Whisky-Wissen: Wo stand Schottlands älteste Brennerei? Teil I
Glenturret und Strathisla Distillery streiten sich derzeit um die Ehre, die älteste Brennerei in Schottland zu sein, die noch immer in Produktion ist. Und auch Bowmore und Lagavulin haben gute Chancen auf einen Platz an der Spitze der Ältesten. Doch seit wann gibt es eigentlich Brennereien in Schottland? Und welche Brennerei war tatsächlich die erste?
Zugegeben, die Frage nach der ersten Brennerei in Schottland ist nicht ganz einfach. Läßt sich auf diese Frage überhaupt eine Antwort finden? Die Destillation von Alkohol war - ebenso wie in Italien, Frankreich, Deutschland, Irland, England und Holland - auch in Schottland seit dem Mittelalter bekannt.
Doch bis zur Entstehung von kommerziellen Brennereien und eigenständigen Betriebseinheiten, wir wir sie heute kennen, war es ein langer Weg.
I. Die Anfänge
1. Kloster, Kirche und Gutshof
Der erste Nachweis einer Whisky-Destillation in Schottland stammt aus dem Jahre 1494, als ein gewisser Mönch namens John Cor im Auftrag des schottischen Königs Alkohol aus Gerstenmalz destillierte.
Doch Brennereien im heutigen Sinne des Begriffes gab es damals noch nicht.
In den Anfangsjahren war Alkoholdestillation ein Privileg, das den Mönchen, dem Klerus und dem Adel vorbehalten war. Viel Platz brauchte man nicht dazu, ein paar Holzbottiche, eine kleine, kupferne Brennblase, ein Ofen oder ein offenes Kaminfeuer und ganz viel Wasser reichten vollkommen aus. Meist war die Brennblase in einem der Wirtschaftsgebäude von Kloster und Gutshof untergebracht, in oder neben Küche, Wasch-, Back- oder Brauhaus. Gelegentlich wurde das Destillieren auch an einen der Pächter auf dem Land des Adelsherrn delegiert.
Aberdeen 1661 |
Einer der frühesten Nachweise für die Herstellung von destilliertem Alkohol findet sich in den Stadtunterlagen von Aberdeen. Dort kam es 1505 zu Streitigkeiten um den Nachlass von Sir Andrew Gray, einem Kirchenkaplan in der Gemeindekirche St. Nicolas. Unter anderem befand sich im wertvollen Besitz des Kaplans eine Brennblase für Aquavitae und Rosenwasser.
1603 |
2. Apotheker, Bürger und Wasserbrennerinnen
Vom Whisky, wie wir ihn heute kennen, sind wir an dieser Stelle noch weit entfernt. Der Schnaps diente vor allem als medizinisches Produkt, und wurde oft mit allerlei Kräutern und Gewürzen versetzt. Aus diesem Grund besaßen auch Ärzte und Apotheker ein Brennprivileg. Häufig sparten sie sich den zeitraubenden Prozess der ersten und zweiten Destillation, und überließen die Herstellung einer einfachen Basis-Spirituose den sogenannten Wasserbrennern bzw. Wasserbrennerinnen.
1603 |
Eine dieser Wasserbrennerinnen war Janet Reid, die Witwe des Hammerschmieds John Reid. Am 11. Mai 1660 erhielt sie 8 Pfund vom Kassenwart der Hammerschmiede-Zunft in Glasgow, um für ein Jahr eine Aquavitae-Brennblase zu mieten und sich so eine eigene Existenz als Aquavitae-Brennerin aufzubauen. Sie ist eine der frühesten Whisky-Brennerinnen, die namentlich bekannt sind.
Knapp hundert Jahre zuvor hatten sich bereits die beiden Glasgower Bürgerinnen Marion Fleming und Janet Lock um eine Brennblase gestritten, die Janet an Marion ausgeliehen und nicht mehr zurückbekommen hatte. Erst als Janet am 19. Juli 1575 beim Stadtrad Beschwerde einlegte, war Marion bereit, die Brennblase der rechtmäßigen Besitzerin zu überlassen.
1641 schickt die Stadt Glasgow zwei Gallonen Aquavitae an den Duke of Lennox - warum auch immer.
Aquavitae ist zu diesem Zeitpunkt ein teures Produkt, das sich nur wohlhabende Bürger und Adlige leisten können. 1644 beträgt die Steuer für Aquavitae, das nicht zum persönlichen Gebrauch, sondern zum Verkauf hergestellt wird, zwei Shilling und acht Pennies pro Pint. Für Ale und Dünnbier müssen hingegen lediglich vier Pennies Seuer bezahlt werden, für Starkbier verlangt die Staatskasse sechs Pennies.
Glasgow 1693 |
3. Coupar-Angus, 1645
Brief von James Rymer an Thomas Steuart of Grandtully (The red book of Grandtully, 1868) |
5. Ross Distillery, 1575
Einer der frühesten Hinweise auf eine Whisky-Brennerei stammt aus Ross & Cromarty. Hier hat 1575 William Ross of Preisthill seinem Schwiegervater Richard Strang, einem Rechtsanwalt aus Edinburgh, eine Lieferung von "Wynter Aquavytie" versprochen. (siehe National Records of Scotland, GD71/414)
Die alte Ferne Abtei in Ross-Shire, auch als "Lamp of the North" bekannt, existierte zu diesem Zeitpunkt noch. 1568 ist ein gewisser Nicolas Ross als Commendator der Ferne-Abtei einsetzt. 1583 wird Ferne noch immer als Abtei bezeichnet. Zwischen 1590 und 1617 wird die Abtei Ferne von seinem Sohn Thomas Ross verwaltet. Thomas Ross wird zunächst als "Commendator", ab 1591 als "Abt von Ferne" (Abbot of Ferne) bezeichnet. 1620 ist Tomas Sohn Nicolas Ross als Abbot of Ferne dokumentiert. Die Abtei scheint bis mindestens 1625 noch intakt gewesen zu sein.
Ganz in der Nähe der ehemaligen Abtei Ferne befindet sich heute die Glenmorangie Brennerei. Einen Eindruck, wie die Herrenhäuser zur Zeit von William und Hugh Ross ausgesehen haben, vermittelt das nahegelegene Cadbol House, das heute als Gästehaus von Glenmorangie dient.
1585 hatte William Ross of Preisthill den Namenszusatz geändert und nannte sich nun William Ross of Easter Fernie. (NRS GD306/1/76/108) Spätestens ab diesem Jahr war Easter Fearn folglich sein Hauptwohnsitz.
1590 hatte William Ross große Geldnöte. Er geriet in einen Rechtsstreit mit einem anderen Lehensmann der Region, David Monroe of Nig, dem er Geld schuldete. Er wurde in der Tolbooth of Edinburgh inhaftiert und kam erst gegen Zahlung einer Kaution von 2000 Pfund wieder auf freien Fuß. 1615 musste William seine Ländereien Preisthill (Priesthill) und Ulladale verkaufen. Easter Fearn (Eisterferne / Feirne) blieb weiterhin im Besitz der Familie, und wurde im gleichen Jahr von Williams Sohn Hugh Ross übernommen. 1657 kam Easter Ferne in den Besitz von Hew Ross, auf ihn folgte Alexander Ross.
Wo stand das Brennhaus von William Ross?
Obwohl sich die Ferne Abbey im Besitz einer Familie Ross befand, ist es eher unwahrscheinlich, dass sich hier auch die Farm von William Ross of Preisthill befand.
Easter Fearn, Google Earth, 2021 |
Nicht weit entfernt, am Firth of Dornoch, befindet sich heute die Farm Easter Ferne. Stand hier 1575 das Brennhaus des William Ross?
Nur wenige Kilometer weiter steht die Balblair Distillery. Dort hinterläßt knapp 140 Jahre später Andrew Ross of Balblair seinem Erben eine 32 Pfund schwere Brennblase und ein spezielles Abdecktuch für eine Malzdarre (Malt-Kiln).
Auch in Glenmorangie wird zu dieser Zeit Whisky gebrannt. 1703 befand sich im testamentarischen Nachlass von George Ross of Morynche (Morangie) eine Aquavitae-Brennblase mit Kühlwurm und Ständer. Mit großer Wahrscheinlichkeit gehörte zu dieser Brennblase auch das entsprechende Brenn- und Brauhaus dazu. George Ross of Morangie war zudem ein Urenkel von Thomas Ross, Abbot in Ferne Abbey.
1719 vermachte Lady Ann Steuart Ross of Braelangwell ihrem Sohn eine Aquavitae-Brennblase, Braugeräte und mehrere Teekessel. Auch sie hat mit Sicherheit ein Brenn- und Brauhaus auf ihrem Anwesen getrieben.
Doch damit nicht genug: 1798 betrieb ein anderer George Ross auf der Nachbarfarm von Easter Ferne, in Midfearn, eine kommerzielle Brennerei.
historisches Foto der Glenmorangie Distillery, @Glenmorangie Distillery |
Wir können nur vermuten, dass sich das Brennhaus von William Ross 1575 in Easter Fearn befand. Mit Sicherheit können wir jedoch davon ausgehen, dass im benachbarten Balblair vor 1713 und im angrenzenden Glenmorangie vor 1703 ein Brennhaus stand. Und mehr noch: Die Whisky-Geschichte der Brennereien von Balblair und Glenmorangie lässt sich über ihre Verbindung mit den Mitgliedern der Familie Ross sogar bis 1575 zurückverfolgen, als William Ross "Winter-Aquavitae" für seinen Schwiegervater in Edinburgh brannte.
Abbildung eines Segelschiffs im Inneren der Kirche von Fearn Abbey, Ross Grabmal |
East Fearn 1832 |
Mid Fearn 1832 |
Die Morangie Farm in einer Karte von 1662. Wurde schon damals Whisky auf Morangie destsilliert? Die Wahrscheinlichkeit ist groß. |
Schon 1575 wurde zwischen Dornoch Firth und Cromarty Firth in größerem Umfang Whisky destilliert. |
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