Glenmorangie: Hochglanzleistung in Schottlands Norden (Teil II)

Wenn man von Inverness aus in nördliche Richtung zum Dornoch Firth fährt,  am verträumten Küstenort Tain vorbei, kommt man zur Brennerei Glenmorangie. Hier bin ich mit Annette Mackenzie, der Managerin des Besucher-Zentrums verabredet. Seit Jahrzehnten gehört die schottischen Highland-Destillerie  zu den „Big Five“ der schottischen Whisky-Brennereien, und ich will herausfinden, worin das Erfolgsgeheimnis von Glenmorangie eigentlich liegt. _________________________________________________________________________




Warehouse No 3 ist das älteste Lagerhaus der Brennerei, ganz im traditionellen Stil gebaut, mit dicken, steinernen Wänden und niedrigem, schiefergedecktem Dach. Im Gegensatz zu den vorherigen Produktionshallen, die ich mit Annette besichtigt habe, scheint für den oberflächlichen Betrachter hier wenig zu passieren. Während es in den Wash Backs und Pot Stills brodelt und blubbert, herrscht zwischen diesen alten Steinmauern schläfrige Stille. 
Und doch sind die Prozesse, die hier ablaufen, von enormer Wichtigkeit.

Mehr als 60 % des Geschmacksprofils eines Whiskys entsteht in den Eichenfässern, die hier, nur einen Steinwurf von der Küste entfernt, in der feuchten, natur-klimatisierten Kühle des Lagerhauses in Dreier-Reihen gestapelt liegen. 


Es sind diese Fässer, die viel zum Erfolgsgeheimnis von Glenmorangie beitragen, und deshalb möchte ich von Annette mehr darüber wissen. 
Per Gesetz muss Schottischer Whisky mindestens 3 Jahre in Eichenfässern reifen, doch Holz ist nicht gleich Holz,  und jede Eichenart schmeckt anders. Traditionell werden für schottischen Whisky gebrauchte Fässer benutzt, die Fässer in Warehouse No 3  sind überwiegend aus amerikanischer Weißeiche und waren zuvor schon ca. 4 Jahre lang mit Bourbon gefüllt.
Erst jetzt, während der Lagerung in diesen Ex-Bourbon-Fässern, entstehen  die weichen, süßen, cremigen Aromen von Vanille, Toffee, Ananas und Kokosnuss und die milden, sehr dezenten Holznoten, die typisch sind für Glenmorangie. 


Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass viele Fässer farblich kodiert sind: rot bedeutet erstbefüllt (first fill), schwarz bedeutet zum zweiten mal befüllt (second fill) – der Bourbon  wird nicht mitgezählt. Danach sind schon so viele Aroma- und Farbstoffe ausgewaschen, dass die Fässer den Ansprüchen von Glenmorangie nicht mehr genügen und ausrangiert werden.

Was man nicht sofort erkennen kann, sind die zwei Jahrzehnte intensiver Forschungsarbeit, die in diesen hölzernen Behältern stecken. Es gibt kaum eine Brennerei, die den Einfluss des Holzes auf den Whisky-Geschmack so akribisch untersucht und einen solchen Aufwand mit ihren Fässern betreibt wie Glenmorangie. Viele Experimente wurden in den letzten Jahren mit unterschiedlichen Fassarten durchgeführt, z.B. Sauternes-Fässer, Manzanilla-Fässer, Burgunder-Fässer und und und. Auch das sogenannte Wood-Finishing, das Nachreifen des Whiskys in Sherry- oder Weinfässern, das heute in vielen Brennereien angewandt wird, wurde hier erfunden: 1994 brachte Glenmorangie den ersten Port Wood Finish auf den Markt. Und bis heute überrascht die Brennerei immer wieder mit neuen, limitierten Abfüllungen, die sich aufgrund der unterschiedlichen Fässer auch deutlich in Geschmack und Aroma unterscheiden. 

 

Vierzehn Lagerhäuser hat die Brennerei insgesamt, und in den nächsten zwei Jahren sollen 4 weitere Lagerhäuser dazu kommen. Die Lager sind inzwischen voll bepackt bis unters Dach und jede Woche kommen etwa 1.000 Fässer neu hinzu. Doch kaum weniger wird wöchentlich auch entleert und abgefüllt. Ein Lagerhaus mit "besonderen" Fässern gibt es übrigens nicht, aus Sicherheitsgründen werden die Fässer immer gleichmäßig auf alle Lagerhäuser verteilt, damit man im Falle einer Katastrophe, wie z.B. Überflutung oder bei einem Feuerausbruch, nicht gleich den kompletten Jahrgang oder die komplette Sonderabfüllung verliert.

Als wir Warehouse No 3 schließlich verlassen, bin ich beeindruckt von der Sorgfalt, mit der jeder einzelne Arbeitsschritt überwacht und durchgeführt wird. Doch noch habe ich einen wichtigen Bestandteil des Whiskys nicht gesehen: das Wasser. 

 

Zum Abschluss fahren wir deshalb noch zur nahegelegenen Tarlogie-Quelle, aus der das Wasser sprudelt, das für die Herstellung des Whiskys unerlässlich ist. Um die Wasserversorgung der Brennerei aus dieser Quelle auch für die Zukunft sicherzustellen, hat man 1989 das gesamte, 250 ha große Gelände aufgekauft.

 

Die Quelle ähnelt eher einem wunderschönen kleinen Teich, der in eine abgeriegelte, gepflegte Gartenanlage eingebettet ist. Natürlich möchte ich auch wissen, wie das Wasser schmeckt, und ich erlebe wieder einmal eine Überraschung. 


Denn das Wasser, das hier in der Lehm- und Sandschicht der Quelle an die Oberfläche blubbert, hat eine jahrzehnte lange Reise durch die Kalk- und Sandsteinschichten der Region hinter sich, während der es die Mineralien des Umgebungsgesteins aufgenommen hat, es ist also entsprechend hart und kalkhaltig. Die oft gehörte Behauptung, dass Whisky-Wasser weich und kalkarm sein muss, wird an dieser Quelle eindrucksvoll widerlegt.
 

Viel gelernt habe ich von Annette an diesem Vormittag, und ich verstehe nun auch, warum Glenmorangie ein bisschen anders ist als andere. Und noch etwas habe ich entdeckt, das Glenmorangie abhebt von anderen: es ist der Stolz in den Augen der Mitarbeiter. Annette ist, wie alle anderen, die ich angetroffen habe, sehr stolz auf „ihre“ Brennerei. Und ich kann gut verstehen, warum. Prince Charles kann kommen, bei Glenmorangie ist man bereit. 

 

Von Inverness aus ist die Brennerei bequem erreichbar und ganzjährig für Besucher geöffnet, im Sommer auch Samstags und Sonntags. Eine Führung kostet derzeit 5£ und beinhaltet auch eine Whiskyprobe. 

Connaisseur-Touren mit einem umfangreicheren Tasting am Ende werden jedoch leider (noch) nicht angeboten.


(hier geht's zu Teil 1)



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