A Star is born: Kavalan Solist

Als im März diesen Jahres der "Kavalan Solist Vinho Barrique" zum besten Single Malt Whisky der Welt gewählt wurde, mussten Schottlands Brennereien viel Spott und auch Kritik ertragen. Die Asiaten haben diesen Triumph über die Altmeister gefeiert: im Frankfurter Club Zenzakan stieg vor ein paar Tagen eine grandiose Siegerparty. Selbst CEO und Junior-Chef Yu-Ting Lee sowie Master Blender Ian Chang waren zu diesem Anlass aus dem fernen Taiwan angereist. Und hatten einige Neuigkeiten mit im Gepäck.
 
 


Seit 2006 reifen im subtropischen Klima von Yuanshan in der taiwanesischen Provinz Yilan einzigartige Whiskys heran, die in den vergangenen Jahren schon öfter bei internationalen Wettbewerben Medaillen einheimsen konnten. Dabei stellen die Whiskys von Kavalan alle althergebrachten Binsenweisheiten über guten Single Malt auf den Kopf: sie sind nicht alt, sie kommen nicht aus Schottland, und sie können nicht auf eine jahrzehntelange Tradition zurückblicken.

Und doch konnten sie sich innerhalb weniger Jahre in einer steilen Erfolgskurve an die Weltspitze katapultieren. Bereits 2013 war der Kavalan Solist Fino Sherry bei den World Whisky Awards zum besten Single Malt Whisky der Neuen Welt gekürt worden. In diesem Frühjahr wurde der Kavalan Solist Vinho Barrique sogar zum besten Single Malt der Welt gewählt. Was ist das Erfolgsgeheimnis von Kavalan?


 Master Blender Ian Chang (links)              Foto: R. Battefeld

Im Frankfurter Club Zenzakan wurde an diesem Abend viel über Whisky und über Kavalan geredet. Master Blender Ian Chang und Brand Ambassador Bernhard Schäfer informierten die Gäste unterhaltsam und kurzweilig  über die Brennerei in Yuanshan, erzählten von deutschen und schottischen Brennblasen, von Fassmanagement, Produktionsabläufen und Besucherzahlen. Doch so eindrucksvoll all diese Informationen auch waren, am Ende wurde mir bewusst, dass es - wie so oft, wenn Großes erreicht wird - nicht die Technologie ist, die den Unterschied macht. Sondern die Menschen, die dahinter stehen.


Foto: R. Battefeld

Die Kunst, erfolgreich zu sein


Als 2002 mit dem Eintritt Taiwans in die WTO das Staatsmonopol für die Spirituosenproduktion fiel, war Tian Tsai Lee bereits 67 Jahre alt. Andere Menschen träumen in diesem Alter von einem beschaulichen Lebensabend. Der taiwanesische Multimillionär und Firmenchef der international agierenden King Car Food and Beverage Company hatte einen ganz anderen Traum: er wollte als erster in Taiwan Whisky machen.

Dass er zu diesem Zeitpunkt noch wenig über die Produktion von Whisky wusste, war für ihn kein Hindernis. Denn Tian Tsai Lee beherrscht eine andere, wichtige Kunst: er hat das Talent, im richtigen Moment die richtigen Leute zu finden.

So wie Ian Chang, den Lee vor 10 Jahren als Master Blender zu Kavalan holte. Freimütig und voller Humor gesteht der studierte Lebensmitteltechnologe an diesem Abend in Frankfurt, dass auch er zu Beginn seiner Karriere nur wenig Ahnung von den Dingen hatte, die bald sein Leben bestimmen sollten. Doch Herr Lee hat die Talente seines Master Blenders schon früh erkannt. Mit Feuereifer und Akribie hat sich Ian Chang in die neue Aufgabe gestürzt. Unterstützung erhielt er dabei von dem Mann, der im Ruf steht, der beste Whisky-Experte Schottlands zu sein: Dr. Jim Swan, ehemaliger Leiter des schottischen Instituts für Whisky-Forschung.

Foto: R. Battefeld

Am 11. März 2006 um 15:30 nachmittags war es soweit: nach nur 9 Monaten Bauzeit floss der erste Tropfen taiwanesischer Whisky aus der Destillieranlage, seit 2008 wird abgefüllt. Mit vier Brennblasen und drei Millionen Flaschen pro Jahr fing man an. Seither ist Ian Chang viele tausende Kilometer gereist, hat gute Kontakte zu den Bourbon-Produzenten Kentuckys, den Sherry-Bodegas in Spanien und den Weinproduzenten in Portugal aufgebaut und viele Freunde in der ganzen Welt gewonnen. Und von Jahr zu Jahr wurde die Produktpalette der Brennerei vergrößert und umfasst mittlerweile mehr als 10 verschiedene Abfüllungen.

Holstein-Gin


Dass Dr. Swan die acht deutschen Holstein-Brennblasen, die bereits in der Planungsphase der Brennerei  angeschafft worden waren, aus der Whisky-Produktion verbannte und durch vier schottische Brennblasen von Forsyths ersetzte, sei ihm verziehen. Obsolet sind die deutschen Brennblasen dennoch nicht geworden: bei Kavalan werden für den einheimischen Markt auch andere Spirituosen hergestellt.

Schon bald könnten die Holstein-Brennblasen wieder mehr Aufmerksamkeit erhalten: die Firmenleitung plant, in Kürze auch einen Kavalan-Gin auf den Markt zu bringen. Einzelheiten hat Ian Chang noch nicht verraten, doch wenn sie ihrem Gin die gleiche Aufmerksamkeit widmen wie ihrem Whisky, können wir uns freuen. Ich bin schon sehr gespannt.

Brand Ambassador und Keeper of the Quaich Bernhard Schäfer      

 "We are unique - wir sind einzigartig"


Doch kehren wir zum Whisky zurück. Alle Abfüllungen sind Single Malt Whiskys; Gerste, Brennblasen und Produktionsmethoden stammen aus Schottland. In einem Punkt unterscheidet sich der Whisky von Kavalan jedoch gewaltig von den großen Vorbildern aus Britanniens Norden: das subtropische Klima läßt den Whisky von Kavalan in einem Tempo reifen, von dem die Kollegen im alten Europa und im fernen Japan nur träumen können.

Schon nach zwei bis vier Jahren hat der Whisky ein erstes Optimum erreicht und kann abgefüllt werden. Aber auch die Verdunstungsrate ist gewaltig: innerhalb der Lagerhallen, die sich auf dem Gelände der Brennerei befinden, kann die Temperatur im Sommer leicht die 40°-Marke überschreiten. Die Engel sind durstig in dieser schwülen Hitze: bis zu 15% kann der Verlust durch den "Angels' Share" betragen. Da bleibt nach 10 Jahren nicht mehr viel übrig im Fass. Zum Vergleich: in Schottland liegt der Verdunstungsverlust normalerweise unter drei Prozent.

Master Blender Ian Chang wird es nicht  müde, immer wieder auf diesen entscheidenden Unterschied hinzuweisen. "We are unique", sagt er. "Wir sind einzigartig." Alte Whiskys sucht man in einem solchen Klima vergebens. Doch was anderswo zu Betrüblichkeiten führen würde, erfreut die Taiwanesen. Und ganz besonders Herrn Lee: der mittlerweile 80jährige Firmenchef hat angeblich keine allzu große Lust, noch zwanzig Jahre lang auf seinen Whisky zu warten;-)

Marketing Manager  Silvia Engelhardt                        Foto: R. Battefeld

Der entscheidende Durchbruch erfolgte dann 2009, als man nach einem Besuch von Jim Murray dessen Anregung aufgriff und beschloss, auch Einzelfassabfüllungen auf den Markt zu bringen. Unter dem Namen "Solist" gehören sie mittlerweile fest zum Programm und sorgen bei internationalen Wettbewerben immer wieder für Begeisterung.

Seit 2013 wird Kavalan auch nach Europa exportiert. Und auch diesmal hatte Herr Lee ein gutes Gespür für die Wahl seiner Mitarbeiter: für das Marketing in Deutschland sind seither Jana Schiewer und Silvia Engelhardt verantwortlich, die mit unglaublich viel Engagement und Herzblut landauf und -ab den taiwanesischen Whisky präsentieren. Der ein oder andere von euch hat sie mit Sicherheit auch schon auf einer Whisky-Messe am Stand getroffen. Dass der Vertrieb in Deutschland mittlerweile in den Händen von Andrea Caminneci liegt, war eine weitere kluge Entscheidung der Herren von Kavalan.

Kavalan Solist Vinho Barrique


Beim Kavalan Solist Vinho Barrique handelt es sich - wie auch bei den anderen "Solisten" von Kavalan - um eine Einzelfassabfüllung, es muss also mit geringfügigen Variationen gerechnet werden. Er wird in  Fassstärke abgefüllt, ist ungefärbt und nicht kühlfiltriert.

Expertenblick                                Foto: R. Battefeld
Doch Erfolg lässt sich nicht immer planen, manchmal muss auch der Zufall helfen. Denn der  weltbeste Single Malt Whisky war eigentlich aus der Not geboren: als vor einigen Jahren die dringend benötigten Refill-Fässer  langsam knapp wurden, begann Ian Chang, auch mit portugiesische Weinfässern zu experimentieren. Das Ergebnis hat ihn so begeistert, dass man den Weinfässern eine eigene Solist-Reihe widmete: der Solist Vinho Barrique war geboren.

Inzwischen werden überwiegend amerikanische Rot- und Weißwein-Fässer eingesetzt, die in einem aufwändigen Verfahren, der sogenannten S-T-R-Methode, aufbereitet werden: Zunächst wird das Innere des Fasses von Hand abgeschält, um die säurehaltigen Komponenten im Fass zu  entfernen (S wie Shaving). In einem zweiten Schritt wird das Fass dann getoastet (T), was später zu fruchtigen, karamelligen Aromen im Whisky führt. Am Ende findet noch ein Re-Charring statt (R).

Der Wechsel zu amerikanischen Weinfässern hat dem Vinho Barrique offensichtlich sehr gut getan. Auch mir gefallen die nussigen, karamelligen, vanilligen, holzigen Aromen prima. Die Jury der World Whisky Awards hat ihn als "Bourbon infused milk chocolate" bezeichnet. Und das trifft es wirklich gut. Obwohl er ein reinrassiger Single Malt ist, erinnert er tatsächlich an einen erstklassigen, älteren Bourbon, aber ohne die Klebstoffnote.


Foto: R. Battefeld
Der Solist Vinho Barrique hat den Sieg in diesem Jahr durchaus verdient, und er schmeckt mir nach wie vor richtig gut. Auf detaillierte Verkostungsnotizen möchte ich hier verzichten, ich hatte bereits an anderer Stelle über den Solist Vinho Barrique und diverse andere Kavalan-Abfüllungen berichtet und auch verkostet. (siehe hier).

Mein ganz persönlicher Favorit ist aber nach wie vor sein Gegenpart: der Kavalan Solist Sherry (Oloroso) Cask. Letzterer ist zwar etwas vordergründiger als der Vinho Barrique, aber ich liebe seine dick aufgetragenen Aromen von Rosinen und Trockenfrucht. Auch preislich stellt er derzeit eine interessante Alternative zum Vinho Barrique dar, der in den letzten Wochen doch etwas teuer geworden ist.

 Master Blender Ian Chang, Kavalan.                   Foto: R. Battefeld

Yin und Yang: die neue Premium-Reihe


Ebenfalls im Tasting dabei waren zwei Abfüllungen, die derzeit offiziell noch gar nicht erhältlich sind: der Kavalan Premium Manzanilla Sherry Cask und der Kavalan Premium Amontillado Sherry Cask. Beide Abfüllungen stammen, wie der Name sagt, aus unterschiedlichen Sherry-Fässern, die Ian Chang 2009 in Spanien erwerben konnte: die Abfüllung aus Manzanilla-Fässern ist dabei etwas heller, leichter, trockener und salziger; die Amontillado-Abfüllung ist stärker oxydiert und hat mehr Holz- und Nußaromen.

Im Tasting haben sie geteilte Meinungen hervorgerufen: sie waren durchaus interessant, aber im direkten Vergleich mit den Einzelfass-Abfüllungen aus der Solist-Reihe zogen sie dann doch den Kürzeren. Aber man sollte ja auch frische Erdbeeren nicht gegen eine Erdbeer-Sahne-Torte testen.

Yin und Yang: die neue Premium-Reihe.         Foto: R. Battefeld
Da sich die beiden neuen Abfüllungen geschmacklich ausgezeichnet ergänzen, werden sie in einer Art "Yin-und-Yang"-Doppelflasche mit jeweils 500 ml pro Hälfte präsentiert. Sie werden erst gegen Ende des Jahres auf dem deutschen Markt erscheinen. Die Abfüllung richtet sich wohl eher an den anspruchsvollen Kunden, der sonst schon alles hat: Der Preis für die Doppelflasche soll bei etwa 500 Euro liegen. Was weniger dem Geschmack geschuldet ist, als vielmehr der Seltenheit.
CEO Yu-Ting Lee (links), Master Blender Ian Chang. Foto: R. Battefeld

Fass-Management


Fass-Managment ist derzeit auch bei Kavalan ein großes Thema, und eine der wichtigsten Aufgaben von Ian Chang besteht darin, für ausreichend guten Nachschub zu sorgen. Man kann nur ahnen, wieviele Flug-Kilometer der Master Blender dazu in jüngster Vergangenheit um die Welt jetten musste.

Nicht nur im Bereich der Sherry- und Wein-Fässer hat sich in den letzten Jahren viel getan, auch bei den ex-Bourbon-Fässern hat es Veränderungen gegeben. Seit der Übernahme der amerikanischen Beam-Gruppe durch die japanische Suntory ist es kaum noch möglich, Fässer der Jim-Beam-Brennereien zu erhalten.

Ersatz hat der umtriebige Ian Chang bei Buffalo Trace, Heavan Hill und einigen anderen Brennereien in Kentucky gefunden. Ob sich diese Änderungen auch geschmacklich nachweisbar auf den Solist ex-bourbon Cask auswirken werden, bleibt abzuwarten.

Strippenzieher im Hintergrund;-)                        Foto: R. Battefeld

Expansion


Die Brennerei wird die kommenden Jahre jedenfalls verdammt viele Fässer benötigen. Denn der enorme Erfolg auf internationaler Ebene hat die Nachfrage stark angekurbelt. Planungen zur Erweiterung sind längst im Gang; man will vor allem den russischen Markt erobern.

Schon bis Ende des Jahres soll die erste Phase der Erweiterung abgeschlossen sein. Die Anzahl der Brennblasen wird von derzeit 4 auf dann 10 Brennblasen erhöht. Im kommenden Jahr soll dann die zweite Phase der Erweiterung stattfinden: bis Ende 2016 sind 20 Brennblasen geplant.

Die Produktionsmenge würde damit von derzeit 1.4 Millionen Litern auf über 9 Millionen Liter pro Jahr ansteigen. Eine solche Menge hat auch Auswirkungen auf die Lagerkapazitäten: ob der Whisky auch zukünftig komplett auf dem Gelände der Brennerei gelagert wird oder ob ein Teil der Produktion ins kühlere Klima des Berglandes verlagert werden darf, wird auch davon abhängen, ob sich die gesetzlichen Vorschriften diesbezüglich ändern werden. Eine reizvolle Variante böte es gewiss.


Zenzakan, Frankfurt                      Foto: R. Battefeld

Die Erfolgsstory von Kavalan kann also weitergehen. Für viele mag sie überraschend kommen und wie ein taiwanesisches Märchen aus Tausend und einer Nacht erscheinen. Doch der Erfolg ist hart erarbeitet. Und wohl verdient.

Ian Chang ist Master Blender, Brand Ambassador, Director of Global Business Development und Head of Research and Development in einer Person. Längst hat er sich vom unbekannten Berufsanfänger zu einem vielbeachteten Experten entwickelt. 2015 wurde er zum Master Distiller des Jahres gewählt. Ich bin mir sicher, die World Whisky Awards werden auch in Zukunft noch so manche Medaille nach Taiwan vergeben.

Foto: R. Battefeld
Foto: R. Battefeld
Foto: R. Battefeld
Foto: R. Battefeld

Foto: R. Battefeld
Foto: R. Battefeld






Kommentare

  1. Eigentlich ist es schon erstaunlich, dass der beste Single Malt der Welt aus Taiwan kommt, wo Whisky seinen Ursprung doch wo ganz anders hat. Aber die sind auch wirklich gut!

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