Aquavitae 2014. Die neuen Trends
Trend 1: NAS-Whiskys
Bei den Original-Abfüllern ist der Trend zu Whiskys ohne Altersangabe (No-Age-Statement) ungebrochen und gewinnt zunehmend an Fahrt. Das freie Spiel mit Farben und Aromen macht Spaß und hat das Whisky-Segment deutlich erweitert. Vor allem im Einsteiger-Bereich finden sich mittlerweile auch gute und günstige Abfüllungen, die überwiegend ein neues, jüngeres Publikum ansprechen sollen. Typische Vertreter sind beispielsweise die unterschiedlichen Singleton-of-Dufftown-Varianten Sunray, Tailfire und Spey Cascade von Diageo.
Trend 2: Small Batch
Auch im höher-preisigen Segment finden sich interessante NAS-Abfüllungen, die meist als "Small Batch" angeboten werden, wie etwa der Klassiker Aberlour A'bunadh, oder auch der neue Glenlivet Nàdurra Oloroso, der seit kurzem auf dem Markt ist.
Die fehlende Altersangabe wird in diesem Segment oft durch den Zusatz "First Fill" kompensiert, was dem Kunden signalisieren soll, dass nur erstbefüllte Fässer mit hoher Aromenfülle zum Einsatz kamen. Dennoch hat dieser Bereich es derzeit wohl am schwersten, denn viele Kunden begegnen der fehlenden Alterangabe bei gleichzeitig steigenden Preisen eher mit Mißtrauen.
Trend 3: Alte Whiskys
Reife, "erwachsene" Whiskys, die länger als 18 Jahre im Fass verbracht haben, finden zunehmend Interesse bei einem breiten Publikum. Die Produzenten haben zwar auf die gestiegene Nachfrage reagiert, doch wurde gerade hier besonders stark an der Preisschraube gedreht.
Während viele Original-Abfüller derzeit schwindende Lagerbestände fürchten, sieht die Lage bei den unabhängigen Abfüllern noch anders aus. Sie verfügen oft über gute Lagerbestände aus den verschiedensten Brennereien und über ausgezeichnete Kontakte zu Whisky-Brokern. Da sie ihre Abfüllungen meist als Single-Cask oder Small Batch auf den Markt bringen, können sie flexibler reagieren als die Original-Abfüller. Bekannte Firmen wie Gordon & Macphail, Cadenhead oder Adelphi bieten eine ausgezeichnete Auswahl an alten Whiskys zu (noch) erschwinglichen Preisen. Auch bei vielen kleineren Abfüllern lassen sich derzeit noch viele interessante, alte Whiskys finden.
Allerdings ist hier auch Vorsicht geboten: das Angebot ist groß, die Qualität unterschiedlich. Blind-Käufe können hier schnell zu enttäuschenden Überraschungen führen.
Ein Messe-Besuch mit Verkostungs-Möglichkeiten bietet deshalb eine perfekte Gelegenheit, die "Sahnehäubchen" unter der Vielzahl der Abfüllungen zu finden. Das Angebot an höherpreisigen Einzelfass- und Small-Batch-Abfüllungen ist bei den unabhängigen Abfüllern derzeit recht beachtlich, und so manche gute Flasche wartet nur darauf, entdeckt zu werden. Man sollte auf jeden Fall Geduld mitbringen.
Trend 4: Blended Malts
Es ist ein bißchen wie bei Marmelade: Erdbeer-Marmelade ist toll. Rhabarber-Marmelade auch. Erdbeer-Rhabarber-Kirsch ist aber ganz was anderes. Auch wenn Puristen darüber immer noch die Nase rümpfen: blended Malts werden immer beliebter, denn sie bieten oft ganz erstaunliche Geschmackserlebnisse und stellen eine interessante Alternative zum herkömmlichen Single Malt dar.
Marken wie Big Peat und Monkey Shoulder gehören ja schon zu den Klassikern. Nachdem Douglas Laing bereits im vergangenen Jahr erfolgreich Scallywag herausbrachte, hat er jetzt mit Timorous Beastie seine Produktpalette in diesem Segment erweitert. Auch die Lost Distillery Company hat zwei weitere Abfüllungen auf den Markt gebracht. Neu bei Compass Box sind The Lost Blend und Great King Street.
Trend 5: Die Sub-Kultur
In Deutschland existiert eine kleine, aber sehr lebendige und kenntnisreiche Whisky-Szene, deren Mitglieder dank ihrer ausgedehnten Reisen nach Schottland sowie den modernen Kommunikations-Systemen ausgezeichnet vernetzt sind und über viele gute Kontakte verfügen.
Inzwischen finden immer wieder einzelne Fässer ganz abseits der offiziellen Vertriebsstrukturen ihren Weg nach Deutschland, um als Single-Cask, Half-Cask oder sogar als Third-Cask abgefüllt zu werden. Diese Abfüllungen sind natürlich absolut legal, bewegen sich aber meist außerhalb der herkömmlichen Handelswege. Wer sich für solche anarchistischen Abfüllungen und Kleinst-Label interessiert, sollte in den einschlägigen Whisky-Foren recherchieren.
Das Cutty-Sark-Whisky-Forum ist auf der Aquavitae auch mit einem eigenen Stand vertreten, und verleiht einen eigenen Pokal. Die Messe bietet eine ausgezeichnete Möglichkeit, Mitglieder des Forums einmal persönlich kennen zu lernen.
Trend 6: Der verpasste Trend
Die zunehmende Anzahl an Abfüllungen, die speziell für den Duty-Free- bzw. Travel-Retail-Bereich kreiert werden, blieben mir auf der Messe naturgemäß erspart. Fast hätte ich gesagt "Zum Glück";-)
Trend 7: Der Tomorrow-Whisky
Außerdem hatte ich auf der Aquavitae in diesem Jahr die Gelegenheit, einen Trend zu entdecken, der derzeit noch gar keiner ist. Doch in naher Zukunft werden viele neu gegründete Brennereien in Schottland die Produktion aufnehmen bzw. haben bereits damit begonnen. In den nächsten Jahren werden wir also auch ganz neue Whiskys entdecken können, die es bisher noch gar nicht gab, und mit ein bißchen Glück kann man auch den entsprechenden New Make finden.
Mark Giesler, stellvertretender Distillery Manager bei der neu gegründeten Ardnamurchan Distillery, hat den New Make in seiner Präsentation über die Brennerei auch dabei gehabt. Leider werden wir uns noch mindestens 8 oder 10 Jahre gedulden müssen, bis die ersten regulären Abfüllungen auf den Markt kommen. Doch davon später mehr.
Auch die Kingsbarns Distillery wird noch in diesem Jahr die Produktion aufnehmen und mit etwas Glück wird der New Make von Kingsbarns im nächsten Jahr ebenfalls den Weg nach Mülheim finden.
Trend 8: Pink Power
Und noch einen Trend konnte ich beobachten, der mich persönlich sehr gefreut hat: wenn es um Whisky geht, werden Frauen immer mutiger. Über das Treiben der "Sharing Angels" werde ich demnächst noch in einem eigenen Blogeintrag berichten. Nur soviel sei jetzt schon verraten: wir haben sehr viel Spaß gehabt;-) Slainté!
Wer hat denn in Mülheim keinen Spaß gehabt?
AntwortenLöschen