Unter die Lupe genommen # 2: Alter (Jura 2006, 8 Jahre)

In den letzten Jahren haben wir verstärkt sehr junge Abfüllungen gesehen. Manche waren trotz ihres geringen Alters schon richtig gut, andere aber weniger. Auch hier gilt: Genau hinschauen, und sorgfältig differenzieren. Mein exemplarischer Vertreter heute ist ein Grünspecht von der Insel Jura.



Die vorliegende Abfüllung ist ein acht Jahre alter Whisky aus der Jura Distillery, der in einem Refill Butt reifte, ich kann nach dieser Zeitspanne also schon einiges an Aromatik erwarten.

Der Ehrlichkeit halber sei gesagt, dass sich meine Begeisterung für Jura bisher in Grenzen hielt. Vielleicht ist das der Grund, warum diese Probe schon seit 2 Jahren in meiner Schublade schlummert. Abgefüllt wurde dieser Whisky bereits 2014, aber so richtig Lust habe ich bisher nicht darauf gehabt. Doch er eignet sich wunderbar, um über das Thema "Alter" zu reden. Betrachten wir ihn also unter der Lupe:



Isle of Jura, Vintage 2006, 8 Jahre, Hepburn's Choice, Langside Distillers (Hunter Laing), Bottled 2014, Refill Butt, 508 Flaschen, nicht kühlgefiltert, natürliche Farbe, 46%


Farbe: 

sehr blass, nahezu farblos

Aroma:

viel Alkohol und angenehme Süße, grasig, jung und roh, mit dieser wilden Frische von New Make. Er riecht, als wäre er erst vor kurzem aus der Brennblase gekommen. Acht Jahre? Kaum zu glauben! Verzeifelt suche ich nach Fassaromen - ein Hauch Vanille vielleicht, ein paar Rosinchen oder ein Tüpfelchen Karamell? Fehlanzeige. Präsent sind die fruchtigen Aromen von frisch gebranntem Schnaps: Birne, Pfirsich und Banane. Reizvoll.

Geschmack:

mit 46% recht kräftig auf der Zunge, ölig, wenig Malz, leicht salzig,  und auch hier wieder dieser rohe Geschmack von frisch gebranntem Schnaps.

Nachklang:

eher kurz


Ergebnis:

Mit 8 Jahren ist dieser Whisky nicht mehr wirklich jung. Brennereien wie Kilchoman oder Wolfburn haben bewiesen, dass man bereits nach drei oder fünf Jahren tolle Produkte auf den Markt bringen kann, wenn man in die richtigen Fässer investiert und das richtige Ausgangsmaterial hat.

Andererseits kann auch Whisky aus uralten, mehrmals belegten Fässern toll sein. Wenn er lange genug im Fass war. 20 Jahre. 25 Jahre. Und wenn das Fass noch ein Minimum an Aktivität besitzt.  Doch was soll in einem sehr schwachen Fass in nur 8 Jahren schon großartig passieren?

Ehrlichkeit ist ein wichtiges Kriterium. Und natürlich ist es toll, dass der Whisky nicht kühlgefiltert und nicht gefärbt ist. Und er hat auch noch eine Altersangabe. Juhu. Ein "ehrlicher Whisky", wie es immer so schön heißt. Dann bin ich jetzt auch mal ehrlich. Dieser Whisky wurde schlichtweg zu früh abgefüllt. Fertig. Hier hat in diesen 8 Jahren kaum eine Reife stattgefunden, und die Qualität ist sub-optimal.

Natürlich gibt es Gründe, warum man solche halbgrünen Whiskys aus einem wenig aktiven Fass mal trinken möchte. Man lernt ja auch was dabei. Oder man hat einfach nur Spaß daran. Es gibt bestimmt auch viele Leute, die den lecker finden.

Ursprünglich war dieses Fass jedoch zu einem ganz anderen Zweck gefüllt worden. In einem sehr wenig aktiven Fass kann ich Whisky sehr sehr lange lagern, ohne dass ich Angst haben muss, dass er von den Holz- oder anderen Aromen überwältigt wird. Also genau das Richtige, wenn ich einen Whisky für die Blend-Industrie beiseite legen will. 

Wenn ich so was trotzdem als Einzelfass in die Flasche bringe, dann bitte in Fassstärke. Warum auch noch die Anzahl der Flaschen mit Gewalt erhöhen, indem ich die Prozentzahl reduziere und den Whisky verdünne? Bei dieser Abfüllung macht es überhaupt keinen Sinn. Es verfälscht den ursprünglichen Eindruck, und bekommt dadurch ein "Geschmäckle" nach Gewinn-Maximierung.

Wie gesagt, Abfüllungen wie diese können durchaus interessant sein. Aber wir sollten um Gottes Willen nicht so tun, als ob diese Abfüllung ein qualitätsvolles Produkt wäre, nur weil auf dem Etikett 8 Jahre und Sherry Butt steht. Wir können ja ruhig alles trinken, was die Industrie uns vorsetzt. Das ist schließlich Geschmacksache. Aber wir müssen noch lange nicht alles applaudieren. Den Erwartungen, die wir an einen acht Jahre alten Jura haben dürfen, wird dieser Whisky keinesfalls gerecht. Und Alter ist nicht absolut, sondern immer relativ.


Hinweis: ich danke dem Importeur für die Probe.

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