Tasting Notes: Laphroaig Select. A rough boy tamed

John Campbell hatte ihn bereits im September letzten Jahres angekündigt, jetzt kommt er endlich in Deutschland auf den Markt: Im Mai wird der neue Laphroaig Select erscheinen, und er soll die Core Range langfristig ergänzen. 

Neuerscheinungen sind ja schon längst keine Seltenheit mehr, vor allem Sonderabfüllungen und Travel-Retail-Ausgaben hat es in der jüngsten Vergangenheit mehr als genug gegeben, und nicht immer waren sie unumstritten.

Doch der neue Laphroaig soll dauerhaft das Sortiment ergänzen, und allein deshalb ist er schon einen besonderen Blick wert. Viele verschiedene Fassarten und überwiegend alte Whiskys hatte John Campbell, der Brennerei-Manager von Laphroaig, schon  während meines Interviews im vergangenen Herbst versprochen.
 
 
Für die Whisky-Fans sind solche Ankündigungen immer mit hohen Erwartungen verknüpft: noch älter, noch vollmundiger, noch komplexer, noch besser als der letzte soll er sein.

Doch zu einem guten Standard-Angebot gehört nicht nur die Erweiterung nach oben. Auch das Einstiegssegment muss bedacht werden. Und genau da ist der neue Select wohl angesiedelt, wie die Pressemitteilung vermuten lässt:

"Laphroaig SELECT ist daher der perfekte Einstieg in die Welt der torfigen Single Malt Whiskys, um sich langsam an intensivere Torfaromen heranzutasten. Er stammt aus einer Auswahl verschiedener Fasstypen – eine Kombination aus ehemaligen Bourbon-Fässern und neuen Fässern aus amerikanischer Eiche. Die Lagerung in neuen Eichenfässern verleiht dem Malt eine leicht süßliche Geschmacksnote. Der Whisky erscheint ohne Altersangabe, enthält aber vorwiegend ältere Whiskys und vereint Anteile der bekannten Laphroaig Abfüllungen wie 10Jahre, PX Cask, Quarter Cask und Triple Wood."

Eine Auswahl aus verschiedenen Fasstypen bietet der Select also - wie ein kleiner Vorspeisenteller, der von allem ein bißchen enthält und einem den Mund wässrig machen soll auf die besseren, gößeren  Dinge, die danach noch kommen.  Die Vorteile für die Brennerei liegen auf der Hand, eine größtmögliche Auswahl an Fässern  bietet auch eine viel größere Flexibilität als die bisherigen Standards der Core-Range im Einstiegsbereich. Aber es kann auch Schwankungen in der Detailausprägung bedeuten, mit leichten Variationen ist hier durchaus im Laufe der Zeit zu rechnen. Für mich als Verbraucher kann das auch reizvoll sein.

Viel interessanter ist für mich jedoch die Frage, ob der  Select auch eine gute Alternative zum Laphroaig 10 oder Quarter Cask darstellen kann. Dankenswerterweise wurde mit der Pressemitteilung auch ein kleines Sample mitgeschickt, so dass ich mir mein eigenes Urteil bilden konnte. Wie hat er mir also gefallen? Hier meine Tasting-Notes: 

Laphroaig Select, NAS, 40%vol. (abgef. 2014):

Farbe: 

goldgelb

Aroma: 

Rauch. Asche. Zuckersüße. Etwas Sherry, leichte Vanille und ein paar Tropfen Apfelsaft.

Geschmack:

 
Rauch mit Biss! So schmeckten Partyküsse in den späten 70er, als die Jungs noch wild waren und kettenrauchten und der Zigarettengeschmack in heißen Wellen über die Zunge lief.  Darunter dann leise Sherrytöne und eine zarte Süße. Was mir fehlt, ist der Geschmack von Intensivstation, von Brackwasser und Hafenbecken und das ungestüme Prickeln auf der Zunge.

mit Wasser:


Trotz der 40%vol. schaden ein paar Tropfen Wasser nicht, sie  bringen etwas mehr Frische, Apfelsaft und grünen Tee.

Nachklang:

Das Finish ist eher kurz und wirkt mehr am Gaumen als im Rachen.
 

Fazit: 

Ein guter Laphroaig ist für mich immer ein bißchen wie Kurt Cobain: kompromisslos, umwerfend, streitbar, und nichts für die breite Masse. Der Laphroaig Select zeigt eine andere Seite, er ist ein "rough boy tamed". Der wilde Bursche von Islays Küste hat sich gekämmt und rasiert und kommt plötzlich ganz ordentlich daher. Brav ist er geworden, gezähmt, ohne die Ecken und Kanten, die man sonst von ihm kennt. Nur die Zigarettenkippe trägt er noch immer im Mundwinkel.

Mein Tip:

Laphroaig polarisiert bekanntlich, entweder man liebt ihn oder man hasst ihn. Wer bisher einen großen Bogen um das wilde Inselkind machte, sollte dem Laphroaig Select durchaus eine Chance geben. Dieser Laphroaig ist sehr gefällig, aber dennoch mit einem angenehm-rauchigen Biss.

Wer ein FOL ist und längst einen Square-Foot auf Islay besitzt, sollte lieber beim  Quarter Cask bleiben oder gleich zum Laphroaig 18 greifen. Er  wird beim Select sein Nirwana nicht finden.

 
Mehr zum Thema:


Interview mit Distillery Manager John Campbell, Laphroaig

Smoke on the water: Laphroaig 

Whisky-Dinner mit Laphroaig


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