Sommerwhisky: Canadian Club 12 / 1975. Pur, auf Eis, oder im Cocktail?

Canadian Club Whisky gibt es schon seit über 150 Jahren, und bis heute gehört er zur Standard-Ausstattung einer guten Bar. Getrunken wird er meist auf Eis. Doch bei der 12 Jahre alten Abfüllung stellt sich die Frage, ob man ihn nicht vielleicht doch besser pur genießen sollte. Vor allem, wenn die Abfüllung aus dem Jahre 1975 stammt.



Könnt ihr euch noch erinnern, was ihr 1963 gemacht habt? Oder 1975? Whisky durfte ich damals noch nicht trinken, dafür war ich noch zu jung, aber dennoch gab es in den 1960 und 1970 Jahren genug aufregendes zu entdecken.

Musikalisch war 1963 die Welt noch in Ordnung. Manuela gab  dem Bossanova die Schuld, Conny träumte von der Barcarole in der Nacht, Freddy hoffte, dass der Junge bald wieder kommt, und die Beatles begeisterten mit dem Ohrwurm "She loves you".

Auf politischer Ebene waren die Ereignisse jedoch weniger beschaulich: Kennedy erklärte "Ich bin ein Berliner", und wurde wenige Monate später bei einem Attentat ermordet, Martin Luther King hatte einen Traum und wanderte mit 250.000 weiteren Menschen nach Washington. In West-Deutschland dankte Adenauer ab und in England wurde ein Postzug überfallen.

12 Jahre später hatte man musikalisch die Lebenslust und Feierlaune entdeckt. Udo Jürgens  schwärmte von Griechischem Wein, Frank Zander trank auf das Wohl von Marie, und Thin Lizzy gönnte sich einen "Whisky in the Jar".

Auch international bewegte sich in diesem Jahr einiges: in Spanien ging 1973 mit dem Tode von General Franco die 36 Jahre dauernde Diktatur zu Ende, in Vietnam konnten die Kommunisten mit der Kapitulation von Saigon den jahrelangen Krieg zwischen Ost und West für sich entscheiden, und in Mexico City fand die ersten UN-Weltfrauenkonferenz statt.

In Deutschland hat im gleichen Jahr irgendjemand eine Flasche Canadian Club 12 erhalten, und anschließend in seinem Weinkeller liegenlassen, bis niemand mehr daran dachte.

2020 ist die Flasche wieder ans Tageslicht gekommen.  Was macht man mit einer Abfüllung, die Whisky enthält, der vor 45 Jahren abgefüllt und vor 57 Jahren hergestellt wurde? Zulassen? Pur trinken? Auf Eis? Im Cocktail?

Zulassen kam nicht in Frage, und die anderen Varianten kann man ja durchaus mal ausprobieren.

Meine Tasting Notes: Canadian Club 12,  Abfüllung 1975, 80 proof (40%)

Farbe:
helles Rotbraun

Nase:
im ersten Anflug leicht stechend, mit der typischen Klebstoffnote. Dann steigt  ein wunderbar zartes und elegantes Aromen-Bouquet in die Nase. Ein bißchen Holz, ein bißchen Vanille und Karamell, gefolgt von dezenten Nuss- und Trockenobstaromen. Leichte Würze, mit Anis und Liebstöckel. Dezent untermalt vom staubig-trockenen "Old-Bottle-Flavour".

Gaumen:
Überraschend kräftig für die 40%, aber mit einem milden Mundgefühl, sehr ölig, leicht holzig, mit einer dezenten, trockenen Bitterkeit. Angenehme Wärme auf der Zunge.

Nachklang:
Bleibt auf der Zunge liegen.


Fazit:

Bleiben wir ehrlich: für stundenlanges Schnuppern ist dieser Whisky nicht gemacht. Kanadische Blends sind sehr ausgewogen, und werden traditionell auf Eis getrunken oder im Cocktail gemixt.

Die Stärke des Canadian Club 12 ist seine Ausgewogenheit und Vielseitigkeit. Man kann ihn sehr gut pur trinken, vorausgesetzt, man mag ölige Whiskys mit leichtem Holzeinschlag. Auf Eis kommen die holzigen, öligen Noten voll zur Geltung. Zitrus-Aromen und der "Old-Bottle-Muff" treten deutlich zu tage.

Canadischer Whisky ist hierzulande noch immer ein kaum bekannter Außenseiter. Sehr zu Unrecht, wie ich finde. Dabei gibt es durchaus hochwertige Whiskys aus Canada, die vor allem im Sommer auf Eis ein Genuss sind und als Aperitif bei einer Grillparty mit Freunden Spaß machen, ohne dass das Budget leidet.

Alte kanadische Blends sind derzeit noch zu erschwinglichen Preisen zu haben. Wer einer Grill-Party mit Freunden ein bißchen Whisky-Glanz verleihen will, ohne sich finanziell verausgaben zu müssen, sollte die Augen nach solchen Blends aufhalten.

Auf Eis oder gemixt im Old Fashioned bzw. Whisky Sour machen sie als Aperitif eine wunderbare Figur, und bieten auch genügend Stoff zum fachsimpeln. Denn Kanadische Blends sind alles andere als simpel.



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