Unter die Lupe genommen#3: Bourbon Hogshead (Glen Keith, 26 Jahre, WW8)

Whisky aus ehemaligen Bourbonfässern kann traumhaft sein. Dennoch sind sie im Vergleich zu Whiskys aus Ex-Sherry-Fässern eher verpönt, und lassen Whisky-Blogger selten in überschwänglichen Taumel geraten. 



Die Resonanz auf meine letzten beiden "Unter der Lupe"-Beiträge war enorm - mit einem solch großen  Interesse habe ich gar nicht gerechnet. Ganz herzlichen Dank möchte ich all jenen Lesern sagen, die mit ihren Kommentaren viele interessante Informationen zur Diskussion beigetragen haben.

Ein Aspekt, der dabei des öfteren angesprochen wurde, waren die steigenden Preise und die sinkende Verfügbarkeit von Whisky für die kleinen, unabhängigen Abfüller. Gerade sie haben es immer schwerer, in den Zeiten des Hypes und des Preiswahnsinns noch gute Abfüllungen zu bringen. In den nächsten Beiträgen möchte ich deshalb einige Abfüllungen aus diesem Segment genauer unter die Lupe nehmen.
 
Für meinen heutigen Beitrag habe ich einen 26 Jahre alten Glen Keith aus dem Bourbon-Fass ausgewählt. Was kann ich von einer solchen Abfüllung erwarten? Und was kann ich nicht erwarten? Und ich bin auch diesmal sehr auf eure Beiträge und Kommentare gespannt.


Glen Keith Distillery

Werfen wir zunächst einen genaueren Blick auf die Brennerei. Glen Keith wurde erst 1957 von der kanadischen Seagrams gebaut, die kurz zuvor Chivas Brothers übernommen hatte. Für den amerikanischen Markt entwickelte Seagrams den Blend "100 Pipers", und Glen Keith sollte das Basismaterial dazu liefern. In der Folgezeit wurde die Produktionskapazität zweimal erweitert, doch in den 90er Jahren war der Absatz rückläufig; 1999 wurde die Produktion eingestellt.

Der Whisky von Glen Keith war nie für Single Malt-Abfüllungen gedacht, ein aufwändiges Fass-Management hat es für diese Brennerei mit Sicherheit nie gegeben. Ebenfalls zum Konzern gehörten damals The Glenlivet und Strathisla. Als Glen Keith geschlossen wurde, lagen die Lagerhäuser voller zweitklassiger Ex-Bourbon-Fässer, deren Inhalt für die diversen Blends des Konzerns gedacht war, und für die plötzlich kein Bedarf mehr da war.

13 Jahre lang blieb Glen Keith geschlossen, doch im Zuge eines wieder ansteigenden Whisky-Konsums wurde die Brennerei 2012 gründlich renoviert und modernisiert, und ein Jahr später wurde die Produktion erneut aufgenommen. Um die Neu-Investition besser finanzieren zu können und gleichzeitig neuen Platz in den Lagerhallen zu schaffen, wurden große Bestände an alten Fässern an Whisky-Broker verkauft. In den letzten drei bis vier Jahren sind infolge dessen vermehrt wunderschöne, alte Abfüllungen von Glen Keith bei den diversen unabhängigen Abfüllern aufgetaucht.

Vor wenigen Monaten hat The WhiskyWarehouse No 8 einen 26 Jahre alten Glen Keith aus einem Bourbon Hogshead abgefüllt und mit einer edlen Holzbox auf den Markt gebracht.


Glen Keith, 26 Jahre, 1991-2017, Bourbon Hogshead, The WhiskyWarehouse No 8, 46.2%, 50 cl


Farbe: goldgelb


Aroma:

schwere Süße von tropischen Blüten, malzige Untertöne, Sauerteig und ein üppiger Früchte-Mix: Äpfel, Banane, Papaya, Mango, Lychee und ein Anflug von Ananas. Ein paar Tropfen Wasser erwecken die Zitrus-Aromen aus ihrem Schlaf. Doch da ist noch mehr. Tief am Boden des Glases schlummern die erdigen Töne, die man eigentlich gar nicht erwarten würde. Pilze, buttriges Öl, das eine Spur zu lange in der Flasche geblieben ist und bereits einen Ansatz von Ranzigkeit zeigt. Wunderbar komplex und seidig.






Geschmack:

Unglaublich starker Antritt. Ich muss zweimal auf dem Etikett nachschauen, ob er tatsächlich nur 46,2% hat. Der schmeckt nach mehr. Ölig, cremig, grüne Tabakblätter, und dann - WHAM -, da ist sie wieder,  diese seltsam-markante, ranzige Wachsigkeit, die ein paar Tropfen Wasser bereits beim Verriechen hervorgekitzelt hatten und die ich in dieser Deutlichkeit nur von alten Teeling-Whiskys kenne.


Nachklang:

Mild, weich, und fließt ganz langsam die Kehle hinab. Wunderbar.


Ergebnis:

Wie kann man einem solchen Whisky gerecht werden? Dieser Whisky war nie als Single-Malt-Abfüllung gedacht. Er hat keine vordergründigen Holzaromen. Er hat keine dunklen Früchte aus dem Sherry-Fass. Er hat keine weinigen Noten aus dem Finish-Fass. Und Torfrauch hat er auch nicht. Stattdessen wurde er recht gedankenlos vor 26 Jahren in ein schon mehrfach benutztes Bourbon Hogshead zweiter Klasse gelegt.

Doch was er hat, sind diese wunderbar zarten, frischen, gelbfruchtigen und wachsig-ranzigen  Aromen, die sich durch die Oxidation im Laufe der Zeit in diesem 26 Jahre alten Whisky angereichert haben, und ihm eine seidige Komplexität verleihen. Whisky in Reinformat, der im Laufe von vielen, vielen Jahren aus sich selbst heraus entstanden ist.

Wie lange werden die Vorräte an alten Glen Keith Whiskys noch reichen? Wie lange wird es solche Whiskys noch geben? Werden wir sie eines Tages vermissen? Wie hoch stehen die Chancen, dass wir irgendwann entsprechenden Nachschub an alten Whiskys aus dieser Brennerei bekommen werden?

Wie würdet ihr einen solchen Whisky bewerten? Wieviel Geld wäre euch die Flasche wert? Ich freue mich auf eure Kommentare.



Update: einen sehr schönen Besuchs-Bericht über Glen Keith findet ihr übrigens bei FOSM: Besichtigung Glen Keith

Hinweis: Ich danke an dieser Stelle niemandem, ich habe das Sample selbst.... ihr wisst schon.

Kommentare

  1. Ein schöner Artikel zu den eher stiefmütterlich behandelten BourbonFass-Abfüllungen.
    Ich selber mag zur Zeit solche Sorten um einiges lieber als die so oft geschätzten Sherry-Konkurrenten.
    In reinen Bourbon Fässern hat man eine herrliche Klarheit und grund solide Ehrlichkeit. Malz und Honig kommen hier meist wunderbar durch, ohne durch die “Vorfracht“ überdeckt zu werden.
    Ich kann nur hoffen das es weiterhin auch solche Sorten geben wird. Auch gerne von den Brennereien aus der zweiteb Reihe (wie Glendullan, Glen Keith, Glentauchers, etc).
    Ohne sie würde mir sehr viel fehlen.

    Liebe Grüße aus Kiel
    Ben

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