Die Rückkehr des Fass-Wunders: Glenmorangie Astar und der Beginn der Aroma-Forschung

Glenmorangie Astar. Erinnert ihr euch noch? 2008 ist er erstmalig erschienen, und hat für mich den Beginn einer Zeitenwende markiert. Heute sind üppige Vanille-Aromen nichts besonderes mehr. Damals waren sie neu und aufregend, und viel Forschungsarbeit in den Wäldern von Missouri und in den Labors in Edinburgh waren vorausgegangen. Lange Zeit war der Astar vergriffen. Jetzt ist das Fass-Wunder aus den Ozark Mountains zurückgekehrt. Doch wie fing die Geschichte eigentlich an?



Ja, ich mag Vanille. Im Eis, im Kuchen, im Parfum und auch im Whiskey. Doch anders als bei den drei erstgenannten darf das Vanille-Aroma beim Whiskey nicht künstlich zugesetzt werden, es muss über die Fassreifung in die Spirituose gelangen. Deshalb braucht man für den Vanille-Geruch im Whisky auch die richtigen Fässer.

Heutzutage ist das alles kalter Kaffee. Jeder selbst ernannte Whisky-Experte kann dir was über Fass-Aromen erzählen, und dass du Bourbon-Fässer brauchst, um die Vanille in den Whisky zu kriegen. Doch dieses Wissen ist beileibe nicht so alt, wie du jetzt vielleicht vermutest. Und  die Whisky-Vanille war Ende der 1980er Jahre sogar massiv vom Aussterben bedroht.

Das Scotch Whisky Forschungs-Zentrum in Pentlands


Damals steckte die schottische Whisky-Industrie in einer Krise, die Absatzzahlen waren drastisch gesunken, Whisky war innerhalb von einem Jahrzehnt plötzlich unbeliebt geworden. Die Produzenten fingen an, Ursachen-Forschung zu betreiben. Unterstützt wurden sie dabei vom Scotch Whisky Research Institute in Pentlands, das 1974 von sieben schottischen Brennereien gegründet worden war. Dort hatte man sich bereits seit einigen Jahren intensiv mit der Aroma-Forschung befasst, und 1979 das Aroma-Rad entwickelt, das wir heute alle so gerne bei Tastings benutzen.  Die Erkenntnisse in jener Zeit waren bahnbrechend für die weitere Entwicklung.
 
Brand-Ambassador Karen Fullerton gewährt mir Einblick in die damaligen Studien des Pentlands Institutes

Das Forschungszentrum erkannte recht schnell, dass einer der Gründe für die Misere in den damaligen Fässern steckte. In den 80er Jahren wurden viele Fässer in der schottischen Whisky-Industrie bis zu fünf mal wieder verwendet. Doch mit jedem Einsatz sank der Vanille- und Fruchtgehalt. Während in den 1950er und 60 Jahren der Anteil an erst- und zweit-befüllten amerikanischen Fässern sehr hoch war, dominierten in den 80er Jahren die ausgesaugten Exemplare in den Lagerhallen.

Studien des Pentlands Institutes zur Auswirkung der Fässer auf das Aroma-Profil eines Whiskys

Die Schotten hatten es versäumt, auf die Qualität ihrer Fässer zu achten, und der Vanillin-Gehalt war ein wichtiger Indikator. Eine Graphik aus einem Studie des Forschungs-Instituts zeigt eindrucksvoll, dass der Vanillin-Gehalt im Schottischen Whisky im Schnitt von 3,5 Gramm pro Liter Alkohol Anfang der 80er Jahre im Laufe von nur einem Jahrzehnt auf bescheidene 1,5 Gramm gesunken war.

Brand Ambassador Karen Fullerton hatte mir vor einigen Jahren einen tieferen Einblick in die Forschungsergebnisse des Pentlands Institutes gewährt. Ich habe damals an einem Nachmittag mehr über Whisky gelernt als bei allen Whisky-Tastings zuvor zusammen genommen. 

Radikale Trendwende

In der Schottischen Whisky-Industrie hat seither ein radikaler Umbruch stattgefunden. Während früher ein gutes Fass eher ein Zufalls-Produkt war, wird mittlerweile durch den gezielten Neu-Erwerb von Fässern das Aroma-Profil eines Whiskys gestaltet.

Glenmorangie - damals noch im Besitz von MacDonald Martin - gehörte zu jenen Firmen, die eng mit dem Forschungszentrum zusammen arbeiteten. Wood-Management wurde über Nacht zu einem zentralen Produktionselement. Eine der ersten Maßnahmen war der Umstieg von der Dreifach-Belegung auf eine Zwei-Fachbelegung der Fässer, und es folgten Jahre der intensiven Studien über die Auswirkung der verschiedenen Holzarten auf den Whisky-Geschmack und die Aromen-Fülle.

Vom Baum zum Fass. Aufwändiges Wood-Management bei Glenmorangie

Sogar nach Amerika in die Wälder von Missouri reiste man, um in Zusammenarbeit mit den dortigen Fass-Produzenten jene Bäume zu finden, die den höchsten Gehalt an Vanillin versprachen. Das Ergebnis war der Glenmorangie Astar. Dass Glenmorangie dort sogar Wälder aufgekauft hat, ist allerdings nur ein Gerücht.

Glenmorangie Astar ist für mich die Kulmination von jahrelanger Forschungsarbeit und Besessenheit auf der Suche nach den besten Whisky-Aromen. Und allein schon deshalb habe ich vor dieser Abfüllung großen Respekt.

Meine Tasting-Notes zur Neuauflage gibt es [hier]

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