Glenrothes: Exklusiv-Interview mit Stefan Hennig, Keeper of the Quaich und Brand Ambassador

Vor ein paar Tagen sickerten die Informationen durch, dass BB&R die Marke Glenrothes nach nur 7 Jahren wieder an den Edrington-Konzern zurück geben wird. In Deutschland ist Glenrothes seit vielen Jahren erfolgreich auf dem Markt vertreten, und daran wird auch die erneute Transaktion kaum etwas ändern. Denn die Lorbeeren für diesen Erfolg gehören weder Edrington noch BB&R, sondern einem Mann, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit Leib und Seele dem Whisky von Glenrothes verschrieben hat: Stefan Hennig. 

Brand Ambassador Stefan Hennig (links) zusammen mit Brands Heritage Director Ronny Cox (rechts)

Bereits 1998 hat Stefan angefangen, Glenrothes in Deutschland bekannt zu machen, damals noch unter der Firma Reidemeister & Ulrich. 2006 wurde er offiziell Brand Ambassador, am 5. Oktober 2009 wurde er beim Gala-Dinner in Blair Castle zum Keeper of the Quaich genannt. Bis heute wird er nicht müde, den Menschen den Whisky von Glenrothes näher zu bringen. Und auch mir hat er mit viel Geduld alle meine Fragen beantwortet.


MM: Stefan, 20 Jahre im Dienste von Glenrothes sind eine lange Zeit. Wann hast du eigentlich deinen ersten Whisky getrunken? Kannst du dich noch erinnern?
Stefan: Ja, das war ein Glen Grant 10y und Glen Grant 1970. Ich war damals mit meiner Frau auf Urlaubsreise in Schottland, und bei Glen Grant waren wir die einzigen und hatten sozusagen eine private Führung nur für uns. Am Schluss gab es eine Verköstigung, wo wir zunächst den 10jährigen probieren durften. Als Goodie fragte uns der Tourguide dann nach dem Geburtsjahr meiner Frau. Und so sind wir zu einem 1970er Glen Grant gekommen.

MM: Wow, für einen Glen Grant 1970 hätte ich auch mein Geburtsjahr verraten. Trinkt deine Frau auch Whisky? 


Stefan: Meine Frau trinkt lieber Gin oder Likörchen. Mit Whisky hat sie nicht viel am Hut. Ab und  zu nibbt sie mal, aber egal was es ist, sie sagt immer "Vanille", und das nehme ich schon nicht mehr ganz ernst. Danach folgt dann: "Gut" oder "grauselig". "Grauselig" ist meist ihr Urteil bei Islay Whisky.

MM: Na, dann brauchst du ja keine Angst zu haben, dass sie dir deine alten Ardbegs wegtrinkt ;-) Irgendwann hast du dich aber mit Leib und Seele Glenrothes verschrieben. Warum eigentlich? Was ist das Besondere an Glenrothes?



Stefan: Einfach alles. Ich weiß, es klingt wie eine blöde Antwort, aber es ist wahr. Mich begeistert die Herstellung, die Menschen, die daran arbeiten, und auch das Produkt. In meinen Augen - und auch in meiner Nase - stellen wir einen perfekten Single Malt her. Angefangen bei den Single Casks (High End),  über die  Reserves (Spitzenklasse) bis hin zu den Vintages (absolute Spitzenklasse). Deshalb ist unsere Destille auch so beliebt bei den Blend-Herstellern. Er ist eine hervorragende Basis für jeden Blended Whisky. Über 95% unserer Produktion geht übrigens in Blends. Glenrothes muss man einfach lieben.

MM:  Was hat dich bewogen, Brand Ambassador für Glenrothes zu werden?

Stefan: Die damalige Ahnungslosigkeit des Importeurs. Bis auf die Treffen mit Ronnie Cox war damals vom Importeur wenig Information oder fachliches Wissen über Single Malts zu erwarten. Sie waren Experten auf dem Gebiet Wein, aber bei Whiskies waren sie überfordert.

Hinzu kam, dass die damalige "original" Glenrothes Webseite auch nicht die Beste war. Ich begann, die Original-Abfüllungen zu sammeln und auf einer Webseite zu präsentieren. Anfangs noch bei AOL, später unter der heutigen Domain http://www.glenrothes-info.de

Ich begann auch damit, für Reidemeister Tastings zu veranstalten und brachte ihnen alles über Whisky bei. Bis 2009 war ich sehr aktiv unterwegs für Glenrothes. Das reduzierte sich etwas, als Beam den Import übernahm. Ab diesen Zeitpunkt war ich mehr auf Messen unterwegs und Tastings wurden meist von Beam durchgeführt. Glenrothes Tastings wurden auf 1-2 Termine im Jahr zurückgeschraubt.

Keeper of the Quaich


MM: Glenrothes ist vor allem für seine Vintages bekannt. Warum gibt es keine "klassische" Standard Range? 

Stefan: Hm, gute Frage. Wahrscheinlich lautete die Frage bis 1994: "Warum gibt es von Euch nur einen 12-jährigen Whisky? Ihr habt ein so tolles Produkt. Bringt doch mal mehr heraus!"  Man kann die Fragen drehen und wenden, aber Vintages, Reserves und Single Cask-Abfüllungen prägen den Markt seit Einführung des Vintage-Konzeptes. Alles hervorragende Produkte unter dem Motto "Maturation, no age". Egal wie die Whiskies waren und sein werden. Das Produkt steht immer im Vordergrund, egal was auf dem Label steht.

MM: Kannst du uns das Prinzip der Vintages näher erklären? 

Stefan:  Bei Glenrothes werden seit jeher begrenzte Mengen der besten Fässer einzelner Jahrgänge ausgewählt und auf dem Höhepunkt ihres Reifeprozesses als "The Glenrothes Vintage"-Malt auf Flaschen gezogen. Dabei hat die Art und Herkunft der Fässer, in denen der Malt heranreift, einen viel größeren Einfluss auf seinen Geschmack als das Alter für sich genommen.

Nur Fässer von außergewöhnlicher Qualität, seien sie aus amerikanischer oder spanischer Eiche, werden verwendet. Während in den amerikanischen Fässern zuvor Bourbon heranreifte, stammen die spanischen aus den berühmten Sherry-Kellereien (Bodega), die meisten jedoch von Gonzales Byass. Um den perfekten Reifezeitpunkt für die Abfüllung zu bestimmen, wird jedes der Fässer während des jahrelangen Reifeprozesses ständig überprüft und verkostet.



Die für einen "Vintage" auserwählten Fässer  müssen neben der garantierten Jahrgangsbezeichnung  zahlreiche weitere Qualitätskriterien erfüllen. So kommt es, dass bei Glenrothes nur ein kleiner Teil der Fässer eines Jahrganges in einen "Vintage" gelangt. Umgekehrt wird nicht jeder Jahrgang für würdig befunden, einen Glenrothes Vintage Malt hervorzubringen. Jede Flasche Glenrothes Vintage Malt garantiert auf dem Etikett den Zeitraum des Destillationszeitpunktes und zugleich das Jahr der Abfüllung. Dennoch kann der Geschmack auch innerhalb eines Vintage bei unterschiedlichen Jahrgängen unterschiedlich ausfallen.

Des weiteren sind Glenrothes-Whiskys ungefärbt. Dies liegt in der Tradition. Alle Original-Abfüllungen sind  diesem Kriterium unterworfen. Seit 1994, als wir mit dem Vintage Konzept anfingen und aus den Beständen früherer Abfüllungen zehrten, fingen BBR und die Edrington Group schon an, Fass-Management zu betreiben, was die heutigen Vintages beeinflusst. Es wurden damals schon neben Bourbon- und Sherry-Fässern auch  Sherry-Fässer aus American Oak hinzugefügt. Wir haben also noch jede Menge Fässer, die in Zukunft für hervorragenden Glenrothes sorgen werden.

Stefan und Ehefrau Sylvia


MM:  Du bist ja schon sehr lange Brand Ambassador für Glenrothes. Gab es in dieser Zeit (lustige, peinliche, bemerkenswerte) Momente, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
 
Stefan:  Jede Menge und von jedem ist etwas dabei. Schöne Momente sind, wenn man Prominenten Whisky erklärt. Schöne Momente sind Tastings im kleinen Kreis bis maximal 15 Personen, wo man nach dem offiziellen Teil dann meist noch Stunden zusammen sitzt. Schöne Momente sind auch, wenn man in der Wahlheimat schottischen Boden unter den Füßen hat und im Rothes House Personen zu Besuch kommen, die man am besten gar nicht gehen lassen möchte. Schöne Momente sind auch, wenn man durch die Destille läuft, ein jeder einen freundlich begrüßt und man Stunden mit Small Talks verbringen möchte. Schöne Momente sind auch die Zusammenarbeit mit Beam Suntory.

Peinliche Momente hatte ich mal bei einem Tasting, als wir im Hochsommer einen "frozen" Alba als Einsteiger/Aperitif präsentieren wollten. Ähnlich wie ein eisgekühlter Bommerlunder, so mit angelaufener Flasche, ist der Alba ein Sommerdrink, der durch die Abkühlung an Vanillenoten verliert, aber tropische Fruchtnoten gewinnt. Ein super Sommerdrink, aber wir hatten da die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ich weiß nicht, in welches Gefrierfach der Whisky gelangte, aber zum Tasting war der Whisky komplett durchgefroren! Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen. Eine Spirituose mit 40% Alkohol, kompletter Eisblock!

Ein weiteres Highlight war mal ein Tasting gepaart mit Essen. Zur Halbzeit habe ich zwei Gläser mit New Spirit herumgehen lassen. Diese kamen aber nur bis zur Hälfte der Teilnehmer, als der  nächste Gang bereits serviert wurde. Ich habe also die Gläser ober auf mein Redner-Pult gestellt und auch das Essen genossen. Komischerweise waren nach dem Gang  die Gläser aber weg! Auf Nachfrage stellte sich dann heraus, dass jemand das "Wasser" weggeschüttet hatte, weil es "eh nicht mehr gebraucht wird". Dumm gelaufen :-(

MM: Hat sich deiner Beobachtung nach der Geschmack bzw. die Präferenzen der Konsumenten bezüglich Single Malt über diesen langen Zeitraum geändert?

Stefan: Was ich sehr häufig höre ist, dass  früher alles besser war. Ich glaube, das hört jeder in der Branche zu genüge. Sicher ändert sich das Produkt über die Jahre immer wieder. Das ganze Whiskyleben ist ein Erlebnis und Experiment zugleich. Es ist ein ständiger Wandel, den ich aber gerne begleite. Und wenn ich von den Original-Abfüllungen ausgehe, war bisher immer das beste Produkt da. Jedes auf seine eigene Weise.

MM:  Was ist deine Lieblings-Abfüllung von Glenrothes?


Stefan: Das werde ich sehr häufig gefragt und meine Antwort ist immer: Alle! Es gibt einige, die für immer im Gedächtnis bleiben: 1947er/28y, GM1954 (Ronnies Jahrgang), GM1956, Cadenhead57/77, SC1966, SC1967, SC1979, SC1980, Rare Cask1961, Signatory 1966/1967, W&M 1966, Adelphi mit den jungen Sherry Bomben, die alten Dinger von GM 8Y usw.... Die Liste lässt sich endlos weiterführen, bis hin zu den heutigen Abfüllungen: Vintage Reserve, Sherry Cask Reserve, Peated Cask Reserve, Bourbon Cask Reserve.


MM:  Hast du einen Tip für meine Leser, auf was sie beim Kauf eines Glenrothes besonders achten sollten?

Stefan: Mit Original Abfüllungen macht man nie etwas verkehrt und was die letzten 5 Jahre an UAs auf den Markt kam, war echt nicht schlecht. Wer sich unsicher ist, kann aber gerne bei mir nachfragen. Die Meisten kenne ich :-)

MM:  Du warst erst vor wenigen Tagen bei Glenrothes in der Brennerei vor Ort. Was sollten Besucher der Brennerei auf keinen Fall verpassen?

Stefan: Auf jeden Fall anmelden! Bei Ronnie Cox oder mir anfragen ob ein Termin zur Verfügung steht, sich die Destille anzuschauen. Es gibt keine 100%ige Zusage, aber manchmal lässt sich etwas machen. Vor Ort haben wir mehrere Highlights, aber am beeindruckendsten ist immer noch das Still House mit den 10 Pot Stills und der Größe und Form und überhaupt...

MM: Deine Begeisterung steckt an. Am liebsten würde ich jetzt sofort nach Rothes reisen. Stefan, ich danke dir recht herzlich für dieses Interview.

PS: Natürlich habe ich Stefan auch danach gefragt, wie sich der Verkauf von Glenrothes an Edrington auswirken wird. Aber da konnte er mir zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine Auskunft geben.

Roter Teppich....


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