg ist groß im Vergleich dazu, aber das Prinzip ist das gleiche: sicherzustellen, dass wir das beste bekommen, was uns zur Verfügung steht.

Ich bin nicht mehr die Person, die die Knöpfe drückt und die Ventile dreht, aber ich arbeite immer noch mit der Brennerei zusammen. Es hat sich also schon geändert, und wir haben auch ein Analyse-Labor. Die meiste Arbeit wird noch über Riechen und Schmecken erledigt, aber wir können gewisse Dinge, wie die Untersuchung von Molekülkonzentrationen, im Labor machen, was unsere Arbeit erleichtert.


MM: Wie entscheiden Sie, was Qualität ist?

Gillian: Unsere Entscheidungen basieren vor allem auf Riechen und Schmecken, denn so wird auch der Konsument das Produkt bewerten. Wir haben natürlich die Geräte, durch die wir die Proben laufen lassen, um sicherzustellen, dass bestimmte Moleküle, die wir haben wollen, auch vorhanden sind. Aber letztendlich entscheiden die Nasen, vor allem die von Bill, und auch meine. Wir sind 6 Personen in unserem Team, die die maßgeblichen Entscheidungen treffen, was dann auf den Markt kommt. Wir haben aber auch ein größeres Sensorik-Team innerhalb der Firma, und wenn wir ein neues Produkt entwickeln, dann greifen wir auf dieses Sensorik-Team zurück um ein größeres Spektrum an Rückmeldungen zu erhalten.


MM: Gibt es unterschiedliche Versionen für unterschiedliche Märkte, z.B. Europa oder Indien?

Gillian: Für Glenmorangie haben wir das nicht. Wenn wir eine neue Version herausbringen, wie z.B. die Private Edition, die normalerweise immer im Januar erscheint, dann sind das globale Editionen, die auf die verschiedenen Märkte aufgeteilt werden. Man könnte vielleicht so etwas entwickeln, manche Märkte bevorzugen beispielsweise süßere Versionen, oder nur Sherry, oder vor allem Rauch. Man kann das sehr schön daran sehen, dass Ardbeg sich sehr gut in einigen Märkten verkauft, während Glenmorangie in anderen Märkten gut positioniert ist. Man könnte vielleicht länderspezifisch arbeiten, aber zur Zeit werden alle unsere Abfüllungen global vertrieben.


MM: Was ist der typische Charakter von Glenmorangie?

Gillian: Wenn Sie die Brennerei besichtigen, werden Sie sehen, dass wir sehr hohe Brennblasen haben, es sind die höchsten in Schottland. Diese Brennblasen definieren den Charakter des Whiskys. Er ist sehr elegant, fruchtig, leicht, delikat, und wir nehmen auch nur einen sehr kleinen Teil des Mittellaufs bei der Destillation, das ist die Grundlage für den Haus-Charakter des Whiskys, und die Kombination von first- und second-fill Fässern, denn wir benutzen unsere Fässer nur zweimal. Diese Kombination von first- und second-fill Bourbon-Fässern ergibt dieses typische Geschmacksprofil von Glenmorangie, die Mandarine, Orange, frische Pfirsiche, Zitrus-Noten, und im Geschmack dann die cremige Kokosnuß-Vanille-Aromen der Bourbon-Fässer. Und dann kommen auch noch frische, florale Aromen dazu. Das ist wohl typisch für Glenmorangie und das findet man im Glenmorangie Original. Der Rest der Produktpalette ist auf dem Original aufgebaut. Der Original ist der Bezugspunkt, zu dem wir immer wieder zurückkehren. Alle anderen Versionen, die Extra-Matured Range, der 18 Years, der 25 Years – man kann genau erkennen, dass sie alle zur gleichen Familie gehören und auf die gleiche Art und Weise destilliert wurden, und sich nur in der Reifedauer und der Holzart unterscheiden, und in der Art, wie die einzelnen Elemente kombiniert werden.


MM: Sie entwickeln derzeit ein neues Mitglied der Familie mit dem Cask Masters Programm. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Gillian: Es handelt sich um den ersten Whisky, der auf Wunsch der Konsumenten entwickelt wird. Wir haben 3 Fassarten zur Wahl gestellt, A, B und C. Das Programm läuft insgesamt zwei Jahre, und im ersten Teil sollen die Kunden entscheiden, welche Geschmacksrichtung der Whisky haben soll. Bill hat Tasting Notes erstellt, und es gibt eine Webseite mit online-Voting, und wenn die Fasswahl getroffen wurde, geht es zur nächsten Stufe, auf der die Leute sich an der Namenswahl beteiligen können, am Design der Flasche, an der Geschichte, und es wird komplett von den Konsumenten ausgewählt. Wir wollen so viele Menschen wie möglich mit einbeziehen, um zu zeigen, wie komplex eine Whisky –Abfüllung tatsächlich ist.


MM: Es wird also fast zwei Jahre dauern, ehe wir das fertige Produkt in den Regalen sehen.

Gillian: Ja, und ich denke, es ist eine fantastische Idee, um den Leuten diese Dinge bewusst zu machen.


MM: Was ist ihr Favorit?

Gillian: Ich schwanke zwischen A und C –ich weiß nicht genau, welches Fass derzeit in Führung liegt. Ich glaube C, aber B ist wohl dicht dahinter.


MM: Was wird mit den Versionen passieren, die nicht gewählt werden?

Gillian: Das weiß ich nicht. Aber Bill hat bestimmt schon eine Idee.


MM: Sind sie die einzige Frau im Team?

Gillian: Nein, es gibt noch Karen Fullerton, unser Brand Ambassador, und Bryony Macintyre, die die Samples maschinell analysiert, und Ann Livingston, die auch im Labor arbeitet.


MM: Ist eine so hohe Anzahl von Frauen im Team inzwischen die Norm oder ist Glenmorangie eine Ausnahme von der Regel?

Gillian: Ich weiß es gar nicht, schließlich habe ich erst in zwei Firmen gearbeitet.


MM: Sie haben Chemie studiert?

Gillian: Ja, ich habe einen Abschluss in Chemie, aber ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, ob meine Arbeit  eher ungewöhnlich für eine Frau ist.


MM: Ihre männlichen Kollegen haben Sie also noch nicht herablassend behandelt, nur weil Sie eine Frau sind?

Gillian: Das würden sie nicht wagen;-)


MM: Was hat Sie bewogen, in der Whisky-Industrie zu arbeiten?

Gillian: Das war eigentlich ein Zufall. Ich bin in Wales aufgewachsen, und als ich mein Studium beendet hatte, gab es dort noch gar keine Whisky-Brennerei. Aber ich bin  nach dem Studium zunächst ein Jahr um die Welt gereist, und als ich zurückkehrte und mich nach Arbeit umsah, wollte es der Zufall, dass Penderyn genau zu diesem Zeitpunkt einen Distiller-Azubi suchte. Wäre ich einen Monat früher oder später zurückgekehrt, wäre ich wohl nicht im richtigen Moment an der richtigen Stelle gewesen. Eine der Voraussetzungen für die Stelle war ein Abschluss in Chemie, und es war tatsächlich so, dass ich im richtigen Moment an der richtigen Stelle war, denn es war mir vorher überhaupt nicht in den Sinn gekommen,  ich komme ja nicht aus Schottland. Aber als ich die Stellenausschreibung sah, dachte ich : „Das klingt fantastisch...“.Es ist toll, in der Whisky-Industrie zu arbeiten, die Menschen sind sehr freundlich zueinander, und es ist auch toll, wenn man das Produkt, das man selbst gemacht hat, in den Regalen sieht, und die Menschen sind so begeistert von ihrem Produkt.


MM: Das Interesse an Whisky wächst zunehmend.

Gillian: Ja. Selbst in der kurzen Zeit, in der ich in der Whisky-Branche tätig bin, hat sich das Interesse enorm vervielfacht.


MM: Setzt das die Bestände unter Druck? Hätte man vor zehn Jahren diesen Boom vorhersehen können?

Gillian: Nein, leider nicht. Es gibt derzeit nur eine begrenzte Verfügbarkeit von Whisky, es ist nicht mehr viel alter Whisky übrig auf der Welt, auch bei anderen Brennereien, die Whisky-Industrie kämpft insgesamt um ihre Vorräte. Vor zehn Jahren war dieser Boom nicht absehbar, und wenn er es gewesen wäre, hätte man das Kapital nicht gehabt, um die Vorräte zu schaffen. Es ist eine Catch-22-Situation, man kann nicht gewinnen. Es ist natürlich eine tolle Situation, dass heute jeder unseren Whisky will.


MM: Was ist ihre Vorhersage für die nächsten 10 Jahre?

Gillian: Ich wünsche mir, dass die Nachfrage weiterhin so hoch bleibt. Der Markt wird sich gewiss mehr in Richtung Asien verlagern, Glenmorangie hat derzeit einen großen Markt in Amerika, während Ardbeg eher einen europäischen Markt hat. Ich würde mir wünschen, dass die Leute sich weiterhin für Whisky interessieren und mehr über die unterschiedlichen Produktionsschritte lernen.


MM: Glauben Sie, dass uns die Zukunft vermehrt Whisky ohne Altersangabe bringen wird?

Gillian: Ja, ich glaube schon. Es wird immer einen Platz für alten Whisky geben, weil es etwas ist, wonach Menschen immer streben werden. Auch bei Glenmorangie und Ardbeg haben wir immer wieder Whisky herausgebracht ohne Altersangabe, viele unserer Private Editions, zum Beispiel. Aber ich denke, worauf man sich wirklich konzentrieren sollte, ist die Qualität des Whiskys. Und das meinte ich vorhin, wenn die Leute Ahnung haben von der Herstellung, dann verstehen sie Qualität besser. Es ist immer das erste, was Leute fragen: Wie alt ist er? – Doch das Alter ist unwichtig,  wenn ich dir eine Flasche ohne Etikett gebe, und sage, versuch den mal, und dann sagst du, ob du ihn magst oder nicht.


MM: Aber alter Whisky schmeckt anders.

Gillian: Oh ja, aber es kommt darauf an, was man will. Wenn man einen alten Whisky will, muss man ihn liegen lassen. Aber wenn man einen frischeren, leichteren Whisky möchte, sollte man ihn früher abfüllen. Auch das ist unsere Aufgabe als Whisky-Createur, zu entscheiden, wann der Whisky sein Optimum hat. Und auch für wen wir den Whisky herstellen, für welche Märkte wir ihn kreieren. Was man nicht will, ist, dass alles immer gleich schmeckt, wir wollen verschiedene Varianten haben. Und manche Menschen mögen die alten, holzigen, schweren Whiskys nicht, sie bevorzugen die leichteren, jüngeren. Man muss immer eine gute Bandbreite haben.


MM: Was können wir in der nächsten Zukunft von Glenmorangie erwarten?

Gillian: Wir werden im Januar die nächste Private Edition herausbringen, Private Edition 5. Ich kenne den Namen bereits, aber ich darf es noch nicht verraten.

Und im Juni wird es wieder eine Ardbeg-Abfüllung geben. Und ich denke, es wird einen Pride II geben. Und natürlich arbeiten wir schon an Projekten für die kommenden Jahre. Man muss weit im Voraus planen.


MM: Was ist der perfekte Glenmorangie für Sie?

Gillian: Ich kehre immer wieder zum Original zurück. Auch wenn die Extra-Mature-Range eine beeindruckende Aromen-Tiefe hat, so ist der Original doch ein Klassiker. Und er ist auch der mildeste und süffigste. Er ist auch das Bindeglied für alle Abfüllungen. Die Antwort ist vielleicht etwas langweilig, die Leute denken immer, dass ich den teuersten oder limitiertesten Whisky nennen sollte, aber der Original ist einfach ein Klassiker, mit dem liegt man immer richtig.

MM: Gillian, herzlichen Dank für das Gespräch.

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