Interview: Dr. Bill Lumsden, Ardbeg (Teil I)

Als ich vor ein paar Tagen die „Chef-Nase“ von Ardbeg und Glenmorangie, Dr. Bill Lumsden, in Frankfurt traf, hatte ich auch die Gelegenheit, ihm ein paar Fragen zu stellen. Eine halbe Stunde hat das Interview (in englischer Sprache) insgesamt gedauert. Die Aufzeichnung des Interviews werde ich  im Lauf der kommenden Woche noch  hochladen, doch hier ist zunächst die deutsche Übersetzung für all diejenigen, die in der Schule ihre Vokabel nie gelernt haben;-)




MM: Was unterscheidet Ardbog von den bisherigen Abfüllungen bei Ardbeg?
Bill: Das ist eine interessante Frage als Einstieg, denn unterschiedliche Whiskys unter dem Label von Ardbeg herauszubringen ist eine große Herausforderung, es ist leichter mit Glenmorangie, der ein recht zarter Whisky ist, da kann man den Geschmack leichter verändern. Aber an der Basis von Ardbeg steht immer dieses ganz stark getorfte Gerstenmalz, hier unterschiedliche Geschmacksvarianten zu erschaffen ist immer eine schwierige Aufgabe.

Bei Ardbog hatte ich vor allem die Naturelemente im Sinn, die den Whisky auf Islay beeinflussen. Die meisten Leute denken ja, dass das Wetter auf Islay sehr extrem ist, mit vielen Stürmen, nass, kalt, aber so ist es gar nicht, es ist eher ein Mikroklima. Jacky Thomson, mein Visitor Center Manager,  hat mir vor 2 Jahren Photos geschickt von Ardbeg im Schnee, was an der Westküste so gut wie nie passiert, denn das Wetter ist meist sehr mild.

Doch ich dachte vor allem an die Naturelemente, an das torfige Wasser, an die Seeluft, und ganz besonders an die Torfmoore. Wenn man über Islay fährt, sieht man überall Torfmoore und Torf, der zum Trocknen ausgelegt ist und Menschen, die gerade dabei sind, den Torf zu stechen. Denn Torf ist das Herzblut der Insel. Ursprünglich wurde Torf abgebaut, um damit die Häuser zu heizen und zu kochen, aber heutzutage wird Torf nur noch in der Whiskyproduktion eingesetzt. Ich dachte also an diese Elemente und dachte darüber nach, wie ich das Wesen dieser salzigen, sumpfigen, marschigen Torfmoore einfangen könnte.
Wir nennen das auch „Peat Marsh“, aber der schottische, gälische Begriff für ein Torfmoor ist „Bog“, und als ich der Marketing-Abteilung von meinen Ideen berichtete, waren sie sofort begeistert und erfanden den Namen „Ardbog“. Dann haben sie es mir überlassen, den Whisky dafür zu schaffen. Peatbogs haben diesen erdigen, salzigen Charakter. Natürlich ist es nicht zulässig, Salz oder irgendwelche Aromen zu einem Whisky hinzuzufügen, wie etwa Anchovies, oder Oliven, oder sonst etwas, das ich in meinen Tasting-Notizen erwähne.

Ich dachte also an meine Vorliebe für Wein, und an Weinarten, die eine solche salzige Geschmacksnote haben, und natürlich an  Manzanilla-Sherry aus Sanlúcar de Barrameda, der  berühmt für seine salzige, maritime Note ist. Jedes Jahr lege ich bei Ardbeg kleine Mengen von ungewöhnlichen Fässern an, und das tue ich schon seit vielen Jahren, mit der Idee, dass vielleicht in der Zukunft, wenn mir das Ergebnis gefällt, diese individuellen Fässer in einen limitierten Ardbeg einfließen werden.

Diese Manzanilla-Fässer habe ich vor ca. 10 Jahren gekauft. Der Whisky, der im Ardbog Verwendung fand, ist unterschiedlich alt, wobei das Durchschnittsalter etwa 10 Jahre ist, aber das Alter ist nicht das wichtigste Kriterium für mich, es ist viel mehr der Charakter des Whiskys. Das Herz des Rezeptes besteht aus Ardbeg, der in diesen 500-Liter-Manzanilla-Sherry-Butts gereift ist, im Gegensatz zu den Oloroso-Sherry-Fässern, die ich für den Uigeadail verwende, und diese salzige, aromatische Note der Fässer ist tatsächlich auch im Whisky zu finden.

MM: Es ist interessant, dass Sie die salzige Note der Manzanilla-Fässer erwähnen. Auch bei Glenmorangie, ihrer zweiten Brennerei, wird derzeit viel über Manzanilla-Fässer gesprochen. Es fällt mir schwer, mir einen Glenmorangie mit einer Salznote vorzustellen. 

Bill:  Bei Glenmorangie haben wir sozusagen den Gegenpart. Die Manzanilla-Fässer für Glenmorangie habe ich ungefähr zur gleichen Zeit gekauft wie jene für Ardbeg, vor etwa 10 Jahren. Ich habe allerdings reifen Whisky hineingegeben, es war eher als ein Experiment gedacht. Sie haben wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Cask-Masters-Serie davon gehört. Es ist meine Lieblings-Variante, weil dieser Whisky so ganz anders ist. Vielleicht nicht der schönste Glenmorangie, den ich jemals gemacht habe, aber ganz anders und interessant. Aber die Manzanilla-Fässer passen ganz zweifellos sehr viel besser zu Ardbeg, wovon ich von Anfang an überzeugt war.

MM: Wird bei Ardbeg immer noch Torf gestochen?

Bill: Oh ja, wir besitzen die Rechte zum Torfstechen, aber der Löwenanteil am Torf auf Islay geht mittlerweile in die zentrale Mälzerei, nach Port Ellen, die von unseren Freunden bei Diageo betrieben wird. Ungefähr 80% des Malzes von Ardbeg kommt von Port Ellen, wir mälzen nicht mehr selbst. Es ist mein Traum, ehe ich mich in den Ruhestand verabschiede, noch die Mälzerei von Ardbeg wieder zu eröffnen. In finanzieller Hinsicht macht es keinen Sinn, es wäre verrückt, aber es hat ja nicht nur mit Geld zu tun, sondern auch mit Leidenschaft.

MM: Die Fans von Ardbeg würden sich das natürlich wünschen.

Bill: Oh ja, die Ardbeg-Anhänger wären sehr glücklich. Es gibt zwei Fragen über Ardbeg, die man mir immer wieder stellt: Frage 1: „Bill, wann wirst du wieder einen Ardbeg 17 Jahre herausbringen“. Meine Antwort darauf ist „Niemals“, denn ich glaube nicht, dass ich ihn noch einmal genau so erschaffen könnte, und ich will niemanden enttäuschen, und die zweite Frage ist immer, wann Ardbeg die Mälzerei wieder eröffnen wird.

MM: Haben die Torfstecher bei Ardbeg auch tatsächlich interessante Dinge im Torf gefunden? 

Bill: Oh ja, man findet immer wieder viele kleine Teile, Kunstwerke, Werkzeuge, Messer, Jagdgeräte, gelegentlich auch Tier-Skelette, man findet immer etwas, wenn man gräbt – natürlich nicht jedes mal -  und einige der Werkzeuge haben wir auch in der Brennerei ausgestellt. Wenn man in den Torf hineingräbt, 10-15 Fuß tief, stößt man in Schichten vor, die viele tausend Jahre alt sind. Wenn Leute nicht wissen, was Torf ist, sage ich immer, wenn man den Torf ein paar Millionen Jahre liegen lässt, wird Kohle daraus, aber wir bauen ihn vorher ab.

MM: Ich kenne kaum eine andere Brennerei, die einen solchen Kult-Status erreicht hat wie Ardbeg. Haben Sie eine Erklärung für dieses Phänomen?

Bill: Ehrlich gesagt, ich bin mir nicht ganz sicher. Meiner Meinung nach gibt es vielleicht 2, oder auch 3-4 Brennereien in Schottland, die diesen erstaunlichen Kult-Status erreicht haben. Eine ist z.B. Springbank in Campbeltown. Zunächst einmal ist das Produkt außergewöhnlich gut und sehr ungewöhnlich, und zweitens ist es bis vor etwa 10 Jahren sehr schwierig gewesen, Ardbeg zu erhalten, ähnlich wie Springbank, wegen der sehr geringen Produkionskapazität, und diese Knappheit trägt mit zu dem Kultstatus bei.

MM: Es ist immer noch schwierig, und die Fans sind schon besorgt, ob sie eine Flasche Ardbog erhalten werden oder ob sie ihn teuer auf Auktionen erwerben müssen. 

Bill: Es tut mir immer leid, wenn Menschen so viel Geld dafür bezahlen müssen, aber das ist wohl unvermeidbar. Wenn ich das Produkt in einer Auflage von mehreren hunderttausend Fässern herstellen würde, wäre es auch nicht mehr so interessant. Und es sind ja alles auch Experimente. Natürlich kommt nicht jedes Experiment am Ende in die Flasche, manchmal denke ich auch, na ja, und dann mische ich es irgendwo unter. Aber diejenigen, die mir gut gefallen, fülle ich auch ab. Aber ich verstehe, dass es schwierig ist, dass jeder eine Flasche bekommt.

MM: Gibt es Experimente, die Sie niemals mit Ardbeg machen würden?

Bill: Ich glaube, nur solche Experimente, die gegen das Gesetz verstoßen. Natürlich ist das Gesetz, das unser Produkt kontrolliert, auch sehr streng. Es ist nur gemälzte Gerste, Wasser und Hefe erlaubt, der Whisky muss mindestens 3 Jahre in Schottland in Eiche-Fässern gereift sein, aber als Wissenschaftler denke ich gerne, dass ich fast alles probieren möchte. Meine Hauptverantwortlichkeit liegt jedoch weniger darin, aufregende, sexy Versionen herauszubringen, sondern vielmehr den wesentlichen Haus-Charakter von Glenmorangie und Ardbeg zu erhalten. Ich würde wohl nichts tun, was dem zuwiderliefe. Ich würde vermutlich meinen Job verlieren, wenn ich das täte. Aber die Antwort auf diese Frage ist, ja, ich führe alle möglichen Arten von Experimenten durch, und ich habe derzeit auch einige sehr verrückte Experimente laufen...

MM:  Ist das ein oder andere Experiment schon spruchreif?

Bill: Ja, ein Experiment ist teilweise spruchreif. Deutschland ist ja ein Land mit einer großen Biertradition, ebenso wie Belgien, das ja für zahlreiche Biersorten berühmt ist, z.B. Abbey-Bier, Trappisten-Bier, und dieses interessante Lambic Bier, oder Geuze. Beim Lambic wird eine Gerstenmaische hergestellt, und dann nimmt man die Bierwürze, aber es wird keine Hefe zugesetzt, man lässt die Behälter einfach offen stehen. Mickey (Michael Heads, Distillery Manager) und ich haben das bei Ardbeg probiert. Die Ergebnisse sind – spannend.

MM: Besteht die Möglichkeit, dass wir das Ergebnis eines Tages sehen werden?

Bill:  Ja, vielleicht, in nicht allzu ferner Zukunft, ich bin noch nicht ganz sicher, was den Geschmack anbelangt.

MM: Einige Brennereien, z.B. Talisker, experimentieren mit wiederaufbereiteten Fässern. Besteht die Möglichkeit, dass wir solche Fässer auch eines Tages bei Glenmorangie oder Ardbeg sehen werden? 

Bill: Das einzige Mal, als ich solche Fässer benutzt habe –  man setzt hier Metallbürsten ein, die die Fässer ausschaben, und dann wird das Fass wieder ausgebrannt –  das einzige Mal war für einige Batches bei Glenmorangie, und ich habe das nur deshalb gemacht, weil der Whisky 100% Bio-Whisky sein sollte, und ich musste ganz bestimmte Fässer haben, um die Kriterien der Soil Association zu erfüllen und die Zertifizierung zu erhalten. Aber ich sehe keinen Sinn darin, für mich ist ein solches Fass nicht so gut wie ein frisches Ex-Bourbon- oder Ex-Sherry-Fass, und die Firmen, die das machen - und es gibt eine große Firma, die das tut -  wollen vor allem Geld sparen. Mich begeistert das nicht wirklich. Allerdings habe ich schon alles mögliche mit Fässern angestellt...

Im zweiten Teil des Interviews redet Dr. Lumsden unter anderem über die Zukunft von Corryvreckan, das Committee-Bottling bei Ardbeg, Alligator und die Frauen in seinem Team.
Hier geht es weiter zu Teil II


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