Glenmorangie: Hochglanzleistung in Schottlands Norden (Teil I)

Wenn man von Inverness aus in nördliche Richtung zum Dornoch Firth fährt,  am verträumten Küstenort Tain vorbei, kommt man zur Brennerei Glenmorangie. Hier bin ich mit Annette Mackenzie, der Managerin des Besucher-Zentrums verabredet. Seit Jahrzehnten gehört die schottischen Highland-Destillerie  zu den „Big Five“ der schottischen Whisky-Brennereien, und ich will herausfinden, worin das Erfolgsgeheimnis von Glenmorangie eigentlich liegt. _________________________________________________________________________

  




Schon bei der Ankunft präsentiert sich die Brennerei malerisch mit ihren hellgelben Natursteinmauern, den leuchtend roten Türen und Toren, und gepflegten Außenanlagen. Sie ist eine der schönsten Brennereien, die ich auf meiner Reise durch Schottlands Norden besuchen konnte.
Als mich Annette Mackennzie, die Managerin des Besucherzentrums, an diesem Morgen durch die gesamte Anlage führt, staune ich auch im Innenbereich über strahlend schöne Sauberkeit. Kein Staubkörnchen, keine Schmutzreste, keine vergessene Schmuddelecke kann ich entdecken, alles ist frisch geputzt, frisch gestrichen, frisch poliert.
Ich putze meine Wohnung selbst, ich weiß, mit wieviel Aufwand eine solche Reinlichkeit verbunden ist. Doch als ich sehe, dass selbst die Deckenlampen über den Wash Backs frisch geputzt sind, werde ich stutzig. Und als ich nachfrage, verrät mit Annette mit einem schelmischen Grinsen auch den Grund für diese Hochglanzleistung: königlicher Besuch hat sich angesagt, Prince Charles, der in Schottland den Titel Duke of Rothesay trägt, wird die Brennerei nur wenige Tage nach mir besichtigen. Für den Thronanwärter ist einem echten Schotten eben nichts zuviel.


Der königliche Besuch kommt nicht von ungefähr, denn die Brennerei hat einen runden Geburtstag zu feiern: sie wird in diesem Sommer 170 Jahre alt. 
1843 wurde sie von einem gewissen William Matheson offiziell gegründet, doch illegal wurde seit mindestens 1738 auf dem Gelände der ehemaligen Morangie-Farm Whisky gebrannt.
Der gute William würde staunen, wenn er das Gelände heute sehen könnte. Immer wieder wurde bei Glenmorangie umgebaut und vergrößert, die letzte bedeutende Erweiterung fand erst vor wenigen Jahren statt, und 2011 wurde auch das Besucherzentrum komplett neu gestaltet und gilt heute als eines der besten in Schottland. 



Doch die Ambitionen der Brennerei beschränken sich nicht nur auf Äußerlichkeiten. Seit  der Luxusgüterkonzern LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy) die Brennerei 2004 übernahm, liegt die Meßlatte hoch bei Glenmorangie. Man will nicht nur gut sein, sondern mehr als gut. Und das möchte Annette den Besuchern der Brennerei auch beweisen.

Sie führt mich zunächst zum Mill House, wo das Gerstenmalz angeliefert und gemahlen wird. Bis 1977 stellte die Brennerei noch ihr eigenes Malz her, doch wo früher die Mälzböden waren, befindet sich heute das neue Mash House, das wir als nächstes betreten. Hier wird das gemahlene Malz, der sogenannte "Grist", weiterverarbeitet. Dazu wird er in einem riesigen Behälter, der "Mash Tun", mit heißem Wasser vermischt und etwas 5 Stunden bei 63.5 C° eingeweicht. Die Stärke, die in der Gerste enthalten ist, wird durch diesen Prozess in jene Zuckermoleküle umgewandelt, die zur Bildung des Alkohols dringend benötigt werden.

 

Die Zahlen, mit denen mich Annette jetzt bombardiert, sind beeindruckend: Mehr als 300 Tonnen Malz werden wöchentlich angeliefert, zu Grist gemahlen und in 32 Chargen in der Mash Tun weiterverarbeitet. 9,8 Tonnen Grist fasst die Mash Tun derzeit pro Charge, bei einem Produktionszyklus von ungefähr 5 Stunden ist mit 32 Chargen pro Woche die Kapazitätsgrenze erreicht, es wird rund um die Uhr gearbeitet, auch am Wochenende. 

 

Die heiße Flüssigkeit, oder "Wort", die bei diesem Prozess entsteht, wird nach dem Verlassen der Mash Tun zunächst abgekühlt und dann in 12 große Behälter aus Edelstahl, die Wash Back, weitergeleitet, wo unter Zugabe von Flüssighefe die Fermentation beginnt - erst jetzt entsteht der Alkohol. 

Jimmy MacKay
Knapp 50.000 Liter Flüssigkeit fassen die Wash Back, und im Laufe der nächsten 52 Stunden entsteht nicht nur der Alkohol, sondern auch die Fruchtaromen von Apfel, Birne, Banane und Ananas, die typisch für Glenmorangie sind.

Schließlich führt Annette mich in den Raum, auf den ich mich am meisten freue: das Still House, die große Halle mit den riesigen Brennblasen. 
Die höchsten Brennblasen in Schottland stehen hier, und man ist mächtig stolz darauf. 5,14 Meter hoch sind sie - angeblich so groß wie eine ausgewachsene Giraffe. Ich bin beeindruckt, als ich die Halle betrete, die Pot Stills wirken tastsächlich so erhaben, majestätisch und grazil, wie man es von einer Gruppe Giraffen erwarten kann. Annette mag den Vergleich mit diesen langhälsigen getupften Tieren jedoch nicht so besonders, sie vergleicht die Stills lieber mit Schwänen - der langen, elegant gebogenen Hälse wegen. Ich mag Giraffen, aber vielleicht sind sie Annette nicht schottisch genug. Wer genau hinschaut, erkennt, dass die Stills auf der linken Seite etwas größer sind, hier stehen die sogenannten Wash Stills, in denen der Rohbrand hergestellt wird, während auf der rechten Seite, in den etwas kleineren Spirit Stills, der Feinbrand entsteht.


Mit 2 gebrauchten Gin-Brennblasen nahm William Matheson 1849 die Produktion auf, und es dauerte bis 1980, ehe die Anzahl der Stills von 2 auf 4 erweitert wurde. Doch seither ist die Produktion kontinuierlich gestiegen, und die Anzahl der Stills hat sich inzwischen auf 12 erhöht. Und noch immer gleichen die Pott Stills in Form, Material und Aussehen exakt jenen beiden kupfernen Gin Stills, mit denen William Matheson vor langer, langer Zeit den allerersten Glenmorangie brannte.

 

Bis zu 60.000 Hektoliter Alkohol werden heute pro Jahr produziert, und noch immer ist kein Ende des Booms in Sicht. Nur vier Jahre nach der letzten Erweiterung gibt es bereits Pläne, die Halle erneut zu vergrößern und 2 weitere Stills hinzuzufügen.

Und dann hat Annette noch eine besondere Überraschung für mich: Sie öffnet tatsächlich den Spirit Safe und entnimmt ein Gläschen des frisch gebrannten Feinbrands für mich!


Ein bißchen vorsichtig bin ich zunächst, denn ich bin unsicher, was mich geschmacklich erwartet. Dann die große Überaschung: der New Make von Glenmorangie ist so lecker wie ein guter Obstbrand, leicht, mild und aromatisch, die Fruchtaromen sind deutlich wahrnehmbar. Doch im Zentrum des Geschmacks, dort, wo beim Obstler die Kirsche oder Mirabelle ruht, liegt das Gerstenmalz! Zu gerne hätte ich das Gläschen mit diesem Malzler leergetrunken, doch es ist noch früher Vormittag, ich lasse es dann doch lieber bleiben.


Es sind die hohen Brennblasen bei Glenmorangie, die für diese feinen Aromen verantwortlich sind. Denn die schweren, öligen, mitunter unangenehmen Molekülverbindungen, die den Genuß des New Make sehr schnell trüben können, bleiben bei Glenmorangie in den hohen Röhren regelrecht auf der Strecke. 
Der Stillman freut sich, dass ich vom Geschmack so begeistert bin, und erklärt mir danach bereitwilligt die Technologie, die dahinter steht. 
Eigentlich klingt alles ganz einfach: Die Maische wird über Rohre in die 6 Wash Stills geleitet, dann erhitzt, zum Verdunsten gebracht, abgekühlt, in die Spirit Stills geleitet, und nochmal destilliert.

Kenny MacDonald
  
Das so gewonnene Destillat wird in den Spirit Safe geleitet, und die ersten 20 Minuten wird der Vorlauf wieder zurück in die Wash Stills geleitet. Erst dann beginnt der eigentliche Mittellauf, der Middle Cut, der 71-62% Alkohol enthält und etwas länger als drei Stunden läuft. Danach kommen die "Feints", der Nachlauf, die wieder in die Wash Stills zurückgeführt werden, weil man sie nicht haben will. 


Der so gewonnene Mittellauf wird anschießend mit frischem Quellwasser auf 63,5% Alkohol verdünnt, in Fässer abgefüllt und für mindesten 10 Jahre zum schlafen geschickt. Eigentlich ganz kinderleicht, nicht wahr?
Doch ich gebe zu, Technologie ist nicht mein Steckenpferd, und deshalb verzichte ich darauf, das Thema zu vertiefen und gehe mit Annette weiter zu den Lagerhäusern.


 (hier geht's zu Teil II)



 

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