The Macallan. Whisky zwischen Kunst, Kultur und Kommerz. Versuch einer Annäherung.


Wenn es um The Macallan geht, scheiden sich die Geister. Kaum eine andere Brennerei hat die Fan-Gemeinde im vergangenen Jahr so sehr polarisiert wie diese schottische Destillerie an den Ufern des Spey.

Für die einen ist The Macallan der Inbegriff eines guten Whiskys schlechthin und durch nichts zu überbieten. 

Für andere hingegen ist er Symbol für überteuerte Preise und falsche Marketing-Strategien, und sie singen lautstark seinen Abgesang.



 
Whisky Tasting im Easter Elchies House.  Foto: margaretemarie

Doch Macallan verkörpert  mehr als nur Preisgestaltung, Farbmuster und Geschmackspartikel. Um zu verstehen, warum The Macallan heute eine solch herausragende Stellung im Whisky-Universum hat, muss man tiefer blicken. Und weit zurück.


The Macallan


Alexander Reid war Farmer und Lehrer in Craigellachie. Er konnte lesen, schreiben und wußte, wie man Getreide anbaut. Doch er konnte noch mehr: er wußte, wie man Getreide in Whisky verwandelt. 1824, ein Jahr nach Einführung des neuen Brennrechts in Schottland, erwarb er für eine Jahresgebühr von 10 Pfund eine Lizenz für den legalen Betrieb einer Brennerei auf einer Anhöhe über dem Tal der Spey.

Das Easter Elchies Anwesen, zu dem auch ein stattliches Herrenhaus aus dem Jahre 1700 gehörte, war damals im Besitz des Earl of Seafield.  Die leichten Schwemmlandböden waren äußerst fruchtbar, und Reid konnte hier mit einer guten Ernte rechnen.  Reid pachtete acht Morgen Land einschließlich des Herrenhauses,  gründete seine eigene Firma und begann mit der Whisky-Produktion in der Elchies Distillery, wie die Brennerei Macallan in ihren Anfangsjahren noch hieß. Schon nach wenigen Jahren befand sich die Elchies Distillery auf Erfolgskurs und produzierte die nächsten 70 Jahre ohne nennenswerte Unterbrechung.


Easter Elchies House.     Foto: margaretemarie
1892 wurde die etwas in die Jahre gekommene Brennerei von Roderick Kemp übernommen. Kemp war kein Neuling in dem Geschäft. Der Weinhändler aus Elgin hatte bereits 1879 zusammen mit Alexander Grigor Allan die Brennerei Talisker für 1.810 Pfund aus einer Geschäftsliquidation übernommen. Als 1892 die Pachtrechte erneuert werden mussten, verkaufte Kemp seinen Anteil mit großem Gewinn an Allan. 12.000 Pfund Sterling hat er damals angeblich bekommen.

Kemp investierte sein Kapital in die neu erworbene Brennerei Macallan. Er modernisierte die Anlage, baute neue Lagerhäuser und verbesserte die Brennblasen. Aber vor allem schuf  Kemp neue  Qualitäts-Standards für seinen Whisky, wie beispielsweise die Verwendung von unveränderten, kompletten  Ex-Sherry-Fässern aus Spanien. Bei den Whisky-Blendern genoss Macallan  sehr bald einen guten Ruf, und wurde in den folgenden Jahrzehnten zu einer beliebten Brennerei in der Whisky-Industrie.


Und noch etwas unterschied Macallan von der Masse der Konkurrenten: im Gegensatz zu anderen Brennereien, die oft ihre gesamte Jahresproduktion an die Whisky-Blender verkauften,  begann Macallan schon sehr früh, Rücklagen zu bilden und jedes Jahr eine kleine Anzahl ihrer Fässer  für spätere Abfüllungen beiseite zu legen.


Von der Ente zum Schwan



Die Nachkriegsjahre brachten für die Whisky-Industrie goldene Zeiten. Endlich hatten die Menschen wieder Grund zur Freude und zum ausgelassenen Feiern. Die Nachfrage nach Spirituosen stieg rasant, das Geschäft brummte.

Auch bei Macallan floss viel Geld in die Kassen. 1961 nutzten die Nachfahren von Roderick Kemp, in deren Besitz sich die Brennerei  befand, die Gunst der Stunde und erwarben das zu diesem Zeitpunkt vernachlässigte Easter Elchies House samt dazu gehörigem Großgrundbesitz. Vier Jahre später wurde die Anzahl der Brennblasen von 6 auf 12 verdoppelt.

Foto: margaretemarie


Damit hat sich auch äußerlich ein Wandel vollzogen. Die Distillerie  war schon längst nicht mehr die kleine Farmhaus-Brennerei wie in ihren Anfangstagen. Nun wurde Macallan zu einem Gutsbesitz mit hohem Produktionsvolumen, und die einzige Brennerei Schottlands mit einem Herrenhaus. Aus der Ente war ein Schwan geworden.


Der lange Weg nach oben



Bereits ab den 50er Jahren hatte die Brennerei begonnen, kleine Mengen ihres Whiskys als Single Malt selbst abzufüllen und zu vermarkten. Der größte Teil der Produktion wanderte  jedoch in die Blend-Industrie.

Denn es waren vor allem die Blended Whiskys, die während des Booms der 50er und 60er Jahre durch die Kehlen der Whisky-Freunde flossen. Single Malt galt als zu schwierig, zu unbeständig, um ihn sinnvoll vermarkten zu können. Erst mit der Whisky-Krise ab Ende der 70er Jahre begannen  die Brennereien verzweifelt nach Alternativen zu suchen.

Macallan traf die Krise hart. Erst wenige Jahre zuvor, 1974/75, hatte man die Anzahl der Brennblasen zunächst auf 18, und dann auf 21 erhöht und die Produktion enorm gesteigert. Jetzt fehlte das dazu investierte Kapital.

Auch privat war es keine gute Zeit für die Urenkel von Roderick Kemp. Peter Shiach, der seit dem tödlichen Unfall der Eltern die Brennerei leitete, erkrankte Mitte der 70er Jahre an Krebs. Als er 1978 im Alter von 37 Jahren starb, übernahm der ältere Bruder Allan Shiach als Chairman und CEO die Leitung der Brennerei.

Jahre später hat Allan Shiach, der unter dem Namen Allan Scott als Drehbuchautor für Hollywood bekannt wurde, seinen Bruder literarisch verewigt. Im März 2008 erschien in der Scottish Review die Kurzgeschichte "The Medallion", die Peter gewidmet ist. [hier]

Während viele Brennereien  die wirtschaftliche Whisky-Krise der 80er Jahre nur mit Mühe oder gar nicht überstanden, brachte  Macallan-Glenlivet, wie die Brennerei mittlerweile hieß, unter Allan Shiachs Leitung ab 1978 verstärkt hochwertige Single Malt-Abfüllungen auf den Markt, die  landesweit beworben wurden.

Das kluge Lagerhaus-Management der Familie machte sich nun bezahlt und half der Brennerei, die Krisenzeit zu überstehen.  1984 erschien erstmalig ein 18jähriger Macallan Single Malt. In kürzester Zeit konnten sich die Abfüllungen von Macallan, die überwiegend aus den Rücklagen der vergangenen Jahrzehnte stammten, auf dem Markt etablieren und genossen einen ausgezeichneten Ruf.


Brennerei The Macallan.      Foto: margaretemarie

Anfang der 90er Jahre erlebte die Whisky-Industrie allmählich den heiß ersehnten Aufschwung. Nun reckten die großen Konzerne wieder gierig ihre Finger nach schottischen Brennereien aus. Auch The Macallan geriet ins Visier der Großkonzerne. Denn die Entscheidungen der Vorbesitzer hatten die Brennerei nicht gegen eine Übernahme gewappnet.

Der Ausverkauf des Tafelsilbers


Um den Nachlass von Roderick Kemp auch für die Zukunft zu sichern, hatten seine Töchter, Janet Isabella und Catherine Leslie, nach dem Tode des Vaters 1909 die Firma in eine Stiftung umgewandelt, den Roderick Kemp Trust. Obwohl sich diese Gesellschaftsform bewährte und die Brennerei die unruhigen Zeiten der Prohibition und der beiden Weltkriege gut überstand, entschlossen sich die Urenkel von Roderick Kemp im Jahre 1966, die Stiftung in eine private GmbH umzuwandeln.
Foto: margaretemarie

1968 schließlich ging die Firma an die Börse. Doch diese Maßnahme sollte  zwei Jahrzehnte später Konsequenzen haben. Als die Brennerei Mitte der 80er Jahre wieder einmal in finanzielle Schwierigkeiten geriet, erwarb der japanische Whisky-Produzent Suntory 25% der Aktien. Bald darauf übernahm auch Remy Cointreau 26% der Anteilscheine. Nur noch etwa 20% der Aktien befanden sich zu Beginn der 90er Jahre im Besitz der Familie Kemp-Shiach. Die Übernahme der schottischen Vorzeigebrennerei durch ausländische Kapitalgeber schien unvermeidlich.

Doch es sollte anders kommen. Denn die Zukunft von The Macallan hatte sich bereits Jahrzehnte zuvor im schottischen Glasgow entschieden, als drei kluge Schwestern eine folgenreiche Entscheidung trafen.

Macallan -Teil II

 

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