Tasting Notes: Glenugie 1970 Gordon & MacPhail - und noch ein paar andere Überraschungen

Die Glenugie Distillery hat eine reiche Historie, doch leider wurde sie 1982 geschlossen. In Stefans Whisky-Pub in Petersberg-Steinau habe ich zu meiner großen Überraschung eine der wenigen Glenugie-Abfüllungen gefunden, die es noch gibt. Und auch sonst war der Abend äußerst denkwürdig.

Eigentlich wollte ich am Samstag Abend nur nach Steinau zu Stefans Whisky-Pub fahren, um beim Stammtisch unseres Whisky-Clubs ein paar Drams zu probieren und einen netten Abend zu haben. Doch irgendwie kam dann alles ganz anders als erwartet, und es wurde ein Abend voller Überraschungen. 

Überraschung No 1 - unverhoffte Begegnung

Da einige Teilnehmer kurzfristig abgesagt hatten, trafen wir uns nicht in der Distiller's Lounge, sondern blieben im angrenzenden Whisky-Pub, wo Roland, Helmut und Michael die Gäste mit feinster irischer Pub-Musik unterhielten. 

Irgendwann erwähnte Stefan ganz beiläufig, dass derzeit einige ehemalige Soldaten des 11th Armored Cavalry Regiment, die früher in Fulda stationiert waren, bei ihm zu Gast sind. Um auch was schlaues zum Gespräch beizusteuern, habe ich dann erzählt, dass einer meiner amerikanischen Facebook-Freunde auch in Fulda stationiert war, und frage vorsichtshalber: "Vielleicht kennst du ihn ja, er heißt Dale". 

Daraufhin Stefan ganz trocken: "Ja, der Dale steht da hinten am Tresen". Mich hat es fast vom sprichwörtlichen Hocker gehauen, denn ich hatte keine Ahnung, dass Dale in Steinau war. 

Dale, Stefan und ein Kult-Bourbon namens Blackhorse 1901

Überraschung No 2 - ein Kult-Bourbon mit deutsch-amerikanischer Geschichte

Natürlich gab es dann erst mal ein großes Begrüßungshallo und Stefan hat eine besondere Bourbon-Flasche auf den Tisch gestellt, die Dale aus den USA mitbrachte: "Blackhorse 1901". Die Abfüllung ist erst seit zwei Jahren auf dem Markt, und hat in den USA inzwischen Kult-Status.

Gewidmet ist sie dem legendären 11. (gepanzerten) Kavalerie-Regiment der amerikanischen Streitkräfte, das 1901 gegründet wurde und oft in den vielen Krisenherden dieser Welt eingesetzt wurde, unter anderem auch in Vietnam und in Fulda. Der Erlös aus dem Verkauf kommt dem Hilfswerk zugute, das die Kinder von Regimentsmitgliedern unterstützt, die beim Arbeitseinsatz ums Leben gekommen sind. Dale hatte diese besondere Flasche eigens für Stefan aus den USA mitgebracht.


Der Bourbon ist zwischen 3 und 10 Jahre alt, und stammt aus Kentucky. Leider habe ich nicht herausfinden können, aus welcher Brennerei er kommt, vielleicht wissen die Bourbon-Spezialisten unter euch mehr. Der Geschmack ist unglaublich gut und reichhaltig, mit viel Vanille und Butterscotch. Falls ihr den Bourbon irgendwo zum vernünftigen Preis entdeckt - unbedingt zugreifen, die Qualität ist Top!

Blackhorse 1901

Überraschung No 3

Wie es dann so geht bei Whisky-Abenden, wo die Stimmung besonders schön ist, hat Stefan mir dann noch was besonders gutes tun wollen und hat eine Flasche aus seinem Kabinett hervorgekramt, die mein Herz echt einen kleinen Hüpfer machen ließ: ein Glenugie 1970!😍😍😍 

Über die Glenugi Distillery habe ich schon wahnsinnig viel gelesen, denn sie gehört zu den ältesten Brennereien in Schottland. Oder besser gesagt, sie gehörte - denn die 1831 gegründete Brennerei wurde 1982 geschlossen und später abgerissen. Aber irgendwie hat es sich noch nie ergeben, dass ich mal einen Glenugie trinke. 

Historisches Bild der Glenugie Distillery

Der Whisky von Glenugie wurde vor allem für die Blends von Long John bzw. Seager Evans benutzt, es gab jedoch einige unabhängige Abfüller, die ihn herausbrachten. Mittlerweile ist Glenugie kaum noch zu bekommen, und die Flasche, die Stefan so locker vor mich hinstellte, ist unter 1.000 Euro nicht mehr zu haben. 

Überraschung No 4 

Man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist. Leider haben wir an dem Abend noch ein bißchen weiter gefeiert, und die nächste Überraschung war dann weniger schön. Zwei Gäste, die zu viel getrunken hatten, wurden unangenehm, und dann waren plötzlich Stefans Handy und sowie eine seltene Abfüllung aus einer Fass-Teilung der Schlitzer Whisky-Brennerei verschwunden. 

Sollte dieser wunderschöne Abend tatsächlich so schäbig enden?


Michael, Helmut und Roland

Überraschung No 5

Irgendwie hatte der Himmel wohl ein Einsehen, dass eine so wundervolle Geschichte ein Happy-End braucht. Stefan hat tatsächlich sein Handy orten können und am nächsten Tag gelang es ihm, sein Handy wieder in seinen Besitz zu bringen. Und die verschwundene Flasche Whisky wurde wundersamerweise in einem Blumenkübel wiedergefunden. 

Der Abend hatte echt einiges an Höhepunkten und auch an Aufregung für uns bereitgehalten, und der Sonntag hat dann Gottseidank ein glückliches Ende gebracht.

Ich staune wieder einmal, was man rund um Whisky so alles erleben kann. Und ich werde ganz bestimmt nie vergessen wie ich an einem einzigen Abend Dale in Steinau traf, den Blackhorse 1901 Bourbon probieren konnte, die klasse Musik von Michael, Helmut und Roland hören konnte, ein Handy und ein wertvoller Whisky verschwanden und wieder auftauchten und ich meinen ersten - und vielleicht auch einzigen - Glenugie 1970 probieren konnte. 

Es soll bloß keiner sagen, in der Provinz sei es langweilig.

What a night!

Und hier sind jetzt endlich meine Tasting Notes vom Glenugie:

Flüssige Geschichte: Glenugie 1970, 42 Jahre, Gordon & MacPhail

Glenugie 1970, Gordon & MacPhail, Single Malt,  Lot No RO/12/03, abgefüllt 2012, Ex-Bourbon Hogshead, 46%

Aroma: sofort Omas alter Küchenschrank, mit diesem typischen muffig-vertrauten Geruch und mit schönen Bienenwachs-Noten. Ein paar Minuten später folgen überraschend frische Fruchtaromen von Limetten, saftigen Orangen, Mandarinen und Stachelbeer-Gelee. Dann öffnen sich auch üppige Honigtöne und Malznoten. Ein Hauch von Harz, Räucherspeck, Pinien und schwerem Blütenduft runden das Aroma ab.

Geschmack: dunkel, mit der typischen ranzigen Note, die man oft bei alten Whiskys finden kann. Dazu Tabak und Leder. 

Nachklang: lang, und leicht ranzig

Mein Tip: dem Whisky unbedingt Zeit lassen. Selbst nach über zwei Stunden offen im Glas ist er immer noch so präsent wie in dem Augenblick, als er eingegossen wurde. Was in vierzig Jahren aufgebaut wurde, fällt nicht in zwei Stunden zusammen. Der Duft bleibt stundenlang extrem intensiv am Glasrand hängen.

Vielen Dank an Stefan, das war ein denkwürdiger Malt-Moment.




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