Bottle aged Lufthansa Cocktails im Test
Whisky muss lagern. Ein Cocktail muss frisch sein. So lauten die alten Dogmen. Oder geht es auch anders? Auf der Finest Spirits in München haben einige Mitglieder des Cocktail-and-Dreams-Forums Mut bewiesen und sich an flaschengelagerte Cocktails gewagt.
Als Tony Conigliaro seine Bar "69 Colebrooke Row" 2009 in London eröffnete, begann er erstmals, mit flaschengelagerten Cocktails zu experimentieren. Heute gilt er zusammen mit Jeffrey Morgenthaler, der Cocktails in Fässern reifen lässt, zu den Trendsettern in diesem Bereich, und Aged Cocktails werden mittlerweile mit mehr oder minder großem Erfolg in vielen Cocktail-Bars angeboten.
Bottle Aged Cocktails sind im Grundprinzip Cocktails, die mehr oder weniger stark der Oxidation ausgesetzt sind. Am besten eignen sich deshalb Cocktails, die ohne Zugabe von Saft oder Milchprodukten zubereitet werden.
Während die Vorgänge der Weinoxidation mittlerweile sehr gut erforscht sind, ist über die Cocktail-Oxidation erst wenig bekannt. Wenn der Cocktail in eine Flasche eingefüllt wird, reichert er sich mit Sauerstoff an. Je länger der Cocktail anschließend lagert, desto stärker verändert er sich. Im besten Fall wird der Cocktail komplexer, runder und weicher.
Die Idee, Cocktails in Flaschen zu füllen und zu einem späteren Zeitpunkt zu servieren, ist nicht neu. Bereits in den späten 1880er Jahren kamen findige Bartender auf die Idee, ihren Kunden den Lieblings-Cocktail in Flaschen zu füllen und so für einen späteren Genuß mit auf den Weg zu geben.
Hier stand allerdings weniger der Wunsch im Vordergrund, durch Oxidationsvorgänge den Geschmack des Cocktails zu verändern. Vielmehr ging es wohl darum, den Cocktail leichter verfügbar zu machen und ohne aufwändige Zubereitung genießen zu können.
Auch die deutsche Lufthansa erkannte früh den Vorteil von vorgefertigten Cocktails. Da die engen Platzverhältnisse im Flugzeug ein aufwändiges Mixen an Ort und Stelle nicht zuließen, sollen bereits in den 1930er Jahren fertig gemischte Cocktails an Bord serviert worden sein.
In den 60er Jahren übernahm der Berliner Likörhersteller Mampe, der mit seinem Magenbitter die Lufthansa belieferte, die Produktions- und Vertriebsrechte für den "Lufthansa Cocktail", der aus Champagner und Orangen-Aprikosen-Likör zubereitet wurde. Jahrelang war er ein großer Erfolg, doch irgendwann geriet er in Vergessenheit. Erst verschwand der Lufthansa Cocktail vom Markt, dann auch Mampe.
Doch jetzt sind beide wieder da. Tom Inden-Lohmar und Frank Zächel brachten Mampe Halb & Halb wieder auf den Markt. Die Lizenzrechte für den Lufthansa Cocktail erwarben im vergangenen Jahr Bastian Heuser, Bartender und Buchautor, und Steffen Lohr, Bartender und Ex-Brandambassador für Bacardi, mit ihrer Berliner Agentur Small Big Brands.
Die neue Range umfasst sechs verschiedene Bottled Cocktails: Old Fashioned, Dry Martini, Negroni, White Manhattan, Pear Gimlet und Classic.
Soviel Sinn für Tradition begeistert mich, und auf der Finest Spirits in München habe ich die Gelegenheit genutzt, die neuen Lufthansa Cocktails auch zu probieren. Unterstützung erhielt ich dabei von einigen erfahrenen Mitgliedern des Cocktail-and-Dreams Forum. Und ich will fair bleiben: wir hatten unsere Vorbehalte. Schließlich ist die frische Zubereitung eines Cocktails schon das halbe Vergnügen, auch optisch. Einfach nur ein Flasche aufmachen und eingießen wirkt doch etwas profan. Dennoch werden bottle aged Cocktails von vielen Bartendern geschätzt, weil sie durchaus einen besonderen Geschmack entwickeln können.
MargareteMarie meint:
Über Sinn und Unsinn von Bottle Aged Cocktails kann man streiten. Sie sind vor allem praktisch. Man muss nichts abmessen und nichts schütteln, und das genaue Rezept muss man auch nicht kennen. Idiotensicher, sozusagen. Nach sieben, acht oder zehn Jahren Lagerung mag sich auch eine positive Geschmacksveränderung einstellen.
Doch ein großer Nachteil wurde bei unserer Verkostung offensichtlich: einen frisch gemixten Cocktail kann ich auf meine persönlichen Präferenzen optimal abstimmen. Ich kann das Rezept anpassen. Ein bißchen Whisky mehr. Ein bißchen Zuckersyrup weniger.
Beim Fertigprodukt gibt es keine Variation. Die hätten wir uns aber gewünscht. Ein bißchen Zucker weniger. Ein bißchen Aroma mehr.
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