Wer jetzt frohlockt, ist ein Narr. Das Ende des Whisky-Booms.

Seit Jahren befindet sich die schottische Whiskyindustrie auf Wachstumskurs. Doch es scheint, als habe man allmählich den Scheitelpunkt erreicht. Die Prognosen des Wall Street Journal für die kommenden fünf Jahre sind sehr verhalten.
Für die großen Konzerne hat ein Rückgang der Wachstumsrate Konsequenzen: sie sind auf Brautschau nach neuen Firmennamen im Portfolio. Die Jagd auf die Kleinen hat längst begonnen.
 

Die Zeit der großen Wachstumsraten im Whisky-Segment scheint vorbei zu sein. Während schottischer Single Malt in den vergangenen fünf Jahren noch eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 6,9% vorweisen konnte, rechnet die Branche bis 2020 mit einem deutlichen Rückgang der Nachfrage - zumindest, wenn man den Angaben des Wall Street Journal glauben kann. Noch schlechter sehen die Zahlen im Bereich der Blended Whiskys aus: hier rechnen Experten mit einem Einbruch von 6,5% auf 2,5% bei japanischen Marken, und schottische Blends dümpeln ohnehin schon lange bei einer Wachstumsrate unter 2%.

Den großen Konzernen dürfte dieser Abwärtstrend nur wenig gefallen. Mit großartig angelegten Werbekampagnen versuchen sie, den Absatz immer weiter anzukurbeln. Doch für den Fall der Fälle werden sie das tun, was sie am besten können: die Konkurrenten aufkaufen. Wenn die Margen immer geringer werden, wird der Kampf um die Kunden härter werden. Man sucht sein Heil in anderen Produkten, schiebt Rum, Cognac, Vodka und Gin in das Bewußtsein der Kunden. Vor allem aber: man versucht, sein Terrain zu vergrößern.

Bereits heute befinden sich die meisten der schottischen Brennereien im Besitz von international agierenden Getränke-Riesen. Doch in Zukunft wird es auch den kleinen, privat geführten Brennereien  an den Kragen gehen. Die Übernahme von Bruichladdich 2012 durch Rémy Cointreau war nur der Beginn einer Entwicklung, die in der kommenden Dekade weiter gehen wird. Im vergangenen Jahr wurde die private Forty Creek Brennerei von Campari übernommen, in diesem Jahr kaufte Brown-Foreman Slane Castle in Irland auf, noch ehe dort die Produktion überhaupt richtig begonnen hatte. Und auch die ein oder andere Brennerei in Tasmanien hat angeblich schon Angebote erhalten.

Brennereien wie Glenlivet, Glenmorangie, oder Macallan haben die Boom-Phase wirtschaftlich genutzt, weitere Brennblasen angeschafft und ihre Kapazitäten enorm vergrößert. Die Reserven, die in ihren Lagerhallen schlummern, sind inzwischen gigantisch. Doch sie alle gehören zu großen Konzernen, die gelassen der Zukunft entgegen blicken können. Wenn der Wind sich dreht, werden unrentable Betriebe verkleinert, Personal entlassen und andere Marken stärker beworben. Ihr Portfolie ist so divers, und ihre Kreditkraft so enorm, dass sie Markt-Schwankungen problemlos überstehen können. Und während sie fleißig Sekt, Wein, Cognac oder Champagner verkaufen, können die überschüssigen Whisky-Reserven in Ruhe in ihren schottischen Lagerhallen ruhen, bis in zehn oder zwanzig Jahren der Wind sich wieder dreht.



Doch zunehmend geraten die kleinen, privaten, mittelständischen Gesellschaften und Brennereien, die in jüngster Vergangenheit entstanden sind, in den Fokus der international agierenden Konzerne. Denn sie bieten das, was den Großen so oft fehlt: Pioniergeist, Handwerkskunst, Individualität und Liebe zum Detail. Marken wie Kilchoman, Penderyn, Macmyra,  Armorik, Koval, Finch, Sullivan's Cove und viele andere finden eine zunehmend größere Fan-Gemeinde, weil sie Klasse statt Masse produzieren und eine Nähe zu ihren Kunden bieten können, die für die großen Global Player der Whisky Welt unerreicht bleiben wird.

Doch so mancher dieser noch jungen, aufstrebenden Betriebe wird enorm unter Druck geraten. Ihre Finanzkraft ist gering, ihre Kapitaldecke dünn, ihre Arbeitskraft begrenzt. Finanzielle Reserven haben sie kaum. Die Begierlichkeit der großen Konzerne, sich so manchen dieser attraktiven Neulinge einzuverleiben, ist groß, und was nicht übernommen werden kann, wird kalt gestellt.

Läßt der Kaufwille der Kunden nach, werden die Kleinen die ersten sein, die unter den rückläufigen Verkaufszahlen leiden werden. Denn für sie zählt jede Flasche. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Mehrzahl von ihnen aufgeben wird.

MargareteMarie meint:

Die Unken rufen es bereits aus allen Ecken: der Wisky-Boom wird bald ins Stocken geraten, der kommende Whisky-See wird größer als die Nachfrage sein. Doch wer jetzt frohlockt, ist ein Narr. Nicht die großen Konzerne werden verlieren, sondern wir. Mag sein, dass es die ein oder andere überflüssige Travel Retail Abfüllung nicht mehr geben wird. Die vermisst ohnehin niemand. Aber einen Bowmore Devil's Cask wird es nicht zum Schnäppchenpreis geben. Er wird ersatzlos gestrichen  werden.

Was bleiben wird, sind mittelmäßige Standardausgaben zu mittelmäßigen Preisen und in mittelmäßiger Qualität. Was uns wirklich fehlen wird, sind all die kleinen und  privaten Brennereien der jüngeren Vergangenheit, die alte Maßstäbe der Whisky-Handwerkskunst neu belebt haben. Nur die wenigsten von ihnen werden dem doppelten Druck von Marktverfall und Konzernbegierde standhalten können. Die Platzhirsche haben sich bereits formiert, um das Gelände unter sich zu verteilen. Genießen wir also die Vielfalt und Individualität, solange wir sie noch haben. Es könnte schon bald vorbei damit sein.


Kommentare

  1. Das wußte ich nicht! Wohl weiß ich, dass die Großen immer mehr aufkaufen, aber dass der Boom einbricht, ist mir neu.
    Sagen wir es mal so: Unser privates Lager ist gefüllt, das können wir sowieso bis zum Ende dieser Tage nicht mehr trinken.
    Danke für deine wieder tollen Ausführungen.

    Sigrun

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    1. Prognosen sind ja immer mit Vorsicht zu genießen, Sigrun. Aber ein paar Prozent weniger Wachstum bedeuten schnell viele tausend weniger verkaufte Flaschen. Die kleinen Betriebe werden ein nachlassendes Interesse der Kunden als erstes spüren. Ich glaube, dass wir uns gerade in einer goldenen Ära befinden, die weltweit die Entstehung von vielen kleinen, privaten Brennereien wieder möglich gemacht hat. Es hat noch nie ein so umfangreiches, tolles und vielfältiges Angebot gegeben wie in jüngster Vergangenheit. Dass das auch in Zukunft so bleibt, bezweifle ich.

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