Exklusiv von der Whisky-Fair: Interview mit Whisky-Sammler Diego Sandrin

Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, eine eigene Whisky-Sammlung anzulegen? Dann solltet ihr euch vielleicht mit dem Italienischen Sänger und Song-Schreiber Diego Sandrin unterhalten. Denn Diego ist nicht nur mit einer wunderbaren Stimme gesegnet, er sammelt auch seit mehr als drei Jahrzehnten Whisky-Abfüllungen, und ist international bei den Whisky-Kennern sehr bekannt. Zusammen mit Max Righi und Jens Drewitz hat er auch eine ganz besondere Serie herausgebracht, mit der die berühmten Label von Moon aus den 80er Jahren wieder zu neuem Leben erweckt werden. Auf der Whisky Fair in Limburg hatte ich kürzlich Gelegenheit,  Diego zu treffen und mit ihm über seine Whisky-Sammlung, was die Blogger damit zu tun haben und seine neuen Abfüllungen von ALOS zu plaudern.

Diego auf der Whisky Fair Limburg 2017

MM: Diego, lass uns mit deinen neuen Abfüllungen beginnen. Du bist einer von drei Leuten, die hinter dem Namen ALOS stecken, und du warst für diese wunderbaren Label zuständig. Diese Label haben ja eine ganz besondere Geschichte. Kannst du uns etwas über ihren Ursprung erzählen?

Diego: Wir lieben ja die Vogelserie von Moon Import, und ich habe mich immer gefragt, wo die Bilder herkamen. Auf den Kartons steht nichts darüber. Ich bin ein großer Sammler von Italienischen Abfüllern, wie Moon, Sestante, Samaroli oder Intertrade. Ich habe immer versucht herauszufinden, wo Moon diese Zeichnungen her hatte, weil ich sie so sehr mag.

Irgendwann war ich mit meinem kleinen Sohn am Strand, und da war ein Laden  mit alten Drucken. Mein Sohn liebt Vögel, und er sagte: "Oh, sieh mal, all diese Vögel, kann ich ein paar davon haben?" Wir sind also in den Laden gegangen, und da lag dieser Druck, der das Label der Ardbeg Flasche ist, aus der original Moon Serie. Ich habe die Zeichnung sofort erkannt. Ich bin fast gestorben! Da lagen sie alle! Sie hatten über 150 von diesen alten Moon-Vorlagen! Und ich habe sie alle gekauft!

Vögel,  von Gustav Ludwig Heinrich Mützel, Meyers Konversations-Lexikon (links), ca. 1885; Ardbeg Moon Birds (rechts)

MM: Einhundertfünfzig! Das ist eine gewaltige Menge!

Diego: Ja, ich habe sie alle gekauft. Es gibt Hunde, Pflanzen, Fische, Schmetterlinge..... Die nächste Serie, die wir auflegen, werden die Schmetterlinge sein.

MM: Dein Sohn war sicher total glücklich! Wo stammen die Drucke denn her?

Diego: Es handelt sich um Farblithographien aus einer alten Enzyklopädie, so um 1885-1890. Irgend jemand hat die Blätter herausgeschnitten. Es war Meyers Konversationslexikon, aus Deutschland.

MM: Wann hast du denn entschieden, dass du eine eigene Whisky-Serie mit diesen alten Vorlagen von Moon herausbringen willst? War es schwierig, Max und Jens zu überzeugen?

Diego: Die Entscheidung fiel, nachdem ich meinen Freund Max angerufen und ihm von dem Fund erzählt hatte. Ich war sehr aufgeregt, als ich Max anrief, und zu dem Zeitpunkt wußte ich noch nicht, dass ich kurz danach ein Bottling Projekt starten würde. Ich bin ja kein Abfüller, so wie Jens und Max. Ich habe dann mit beiden gesprochen, und gefragt, ob ich meine Abfüllungen über ihre Firma abwickeln könnte, damit ich nicht wegen einiger Flaschen einen komplett  neuen Geschäftszweig aufmachen muss. Beide waren begeistert und wollten mitmachen, am Ende ist es ein Dreier-Projekt geworden.

MM: Wie schwierig war es denn, diese alten Bilder mit moderner Technologie zu reproduzieren?

Diego: Ich hatte einige Probleme mit den Graphik-Experten, die mir ständig was von neuer Technologie erzählten. Aber ich wollte die gleichen, altmodischen Farben wie auf dem Original. Schlußendlich, denke ich, haben wir gute Arbeit geleistet, besonders im Hinblick auf das Papier. Wenn du die Schachtel anfasst, fühlt es sich toll an. Wir benutzten das gleiche Papier wie Macallan für ihre Etiketten in den 70er Jahren. Wir haben einige Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass es sich um italienisches Papier handelte, und es fühlt sich sehr schön an wenn man die Schachtel anfasst, weil es sehr feine Linien hat, fast wie Samtpapier.

MM: Nach welchen Kriterien habt ihr denn den Whisky für die Abfüllungen ausgewählt?

Diego: Das habe ich meinen Geschäftspartnern, Max und Jens, überlassen. Ich bin kein Abfüller, ich habe mich um die graphische Umsetzung gekümmert.

MM: Bist du zufrieden mit der Auswahl von Max und Jens?

Diego: Oh mein Gott, ja, es ist ein tolles Zeug!


Alte Vögel in neuem Gewand.. Birds by ALOS

MM: Diego, du sammelst schon seit vielen Jahren Whisky-Flaschen. Wie alt warst du, als du deine erste Flasche gekauft hattest?

Diego: Ich habe mit leeren Flaschen angefangen. Ich war sechszehn, und bin öfter in Bars gegangen, und ich habe die Whisky-Flaschen dort geliebt. Ich hatte kein Geld, als habe ich darauf gewartet, dass eine Flasche leer wurde, und dann hat der Barkeeper sie mir gegeben. Ich habe sie alle in meinem Zimmer auf einem Regal aufgestellt. Eines Tages hat meine Mutter alle meine Flaschen weggeworfen, weil sie keine Lust mehr hatte, sie immer abzustauben. Meine erste Sammlung ist im Müll gelandet.

MM: Hast du deine Mutter in diesem Moment gehasst?

Diego: Oh mein Gott, ich war am Boden zerstört. Dann habe ich angefangen, Flaschen von Macallan und ähnliches zu kaufen, ehe ich schließlich nach Amerika ging. Ich bin dort 15 Jahre lang geblieben, allerdings nicht in der Whisky-Branche. Als ich zurück nach Italien kam, entdeckte ich, dass meine Flaschen, die ich zurück gelassen hatte, zehn mal mehr wert waren als der Preis, den ich ursprünglich dafür bezahlt hatte. Ich war damals auf der Suche nach einer neuen Tätigkeit, also habe ich wieder angefangen, Whisky zu sammeln, zu kaufen und zu verkaufen.

Sammlerherzen

MM: Wie viele Flaschen umfasst deine Sammlung? Kannst du sie noch zählen?

Diego: Ich habe sie nie gezählt, nein. Es sind wahrscheinlich so um die 20.000 Flaschen.

MM: Wo lagerst du die Flaschen? 20.000 Stück passen wohl nicht mehr in ein Regal in deinem Zimmer....

Diego: (lachend) Nein, meine Familie besitzt eine Plastik-Firma, und ich habe ihnen einen Teil ihrer Lagerhäuser gemopst. Einen sehr großen Teil, also Lagerfläche ist kein Problem. Ich habe im Stockwerk darüber auch einen Showroom, und mein Büro, mit schönen Möbeln, und mit ungefähr 3.000 der besten Flaschen, die auch beleuchtet sind.

MM: Was sind die Kriterien, die eine Flasche für dich zum Sammelobjekt machen?

Diego: Die Flasche muss schön sein, sie muss mir gefallen. Sie muss auch ein gutes Produkt enthalten. Entweder probiere ich den Whisky selbst, oder jemand, dem ich diesbezüglich vertrauen, sagt mir, dass es ein gutes Produkt ist. Ich kaufe diese neuen Neuigkeiten nicht, die jetzt von den vielen Brennereien auf den Markt kommen, egal was es ist. Nur guter Whisky, in einer schönen Flasche, und hoffentlich auch eine Vintage-Ausgabe, so dass ich weiß, wie alt der Stoff ist oder zumindest wann er destilliert wurde. 


"............"
MM: Wenn wir uns den Whisky-Markt genauer anschauen, stellt man fest, dass manche Flaschen extrem gesucht sind, andere hingegen kaum. Warum ist das so?


Diego: Das kommt durch die Blogger. Die Blogger haben irgendwann beschlossen, Whisky zu bepunkten. Das wurde vorher nicht gemacht. 2005, 2006 gab es keine Tasting-Notes, es gab keine Punkte. Dann fingen Serge von Whiskyfun und andere Blogger an, Punke zu geben und Geschmacksnotizen zu schreiben. Bestimmte Abfüllungsreihen, wie die von Samaroli zum Beispiel, und auch andere Italienische Abfüllungen, wurden immer sehr hoch bepunktet, und davon ausgehend, wurden bestimmte Flaschen dann sehr nachgefragt und andere eben weniger. Es kam durch die Punkte.

MM: Hältst du diese Entwicklung für sinnvoll oder schaden die Punkte dem Sammler-Markt?

Diego: Ich denke, es bringt Ordung. Ich mag es, dass Ordnung im Sammel-Markt herrscht. Andernfalls würde es zugehen wie an der Börse. Einige Leute würden Schaden erleiden, und am Ende mit einem Produkt dasitzen, das sie nicht haben wollen, oder das sie nicht trinken wollen, oder das sie nicht weiter verkaufen können. Wenn Ordnung herrscht, bedeutet das mehr Spaß für jeden.

MM: Wir brauchen also keinen Black Friday zu fürchten. Aber die Preise sind in letzter Zeit dramatisch gestiegen.

Diego: Ja, das ist schon verrückt. Es ist keine Blase, aber es muss bald aufhören.

MM: Wie werden sich deiner Meinung nach die Preise denn in der nahen Zukunft entwickeln?

Diego: Die Preise werden, aufhören, immer weiter zu klettern. Sie werden sich an einem bestimmten Punkt einpendeln. Aber die Top Flaschen, über die wir vorhin gesprochen haben, die mit den höchsten Punkten, die werden noch weiter steigen. Der Markt wird ganz gewiss nicht kollabieren, da bin ich sicher. Ich denke, Whisky ist eine gute Investition.

MM: Junge Leute von heute hatten ja keine Chance, vor zwanzig oder dreißig Jahren Whisky zu sammeln. Wenn sie jetzt eine Sammlung anlegen wollen, welchen Rat würdest du ihnen geben?

Diego: Zunächst einmal, sammle das, was dir gefällt. Du musst mögen, was du besitzt. Was Dollar und gesunden Menschenverstand anbelangt, würde ich vorschlagen, dass du zunächst darauf achtest, dass sich der Whisky gut trinken läßt. Sammle nichts, was mehr Schein als Sein verspricht, sondern sammle ein gutes Produkt. Das wird zumindest im Preis stabil bleiben. Wenn sich der Whisky nicht gut trinken lässt, kann der Preis fallen. Zweitens, achte darauf, dass die Flasche eine Vintage-Abfüllung ist oder eine Altersangabe trägt. Kaufe nichts ohne Altersangabe. Am besten mit einem hohen Alkohol-Gehalt, und bleib bei den echten Sturmtruppen, wie Islay, gute Speysider, mach keine Experimente mit anderen Sachen. Kaufe einfach alle 10jährigen, die du kriegen kannst, alle Laphroaigs in Fass-Stärke, und dann warte 20 Jahre. Es ist ganz einfach.

MM: Danke für dieses Interview, Diego.



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