Lost Distillery Company: Hätte, könnte, wäre. Whisky im Konjunktiv.

Wenn von den "Lost distilleries" die Rede ist, kommen uns meistens Brora, Rosebank oder Port Ellen in den Sinn, deren Whisky immer noch erhältlich ist, wenn auch zu hohen Preisen. 

Es gibt jedoch dutzende von verschwundenen Brennereien in Schottland, deren Whisky unwiderruflich verloren schien - bis jetzt. 


 
Die "Lost Distillery Company" will diese verschwundenen und vergessenen Schätze der Vergangenheit wiederbeleben. Doch kann man Vergangenes neu erschaffen?  In München habe ich mit Sales Manager Andrew Hogan über das ambitionierte Projekt der Lost Distillery Company  gesprochen.

 

Über diese neue Gesellschaft hatte ich schon vorher in Pressemeldungen gelesen, und ich war mehr als skeptisch. Ganz neu ist die Idee ja nicht, schon Richard Paterson, Master Blender bei "The Dalmore", hat vor kurzem mit dem "Shackleton" einen Whisky kreiert, der angeblich so schmeckt wie vor hundertzwanzig Jahren. Doch kann man wirklich alte Whiskys mit moderner Technik kopieren? Oder ist die ganze Geschichte nicht mehr als ein geschickter Marketing-Gag, ausgedacht von Brian Woods und Scott Watson, den beiden Direktoren der LDC - mit netten, aber sinnlosen Broschüren und überhöhten Preisen für einen obskuren Blended Malt?

Vielleicht hat mein Gesprächspartner meine Skepsis gespürt - Andrew Hogan hat während des ganzen Gesprächs jedenfalls nicht einmal gelacht. Nicht mal gelächelt. Doch je mehr er mir erzählte, desto interessanter fand ich das ganze Projekt. Denn der Sales Manager hatte weit mehr zu berichten als nur sinnfreies Marketing-Geblubber. Andrew Hogan hat zwar kein zweites Brora zu bieten, aber wenn er von den alten Brennereien erzählt, die heute kaum noch jemand kennt, wird ein Stück Whisky-Geschichte wieder lebendig. Und der Whisky, der zu diesen Geschichten gehört, lädt durchaus zum Träumen ein, von vergangenen Zeiten,  vom hätte, könnte, wäre wohl.....


Hier ein Auszug aus unserem Gespräch in der übersetzten Fassung:



MM: Warum brauchen wir eine Neuschöpfung von  Whiskys aus verloren gegangenen Destillerien?

Andrew: Der Schlüssel liegt in der Erforschung und dem Verständnis der Destillerie. Jede Brennerei wurde mit  einem sechsmonatigen Forschungsprojekt verbunden. Wir untersuchen alle Aspekte der Destillerie, die Produktionstechniken, die Menschen, die dort arbeiteten, die Art wie der Whisky dort früher gemacht wurde.

Normalerweise beginne ich mit der Erklärung, was wir NICHT machen.  Es gibt kein geheimes Rezept. Es gibt keine DNA-Analyse. Es gibt es keine vergessenen Lagerhallen mit altem Whisky. Die Antwort liegt in den Geschichtsbüchern. Durch sie beginnen wir, eine Menge Dinge über die Brennereien zu lernen.



MM: Wie muss ich mir diese Forschungsarbeit vorstellen?

Andrew: Nehmen wir zum Beispiel Auchnagie Distillery. Es war eine kleine Brennerei und sie existierte mehr als 100 Jahre lang. Es gab sieben verschiedene Eigentümer, und fast alle gingen  in Konkurs,  sie wurde geschlossen und wieder eröffnet und wieder geschlossen. Die Brennerei ist weitgehend verschwunden, es gibt nicht mehr viel zu sehen.  

Aber die Wasser-Quelle ist geblieben, es ist der Auchnagie-Bach, der hinter der Brennerei verläuft. Also haben wir Proben aus dem Wasser genommen, die wir dann analysierten. Das Wasser ist hart mit einem hohen Mineralgehalt, der für einen sehr markanten Abgang am Gaumen sorgt. Wenn wir dann unseren Whisky blenden, suchen wir moderne Brennereien mit einer ähnlich hohen Mineralität in ihrem Wasser. 

Zweitens haben wir auch Torf gestochen an dem gleichen Ort wie früher, haben ihn getrocknet und gebrannt,  und wir haben dieses erstaunliche parfümierte Aroma erhalten, weil Highland-Torf kein Seetang enthält, ist einfach zersetztes Heidekraut und Moos, das süß und frisch ist und damit wurde früher die Gerste getrocknet. Wie Sie aus den Erfahrungen mit Islay wissen, wenn man den Torf verbrennt und die Gerste damit trocknet,  wird das Torfaroma alle Destillationsprozesse überleben. Es wird drei Mal gekocht und man wird es einfach nicht los, es wird noch  20 Jahre später im Fass sein.

Drittens analysierten wir das Design der  Brennerei, und das beinhaltet auch die Gestalt der Brennblasen, der "pot stills". Es war klar,  dass sie sehr hoch waren,  mit einem kleinen "pot"  und langen "worm tubs". Sie müssen das Dach des bereits bestehenden Gebäudes durchbrochen haben, sie waren nicht maßgefertigt. Diese Art von Brennblasen ergibt eine sehr leichte, florale Spirituose. 



Und schließlich haben wir Briefe aus der Brennerei von 1860 an die Händler in Edinburgh, mit denen mehr Süßweinfässer und Sherryfässer nachgefragt wurden.

Dies ist die technische Seite. Wir haben daraufhin Fässer aus acht Single-Malt-Brennereien gekauft, die hohe Brennblasen haben. Andere Brennereien müssen die parfümierte Note desHighland-Torf liefern und wieder andere bieten den markanten  Abgang, für den das Wasser verantwortlich ist. Wir haben die Fässer dann für ein paar Monate "verheiratet" und schließlich abgefüllt. 


Wir würden niemals sagen, dass es sich um eine Kopie des alten Whiskys handelt,  aber was ich sagen kann, ist folgendes:  wenn die Destillerie heute noch in Betrieb wäre, wäre unser Whisky, auf der Grundlage dessen, was wir wissen, eine Verkörperung dessen, was wir denken, was sie heutzutage produzieren würden. Weiter möchte ich mich gar nicht aus dem Fenster lehnen.


MM: Wäre es technisch möglich, den Whisky dieser verlorengegangenen Brennereien so zu kopieren, wie er früher war?

Andrew: Wenn Leute mich nach einer Kopie des ehemaligen Whiskys  fragen, sage ich nur: "gut, geh  150 Jahre zurück und probier den Whisky  und du wirst merken, dass er nicht alt ist, dass es keinen Sprit-Safe gab, dass sie nicht nur den Mittellauf genommen haben, sondern komplett alles, und dass es keine Qualitätskontrolle gab, nicht für den Herstellungsprozess und auch nicht nicht für die Zutaten. 

 Er war ein Produkt seiner Zeit, aber heute wäre das im Handel nicht mehr akzeptabel. Er war zu schlecht, gemessen an  den heutigen Standards. Wollen wir das wirklich kopieren? Nein! Natürlich nicht. Es gibt keine Notwendigkeit, so etwas  zu kopieren. 

Aber wir haben einen Teil der Geschichte des schottischen Whiskys enthüllt, über den bisher niemand etwas  weiß. Und wenn ich mit den Connaisseuren reden , die alles über Whisky und unsere Brennereien wissen, und ich frage sie, was sie von diesen Brennereien wissen, dann ist die Antwort: nichts. Und es ist faszinierend. Wenn sie etwas darüber erfahren und mehr über unsere Geschichte wissen wollen, müssen sie mir zuhören.


MM: Wie viele Brennereien haben Sie in Ihrem Programm?

Andrew: Im letzten Jahrhundert sind über hundert Brennereien verloren gegangen. Wir kauften die Markenrechte von  zwanzig von ihnen. Die ersten waren Auchnagie und Stratheden Distillery. Jetzt gibt es eine dritte, Gerston, die hier am beliebtesten ist. Es ist die Art von Whisky, die Deutsche Kunden heute bevorzugen. Es ist ein torfiger, salziger Whisky der nördlichen Highlands.

Derzeit haben wir zwei Produktlinien für unsere Brennereien. Einmal "Deluxe", ein Blended Malt, der etwa 15 Jahre alt ist, und ein "Vintage", ein klassischer Whisky, im alten Stil, der das verkörpert, was "Deluxe" unserer Meinung nach 15 Jahre später sein sollte. Er trägt keine Altersangabe, aber das Durchschnittsalter liegt bei etwa 25-30 Jahren.





Tasting Notes folgen noch....

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