The Macallan: Whisky zwischen Kunst, Kultur und Kommerz. Teil II.

The Macallan ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme-Erscheinung, und die Marketing-Abteilung der Brennerei wirft lautstark mit allerlei Superlativen um sich. 

Die kleinsten Brennblasen. Die besten Rohstoffe. Die teuersten Fässer. Die schönsten Flaschen. Die höchsten Preise.

Doch der Weg an die Spitze war lang und nicht immer  einfach.

Teil II
 
Farb-Lehre bei  Macallan.      Bild: margaretemarie

 

Drei Schwestern


1961 ist für die Brennerei The Macallan die Welt in Ordnung. Die Geschäfte laufen gut. So gut, dass sich die damaligen Besitzer entschließen, das Easter Elchies House samt dazugehörigem Großgrundbesitz zu kaufen.

Zur gleichen Zeit fassen  im schottischen Glasgow drei Schwestern einen bedeutsamen Entschluss, der für die Brennerei The Macallan mehr als drei Jahrzehnte später weitreichende Folgen haben sollte.

Denn die Whisky-Erbinnen Agnes, Ethel und Elspeth Robertson sind in Sorge. Durch ihren  Großvater, William A. Robertson, haben sie ein beachtliches Vermögen geerbt, zu dem unter anderem Anteile an den  Firmen Robertson  & Baxter, Clyde Bonding Company und Highland Distilleries (heute: Highland Distillers) gehören. Finanzielle Not würden die Damen nicht leiden müssen, denn die Whisky-Industrie befindet sich zu diesem Zeitpunkt gerade in einer Boom-Phase.

Nach den schwierigen Jahren der Nachkriegs-Zeit erholt sich die Wirtschaft allmählich, die Nachfrage nach Schottischem Whisky ist in Amerika und Kanada stärker als je zuvor. Die Whisky-Industrie beginnt  zu modernisieren und zu expandieren. Doch feindliche Übernahmen sind auch damals schon bekannt.

Foto: margaretemarie

Zweimal bereits, 1947 und 1955, hat die kanadische Seagram Company versucht, Highland Distilleries zu übernehmen. Nur mit Unterstützung des Geschäftspartners  Distillers Company Ltd. können die Damen den feindlichen Vorstoß gerade noch abwehren.

Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit. Die Schwestern sind damals mit ihren 64, 63 und 57 Jahren nicht mehr die jüngsten, sie haben keine Kinder und die Erbschaftssteuer beträgt  80%. Agnes, Ethel und Elspeth machen sich Sorgen um die Zukunft ihrer Unternehmen. 1961 holen sie sich Rat bei den besten Finanzstrategen ihrer Zeit, bei Morgan Grenfell. Und finden eine geniale Lösung.

Morgan Grenfell schlug den Damen aus Glasgow  die Gründung einer Holding-Gesellschaft vor, in die sie ihr Familien-Vermögen transferieren konnten. Benannt wurde diese Gesellschaft nach ihrer Lieblingsfarm in Berwickshire: Edrington. Die Anteile, die sie aus dieser Holding erwarben, flossen in die eigens zu diesem Zweck gegründete gemeinnützige Stiftung: der Robertson Trust entstand.

Der Trust wiederum kontrollierte die Holding-Gesellschaft Edrington. Dieses Geschäftsmodel exisitert bis heute. Die Schwestern hatten die Zukunft ihrer Unternehmen gesichert. Und Edrington sollte bald eine der erfolgreichsten Gesellschaften in der schottischen Whisky-Industrie werden.

Agnes, Ethel und Elspeth Robertson.     Bildquelle: Robertson Trust


Edrington


Nach einer langen Phase der Rezession in den späten 70er und 80er Jahren beginnt sich die Whisky-Industrie in den 90er Jahren wieder langsam zu erholen. Sir Ian Good, damals Vorsitzender der Edrington-Gesellschaft, will in den Zeiten des Aufschwungs die Position der Firma am Markt stärken.

Mit kritischem Blick beobachtet er die zunehmende Einflussnahme großer international agierender Konzerne auf den schottischen Whisky-Markt. Vor allem die kanadische Hiram Walker and Sons Ltd., in deren Besitz sich seit 1937 die Marke Ballantine's befand, hat damals großes Interesse, sich schottische Firmen und Brennereien einzuverleiben.

Schon 1979 hatte der nordamerikanische Konzern die Existenz von Edrington bedroht. Der Übernahme-Versuch von Highland Distilleries durch Hiram Walker konnte nur in letzter Minute mit Hilfe der  Monopolies and Mergers Commission verhindert werden. Geschützt durch den Robertson Trust, war Edrington selbst vor feindlichen Übernahmen sicher. Doch um ein Haar hätte die Firma ihren wichtigsten Zulieferbetrieb und Kunden an die kanadische Konkurrenz verloren.

Der Schock von damals saß tief. Als Sir Ian 1994 an die Spitze von Edrington rückte, gab es für ihn nur zwei Möglichkeiten: geschluckt werden oder selber schlucken. Und Sir Ian ist ein Mann mit Visionen.

  

Sein besonderes Augenmerk galt der schottischen Whisky-Marke Famous Grouse, die sich seit 1970 im Besitz von Highland Distilleries befand, und den damit verbundenen Brennereien The Macallan, Glenrothes und Highland Park. Um einer feindlichen Übernahme durch ausländische Kapitalgeber zuvorzukommen, entschloß sich Sir Ian zu einem spektakulären Manöver.

Zunächst erwarb Highland Distilleries, an denen Edrington beteiligt war,  die 26% der Anteile an Macallan, die die Brennerei wenige Jahre zuvor an Remy Cointreau abgetreten hatte. Im Juli 1996 gelang es Highland Distilleries, Macallan mit einer Beteilung von 75% zu übernehmen. Die übrigen 25% verbleiben im Besitz der japanischen Suntory Group - bis heute.

Dann folgte der zweite Schritt des kühnen Plans: die Übernahme von Highland Distilleries durch Edrington. Edrington ist zu diesem Zeitpunkt nur ein kleiner Fisch. Zwar gehört seit 1965 mit Glengoyne auch eine Brennerei zum Portfolio, aber es fehlen die großen Marken. Die gibt es bei Highland Distilleries, von denen Edrington Anteile innehält. Doch Highland Distilleries ist ein dicker Brocken. Zu dick für Edrington, um ihn alleine und am Stück verdauen zu können.

Fünf Jahre benötigt  Sir Ian insgesamt, um die geplante Übernahme vorzubereiten und die Aktienanteile von Edrington an Highland Distilleries Stück für Stück zu erhöhen, bis er einen Anteil von 28% erreicht hat.  Dann, 1999, wagt er den entscheidenden Schritt und gibt in einer konzertierten Aktion ein Angebot für alle noch umlaufenden Aktien des börsennotierten Unternehmens ab.


Alleine kann er dieses gewaltige Finanzvolumen jedoch nicht stemmen, das familiengeführte  Unternehmen William Grant & Sons (Glenfiddich/The Balvenie) wird mit ins Boot geholt. Ähnlich wie Sir Ian sind auch die Grants an langfristigen Investitionen in eine private Firma zum Aufbau einer guten Marke interessiert.

Der Coup gelingt, Edrington erhält 70% von Highland Distilleries, William Grant 30%. Gemeinsam gründen sie die 1887 Company. Für beide hat diese Zahl große Bedeutung: 1887 wurde Highland Distilleries gegründet, und am Weihnachtstag des gleichen Jahres wurde bei Glenfiddich zum ersten Mal Whisky gebrannt.


Schottischer Stolz und freies Denken: Das Erbe der Schwestern.


Mit diesem Schachzug übernimmt die neu strukturierte Edrington Group 1999 die mehrheitliche Kontrolle über die Whisky-Marken und Brennereien The Macallan, Highland Park, Glenrothes, Glenturret,  und The Famous Grouse. Highland Distilleries und die dazugehörigen Brennereien sind damit fest in schottischer Hand. Vorsitzender des neuen Giganten wird Sir Ian Good.

601 Millionen Britische Pfund kostet die Transaktion damals. Den Buchhaltern von Edrington bereitet die gewaltige Transaktion jedoch viele schlaflose Nächte. Der Kredit, den die Firma aufnehmen muss, beträgt über 500 Millionen GBP. Dieser Schuldenberg muss in den kommenden Jahren erst einmal abgebaut werden.

Die Brennereien Glengoyne, Tamdhu, Glenglassaugh, Bunnahabhain und die Marke Black Bottle, die anfänglich ebenfalls zur Gruppe gehören, werden später verkauft, um die enorme Schuldenlast zu senken. Sie werden zum Bauernopfer im Spiel um die Macht.

Kontrolliert wird die Edrington Group einschließlich aller dazugehörigen Brennereien auch weiterhin vom Robertson Trust, jener schottischen Stiftung, die seit 1961 Besitzer von Edrington ist.

Das kluge und weitsichtige Geschäftsmodell der Robertson-Schwestern hat sich bis heute bewährt und bietet einen sicheren Schutz vor ungewollter Übernahme durch international agierende Großkonzerne.

Doch der Robertson Trust erfüllt noch eine weitere, wichtige Funktion: Er gewährt dem Führungsgremium der Edrington Group einen Handlungsspielraum und eine Kontinuität, die ein herkömmlich strukturierter Konzern niemals gewähren könnte.


Die Männer, die seither die Geschicke der Brennerei leiten, wissen diesen Freiraum zu nutzen. Dabei waren es vor allem fünf  Personen, die die Entwicklung von Edrington und seiner Brennereien, einschließlich The Macallan, in den vergangenen 15 Jahren maßgeblich beeinflusst haben.



Macallan: Teil III

Macallan: Teil I

Mehr zum Thema:

 

The Macallan: Whisky zwischen Kunst, Kultur und Kommerz. Teil I.

The Macallan in Multi-Colour

Sommernachtsträume: Blood and Sand




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