Blended Malt very old: aus dem Schatzkästlein der Whisky Agency

Echte Malt-Heads wollen es immer genau wissen: welches Alter, welche Brennerei, welches Fass. Blended Malts von ungewisser Herkunft werden gerne links liegen gelassen. Doch auch hinter einem obskuren Etikett kann sich so manche besondere Überraschung verbergen. Wie beispielsweise der Blended Malt XO der Whisky Agency.

Die Aufschrift verrät auf den ersten Blick nur wenig. "Blended Malt". Kein Name, kein Alter, nichts. Und vielleicht hätte ich die Flasche mit dem sommerlichen, farbenfrohen Etikett auch nicht allzu sehr beachtet, hätte mich nicht ein Zusatz hinter diesen beiden Worten stutzig gemacht: XO. In der Cognac-Sprache ist diese Abkürzung den älteren Jahrgängen vorbehalten. Nunja, allzu viel sollte man vielleicht nicht darauf geben, der Begriff ist dehnbar, und  "älter" heißt beim Cognac im Klartext älter als sechs Jahre.

Dennoch war meine Neugier geweckt, denn schon in Limburg hatte ich am Stand von Sansibar ähnlich obskure Abüllungen eines Blended Malt entdeckt, bei denen das Alter mit einem nebulösen "very old selection" umrissen wurde. Die Gerüchte, die kursierten, klangen mehr als spannend, und natürlich wollte ich es gerne genauer wissen.

Und wie immer in solchen Fällen gibt es keine offiziellen Informationen, die Abfüller halten sich bedeckt, die Brennerei will nicht genannt werden.  Dabei ist die Geschichte schon fast zu gut, um wahr zu sein, und reicht zurück in das Jahr 2004.

Damals entdeckte man in den Lagerhallen eines bekannten schottischen Whisky-Konzerns eine bereits vermischte Charge von alten Fässern aus den späten 60er und frühen 70er Jahren, deren Alkoholstärke drohte, unter die 40%-Marke zu rutschen. Der Angels Share - ihr wisst schon...

Um die Fässer zu retten, hat man dann einen dreijährigen, höherprozentigen Whisky einer anderen, familiengeführten Brennerei beigemischt und in einzelne Sherry Butts umgefüllt. Wahrscheinlich sollten sie  irgendwann in einem der Blended Whiskys des Konzerns verarbeitet werden.  Doch dazu ist es nie gekommen. Stattdessen fanden die etwa 25 Fässer  mit dieser ganz besonderen Mischung vor einigen Monaten ihren Weg zu den verschiedensten unabhängigen Abfüllern.




Technisch gesehen müsste man also auf dem Etikett einen Whisky aus 2001 deklarieren - doch das würde dem wahren Charakter der Abfüllung wohl nicht gerecht werden. Bleiben wir also bei "very old". Doch was ist mit den Brennerei-Namen? Ein bißchen kreativ und kombinationsfreudig müsst ihr schon sein. Denn so viele Brennereien gibt es nun auch wieder nicht, die Anfang der 70er Jahre in Besitz eines Konzerns waren, der bis heute für seine Sherry-Fässer berühmt ist.

Bleibt noch die Frage nach dem Mengenverhältnis von altem und jungem Whisky. Das wird wohl ewig das Geheimnis der Produzenten bleiben. Da hilft nur eins: probieren, wie er schmeckt.

Drei der 25 Fässer stelle ich euch heute vor, doch es gibt noch weitere. Wenn ihr ein bißchen die Augen aufhaltet, werdet ihr bestimmt die anderen auch noch entdecken. Bei Eiling Lim vielleicht (older than old), oder Shinanoya,  oder.... oder.... Die Whisky-Welt ist eng vernetzt.

Hier meine Tasting Notes:


Blended Malt XO, Good Vibes, The Whisky Agency, 44.7%, Sherry Butt, 317 Flaschen


Aroma: Dunkle Beeren, Pflaumen, Orangen, Sherry, getrocknete Kräuter,  Toffee, süß, malzig, trocken. Und irgendwie "alt".

Geschmack: rund, weich, sehr cremig, ölig, Wachs, Tabak, Leder, Teeblätter

Nachklang: lang, tocken, wachsig

Fazit: Dame mit Hut. Ein wunderbar altmodischer Whisky aus dem Sherry-Fass. Harmonisch und stilvoll. So stelle ich mir einen Klassiker vor.

Punkte: 90 (von 100)

 

Speyside Blended Malt, Very Old Selection, Sansibar für Whiskyklubben, Sherry Butt, 45.3%, 554 Flaschen


Aroma: trocken, reichhaltige Früchte-Marmelade aus Stachelbeeren, Kiwi, Rosinen, Trauben, Johannisbeeren und Datteln, gepaart mit sauren Drops. Kaum Süße, dafür aber eine schräge Note. Irgendwie "dreckig". Ein Hauch von Schwefel vielleicht?

Geschmack: dunkel, trocken, Tabak, Leder,  ölig, fast speckig, dunkle Schokolade, und ganz überraschend auch etwas Asche. Wo kommt die denn her?

Nachklang: lang

Fazit: Working Class Hero. Harmonisch, aber herb und mit einem "dreckigen" Unterton, der ihn markant wirken läßt.

Punkte: 89 (von 100)


Speyside Blended Malt, Sansibar, selected by Peter van Vliet, 45.8%, Sherry Butt, 187 Flaschen


Aroma: wunderbar saftige Früchte, frische Orangen, unglaublich süß, alter Küchenschrank, Sherry-Töne, Malz.

Geschmack: überraschend dunkel, die Süße ist weg, stattdessen viel Tabak und Leder, Grasboden und nasser Lehm, pfeffrig

Nachklang: lang, trocken

Fazit: Yin und Yang. Spannender Kontrast von süß und herb, hell und dunkel, frisch und trocken. Vielleicht ein Sherry-Fass aus amerikanischer Eiche?

Punkte: 89 (von 100)

 

MargareteMarie meint:


Drei wunderschöne  Abfüllungen, die von altmodischen Sherry-Noten und Fruchtaromen getragen werden. Holz findet man kaum, hier hat die Zeit die Aromen aufgebaut. Fast könnte man nostalgisch werden. Ihre Verwandschaft können die drei kaum verleugnen, trotz aller Unterschiede werden sie vom gleichen Grundcharakter geprägt.

Ob sie tatsächlich sehr alten Whisky aus den 60er und 70er Jahren beinhalten, lässt sich nicht beweisen. Doch der Geschmack passt zur Geschichte. Welcher Abfüllung man den Vorzug gibt, ist wohl eher eine Frage der persönlichen Vorliebe.

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