Hier stinkt was: Die Schattenseiten des Irischen Whiskey-Wunders


Kaum ein Bereich der Getränke-Industrie wächst derzeit so rasant wie Irischer Whiskey. Die sogenannte Irische Whiskey-Renaissance hat unzählige neue Brennereien und Marken hervorgebracht. Doch wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Wühlen wir doch mal ein bisschen in den dunkleren Ecken herum....

Graphik: BordBia.ie

Irischer Whiskey ist derzeit der am schnellsten wachsende Spirituosen-Bereich weltweit. Die Zahlen, die von der staatlichen Agentur Bord Bia für 2016 vorgelegt wurden, waren eindrucksvoll: Whiskey machte im vergangenen Jahr  36% aller  irischen Getränke-Exporte aus, und wies eine Wachstumsrate von 8% auf. Mit einem derzeitigen Wert von 505 Millionen Euro ist dieses Segment ein wichtiger Export-Zweig geworden.

Innerhalb von nur 10 Jahren hat die Irische Whisky-Industrie ein Wachstum von über 300% erlebt. Doch was hat diesen Boom eigentlich ausgelöst? Und wo kommt der ganze Whiskey her, der uns derzeit aus Irland in immer größeren Mengen erreicht? Ist die Vielzahl tatsächlich so groß, wie die vielen Namen vermuten lassen? Die wunderschönen Label auf so mancher Abfüllung verraten leider selten die Wahrheit.

Jahrzehnte langes Monopol


Die Iren berufen sich gerne auf ihre alte Whiskey-Tradition, wenn es um das Marketing ihrer neuen Produkte geht. Im 18. und 19. Jahrhundert gab es Hunderte von Brennereien im Land. Doch das ist lange her. Die amerikanische Prohibition, zwei Weltkriege, der Unabhängigkeitskampf und der Verlust der britischen Exportmärkte einerseits und eine verfehlte Steuerpolitik der neuen irischen Regierung andererseits führten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem dramatischen Zusammenbruch der irischen Whiskey-Industrie.

1966 waren in der Republik Irland von den einstmals unzähligen Brennereien nur noch die Cork Distilleries Company, John Jameson & Son und John Power & Sons übriggeblieben, die sich zu Irish Distillers zusammenschlossen und ihre gemeinsame Brennerei nach Midleton verlegten. 1972 wurde auch die nordirische Bushmills von Irish Distillers Company übernommen, und die gesamte Whiskey-Produktion in Irland war nun in einer Hand.

Diese Monopol-Stellung hatte gravierende Folgen für die gesamte Branche: Unabhängige Abfüller und weiterverarbeitende Produzenten wurden immer seltener beliefert, und eine reich verzweigte Whiskey-Industrie, wie wir sie aus Schottland kennen und wie sie in Irland einstmals existiert hatte, gab es am Ende nicht mehr. Whiskey, der uns in jenen Jahren aus Irland erreichte, war vor allem eins: preiswert und monopol-gesteuert. Die Übernahme von Irish Distillers durch den internationalen Konzern Pernod Ricard verschärfte die Situation nur noch.

Die neue Goldgräber-Stimmung


Erst die Gründung der Cooley-Brennerei durch John Teeling 1987 brachte eine Veränderung: Als unabhängige Brennerei war sie keiner Konzernstrategie unterworfen und belieferte auch wieder Dritte. Als Cooley 2011 an Beam Suntory verkauft wurde, war die Trauer zunächst groß. Doch die eigentliche Sternstunde von Cooley sollte jetzt erst beginnen, wie wir weiter unten noch sehen werden. 

Der allgemeine, weltweite Whiskey-Boom, der nach der Jahrtausend-Wende allmählich begann, erfasste vor einigen Jahren auch die Irische Insel. Eine Goldgräber-Stimmung herrschte plötzlich im ganzen Land, und neue Brennereien schossen wie Pilze aus dem Boden: Blackwater, Connacht, Dingle,  Echlinville, West Cork, Great Northern,  Teeling, Waterford, Walsh, The Shed, Tullamore, Pearse Lyons, Slane Castle und Rademon Estate entstanden innerhalb von wenigen Jahren. 14 weitere Brennereien wurden lautstark angekündigt.

Doch genau hier fängt der Fisch an zu stinken. Denn die meisten von ihnen haben sofort eine oder mehrere Abfüllungen auf den Markt gebracht. Aus der eigenen Produktion stammt dieser Whiskey jedoch nicht – das ist gar nicht möglich. Denn zwischen Produktionsbeginn und dem Verkauf der ersten Abfüllung müssen mindestens drei Jahre vergehen, sonst darf sich das Produkt nicht Whiskey nennen. 

Das alleine wäre gewiss nicht verwerflich, denn nur die wenigsten der neuen Brennereien verfügen über genügend Kapital, um drei Jahre lang auf Einnahmen verzichten zu können. Es ist vielmehr die Art und Weise der Vermarktung, die zunehmend auf Kritik stößt. Denn die Mehrzahl der neuen Anbieter tut so, als ob der Whiskey bereits aus ihrer eigenen Brennerei stammt. Und das ist in den Augen von vielen Insidern Betrug am Kunden.

Die Gemüter erhitzt hat vor kurzem eine 10jährige Abfüllung von Hyde, die den Anschein erweckt, aus der Produktion von „Master Distiller Patrick Harnedy“ und den „Hibernia Distillers“ zu stammen. Doch eine Hibernia Distillery gibt es nicht.

Auch die Pressemeldung eines „Titanic Whiskey from the Belfast Distillery Company based at Crumlin Road Gaol“ führt die Kunden in die Irre. Es gibt die Crumlin Road Gaol Brennerei (noch) nicht. Und „The Silkie Legendary Irish Whiskey“ wurde ganz gewiss nicht in der Sliabh Liag Distillery gebrannt, auch wenn uns die Werbung das vorgaukelt. Pearse Lyons, die vor kurzem in Dublin eine Brennerei eröffneten, haben ebenfalls schon vier Abfüllungen am Start, über deren Ursprung spekuliert werden kann.

Es gehört nicht allzu viel Recherche-Arbeit dazu, um herauszufinden, woher der Whiskey tatsächlich stammt. Nur drei Brennereien sind derzeit in der Lage und willens, andere Anbieter mit Whiskey zu beliefern: Midleton, Bushmills und West Cork. Doch die Menge der Abfüllungen, die aus diesen drei Brennereien stammt, ist vergleichsweise gering. Der größte Teil stammt aus einer anderen Quelle: aus dem Lager von John Teeling, dem Gründer der Cooley Distillery.

Das Spiel mit der Vielfalt


Als John Teeling vor sechs Jahren seine Brennerei an Jim Beam verkaufte, war ein großer Teil seiner Lager-Bestände vom Verkauf ausgenommen. Und es sind genau diese alten Teeling-Bestände aus der Cooley-Brennerei, die den Grundstein legten für die enorme Vielfalt an Marken und Abfüllungen, mit denen wir derzeit aus Irland verwöhnt werden. Über die Herkunft wird jedoch bei den Dritt-Anbietern Stillschweigen bewahrt.

Ist diese Vielfalt nur eine vorgegaukelte Illusion, wie viele Kritiker behaupten? Werden wir mit Namen von Brennereien geblended, die gar nicht existieren, und in Wirklichkeit mit einer Vielfalt an Cooley-Clonen überschwemmt? Oder liegt in den Lagerhallen von John Teeling auch eine Chance für die Zukunft?

Nicht alle Anbieter sind den Weg des Verschleierns und Vertuschens gegangen. Jason Stubbs von Barr an Uisce oder Louise McGuane von ChapelGate beispielsweise haben von Anfang die Karten offen gelegt und keinen Zweifel daran gelassen, woher sie ihren Whiskey beziehen.

Sie wollen, ähnlich wie die Unabhängigen Abfüller in Schottland, die Whiskey-Szene bereichern, indem sie ihre Fässer besonders hegen und pflegen, und mit besonderen Mischungen und Finishes dem Whiskey ihren eigenen Stempel aufdrücken. Und in wenigen Jahren werden viele der neugegründeten Brennereien tatsächlich ihr eigenes Produkt auf den Markt bringen können.

Und genau darin liegt auch die große Chance der irischen Whiskey-Renaissance. Über mangelnde Qualität kann sich der Kunde derzeit kaum beklagen, die Mehrzahl der Abfüllungen, die aus Irland nach Deutschland kommen, stammen von kleinen, privaten Firmen, haben eine ausgezeichnete Qualität, und unterscheiden sich immer wieder durch interessante, deutliche Nuancen. .

Die neue Irische Whiskey Industrie ist noch jung, und es fehlen verbindliche Regularien, wie sie die schottische Whisky-Industrie im Laufe der Zeit entwickelt hat. In Irland finden wir derzeit nicht nur etablierte Brennereien, die über ausreichend Bestände an gereiftem und altem Whiskey verfügen, sondern auch junge Brennereien, die gerade erst die Produktion aufgenommen haben oder noch gar nicht existieren, aber bereits ihren zugekauften Whiskey unter eigenem Namen verkaufen, als käme er aus den eigenen Brennblasen. Ähnliche Probleme lassen sich auch in den USA beobachten, wo viele Anbieter ihren Whiskey bei MGP in Indiana kauften, und dann unter eigenem Brennerei-Label als „Craft-Whiskey“ für teures Geld auf den Markt brachten.

Doch das Spiel mit der Unwissenheit der Kunden wird nicht dauerhaft funktionieren. Die Irische Whiskey-Industrie steht derzeit an einem Scheideweg, und muss dringend für mehr Klarheit sorgen. Bis dahin wird uns wohl noch so manche Debatte über irreführende Flaschen-Etiketten bevorstehen.

mehr zum Thema:

Irische Destillerien

Interview mit Louise McGuane

Kommentare

  1. mehr Transparenz wäre tatsächlich besser!

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  2. Es würde den werdenden Destillerien nicht schaden, sich offen als unabhängige Abfüller zu bezeichnen, solange sie nichts Eigenes in die Flasche bringen können.

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