Brennereibesuche: Neue Brennerei bei Edradour

Jahrelang war Edradour als die kleinste Brennerei Schottlands bekannt. Diese Zeiten werden  schon bald endgültig vorbei sein. Denn die malerische Anlage in den südlichen Highlands wird ihre Kapazitäten gewaltig ausbauen. Die Bauarbeiten sind bereits in vollem Gang. Bei meinem kürzlichen Besuch von Edradour habe ich einige Informationen über das Neubauprojekt erhalten. Mehr dazu in meinem Interview:
 
Edradour. © Foto: MargareteMarie
Als ich bei Edradour ankomme, ist Andrew Symington, der Besitzer der Brennerei, gerade dabei, den Rasen zu mähen. Normalerweise ist das die Aufgabe von Sohnemann, doch der war zu den Großeltern nach Deutschland in Ferien gefahren. Also musste Andrew selber ran. In der Zwischenzeit hat mich Des McGagherty, die "rechte Hand" von Andrew, herumgeführt, und sich die Zeit genommen, alle meine Fragen zu dem Neubauprojekt zu beantworten.

Hier arbeitet der Chef. Auch der Rasen will gemäht sein. © Foto: MargareteMarie

Ebenso wie Andrew lebt auch Des direkt neben der Brennerei. In dem Gespräch mit Des wird mir erstmals so richtig klar, was für eine enorme Leistung es für eine Privatperson eigentlich ist, eine Brennerei aufzubauen. Fünfeinhalb Millionen Pfund hat die Anlage damals gekostet - soviel Geld hatte auch ein Andrew Symington  nicht irgendwo herumliegen.

Als Andrew 2002 die Brennerei von Pernot Ricard kaufte, war er bereits 15 Jahre lang als Unabhängiger Abfüller im Geschäft. Bis zu diesem Zeitpunkt produzierte Edradour vor allem Whisky für die fünf bis zwölf Jahre alten Blends "House of Lords" und "King's Ransom". Die Vorräte in den Lagerhallen waren dementsprechend eher jung, und lagen vor allem in mehrfach benutzten  Bourbon-Fässern. Eine der ersten Maßnahmen des neuen Besitzers war damals, neue Fässer anzuschaffen. 

Seither haben die beiden Männer die alte Brennerei auf Erfolgskurs gebracht und zu dem Schmuckstück gemacht, das sie heute ist. Nach 15 Jahren harte Arbeit gehen sie jetzt einen weiteren Schritt nach vorne  und vergrößern die Brennerei gewaltig. Auf der anderen Seite des kleinen Flüßchens, das neben der Brennerei fließt, entsteht derzeit eine komplett neue Anlage: Der Whisky, der hier ab Ende des Jahres entstehen wird, soll jedoch identisch sein mit dem Whisky der historischen Anlage. Deshalb trägt die neue Brennerei auch den alten Namen: Edradour II. 

Doch jetzt habe ich genug erzählt, lassen wir endlich Des zu Wort kommen. Hier ein Auszug aus meinem Gespräch:


MM: Des, du bist schon sehr lange bei Edradour, und warst von Anfang an maßgeblich an allen wichtigen Schritten beteiligt.

Des: Ich arbeite sehr eng mit Andrew zusammen und bin in alle Arbeitsbereiche involviert außer dem eigentlichen Brennen. Ich bin schon seit 2002 dabei, also von Anfang an. Damals hatten wir einen Geschäftstermin mit Pernot Ricard, den Vorbesitzern von Edradour. Das Treffen war am 23. Mai. Wir wurden uns bei diesem Treffen über den Preis einig, und dann hatte ich genau zwei Monate Zeit, einen Geschäftsplan zu erstellen und die Bank von unserem Konzept zu überzeugen.

Es gelang uns, 120% des Verkaufspreises von der Bank zu erhalten. Dadurch hatten wir zusätzliches Kapital, um Fässer beiseite zu legen, Lagerbestände aufzubauen, und auch die Gehälter und alle Rechnungen zu bezahlen, die in der Anfangszeit massiv auf uns zukamen. Das war sehr wichtig. Heute wäre das kaum noch möglich, die Banken sind sehr zurückhaltend geworden.

Einmalig: die gußeiserne Mash Tun ©Foto: MargareteMarie



MM: Seither hat sich hier einiges verändert.

Des: Bis 2002 wurde der größte Teil der Produktion in Blends benutzt. Nur 15% des jährlichen Ausstoßes wurde als Single Malt abgefüllt. Das ist heute anders, wir produzieren ausschließlich für Single-Malt-Abfüllungen. Deshalb haben wir auch 2002 sämtlichen Whisky, der in refill Fässern lagerte, in First-Fill-Fässer umgefüllt. Das war damals eine enorme Investition für uns. Seither benutzten wir Sherry-Fässer nur zweimal, Wein-Fässer ebenfalls nur zweimal, und Bourbon-Fässer nur einmal. Danach verkaufen wir die Fässer weiter an Fassbinder. Wir betreiben ein sehr aggressives Fass-Management, das auf hohe Qualität ausgerichtet ist.


Das alte Brennhaus© Foto: MargareteMarie


MM: Ist es schwieriger geworden, gute Fässer zu bekommen?

Des: Es ist eher eine Frage der Kosten. Bei der letzten Lieferung haben wir für unsere Sherry-Fässer jeweils 850 Pfund gezahlt, für die Bourbon-Fässer 140 Pfund. 2002 hingegen hat ein Sherry-Fass 300 Pfund gekostet, ein Bourbon Barrel nur 18 Pfund. Die Preise sind vor kurzem schon wieder gestiegen, bedingt durch den Brexit und die Abwertung des Pfund.

MM: Macht euch der Brexit Sorgen?

Des: Unsicherheit ist nie gut für das Geschäft. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das meistern können. Wir werden uns vielleicht auf neue Märkte einstellen müssen.

MM: Was sind denn derzeit die wichtigsten Märkte für euch?

Des: Deutschland war im letzten Jahr unser größter Abnehmer. Dort haben wir in den letzten beiden Jahren beachtliche Marktanteile gewonnen. Frankreich und die USA sind auch wichtig. Und natürlich der Inland-Markt. Insgesamt waren die letzten Jahre sowohl für Edradour als auch für Signatory sehr erfolgreich. Und durch die Abwertung des Pfund ist der Whisky im Ausland jetzt günstiger geworden.

Der original "Morton Kühlschrank", in dem die Maische vor dem Gärprozess gekühlt wird. Inzwischen wurde er auch in Edradour I durch einen Nachbau ersetzt. © Foto: MargareteMarie

MM: Ihr habt vor kurzem ein sehr schönes Cuvée aus ungetorftem Edradour-Whisky und getorftem Ballechin in Deutschland herausgebracht.

Des: Das Cuvée war ursprünglich für Frankreich produziert worden, anläßlich der Whisky-Show in Paris im letzten Jahr, und wir haben es dann auch für Deutschland gemacht. Im Mai werden wir es noch in zwei weiteren Märkten herausbringen, und es wird vielleicht auch Bestandteil der Standard-Range werden.

MM: Ihr seid inzwischen so erfolgreich, dass ihr die Brennerei vergrößern werdet.

Des: Ja, wir bauen eine zweite Brennerei auf der anderen Seite. Die Brennblasen und die Arbeitsabläufe werden jedoch so identisch wie möglich zu unserer jetzigen Brennerei sein, wir bauen sozusagen ein Replikat von Edradour. Wir wollen genau den gleichen Whisky produzieren. Deshalb wird die neue Brennerei auch Edradour II heißen. Wir haben hier einfach nicht genug Platz gehabt, um zu erweitern. Aber in der neuen Brennerei wird alles identisch sein mit der alten Brennerei  außer dem gußeisernen Maischbottich, der noch von 1910 stammt. Der hat auf den Geschmack des Whiskys keinen Einfluß. Alle Schritte, die danach kommen, haben jedoch einen Einfluß: die Brennblasen, die Kühlspirale, die Gärtanks aus Douglasienholz- es wird alles so original getreu wie möglich nachgebaut.

Im alten Warehouse. © Foto: MargareteMarie

MM: Werdet ihr auch mehr Personal brauchen?

Des: Derzeit arbeiten zwei Brenner an sechs Tagen in der Woche. Die alte Brennerei hat nur 2 Gärtanks, so dass wir nur eine Schicht pro Tag arbeiten können. Wenn die neue Brennerei fertig ist, werden wir auf fünf Tage reduzieren, und in jeder Brennerei wird ein Brenner tätig sein, und ein dritter Brenner wird je nach Bedarf zusätzlich eingesetzt. Edradour II ist vom Platz her größer und bietet Raum für 6 Gärtanks. Wir können dann theoretisch sogar 24-Stunden-Schichten fahren. Derzeit haben wir eine Kapazität von 125.000 Liter Alkohol im Jahr. Wenn Edradour II fertig ist, werden wir 200.000 Liter im Jahr produzieren. Der Plan ist, dass wir in ein paar Jahren dann auch zwei Schichten am Tag arbeiten, und in zehn Jahren vielleicht sogar  drei Schichten. Rein technisch gesehen könnten wir eine Kapazität von bis zu  500.000 Liter pro Jahr erreichen.

MM: Wie sieht denn euer Terminplan für die neue Brennerei aus?

Des: Der Rohbau wird Anfang Mai  fertig gestellt sein. Die Brennblasen werden derzeit in Rothes hergestellt, und werden hoffentlich im September hier ankommen. Wir planen mit acht bis zwölf Wochen, um sie einzubauen. Am Ende des Jahres wollen wir den ersten New Make produzieren. Wir wären jedenfalls sehr enttäuscht, wenn die neue Brennerei zu  Beginn des nächsten Jahres nicht in Betrieb wäre.

MM: Ihr baut aber nicht nur ein neues Brennhaus.

Des: Der größte Teil der Bauarbeiten umfasst neue Lagerhallen. Wir lagern derzeit 6.000 Fässer hier. Wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, werden wir 25.000 Fässer lagern können. Wir haben genug Platz, um die Produktion der nächsten 10 Jahre zurück legen zu können. Wir brauchen diese Lagerfläche ja nicht sofort, so dass wir  die Möglichkeit haben, zunächst mehr Fässer von Signatory hier zu lagern. Die werden wir dann nach und nach abfüllen, wenn wir den Platz für unsere eigenen Fässer brauchen.


Edradour im Frühling. © Foto: MargareteMarie

MM: Wieviele Fässer hat Signatory denn derzeit?

Des: Wir haben derzeit etwa 15.000 Fässer, von denen etwa 1.000 jetzt schon hier gelagert sind.

MM: Wird die neue Brennerei Auswirkungen auf euer Fassmanagement haben?

Des: Die höhere Brennkapazität erlaubt uns Fassvariationen in größerem Umfang als bisher durchzuführen. Wir können zum Beispiel mehr Weinfässer befüllen. Wenn man nur 120.000 Liter pro Jahr hat, hat man einfach nicht genug Menge, um all die verschiedenen Weinfässer zu befüllen, die man gerne füllen würde. Der größte Teil von Edradour wird auch in Zukunft in Sherry-Fässer gefüllt, aber wir werden mehr mit anderen Fässern experimentieren können. Ich glaube jedoch nicht, dass Weinfässer jemals die Popularität von Sherry-Fässern erreichen werden.

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Nach unserem Interview-Gespräch hat mir Des dann noch die Baustelle gezeigt, und da Andrew inzwischen mit Rasen mähen fertig war, habe ich dann auch noch eine Weile mit ihm geplaudert. Der Rohbau ist inzwischen fast fertig gestellt, und die folgenden Bilder geben noch einen kleinen Eindruck von den großen Dingen, die derzeit bei Edradour entstehen. Ich bin schon sehr gespannt auf meinen nächsten Besuch, wenn die neue Anlage dann fertig sein wird.

 Die Lagerhallen schließen sich unmittelbar an das neue Brennhaus an. © Foto: MargareteMarie

Der Rohbau von Edradour II steht schon.
© Foto: MargareteMarie
In dieser Ecke werden in wenigen Monaten die Brennblasen installiert werden. Durch die Öffnung werden die Kühlrohre ins Freie geführt.
© Foto: MargareteMarie


Die neue Anlage wird deutlich mehr Platz bieten und das Arbeiten dadurch komfortabler gestalten. © Foto: MargareteMarie

Die neuen Lagerhallen bei Edradour.
© Foto: MargareteMarie

Adresse: 

Edradour Distillery
Pitlochry
Perthshire
Scotland
PH16 5JP

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