Slitisa. Die vergessenen Fässer aus dem Tal der Schlitz.

Sie gilt als die älteste noch in Betrieb befindliche Brennerei Deutschlands und eine der ältesten weltweit: die Dokumente der Schlitzer Destillerie reichen bis in das Jahr 1585 zurück. Gebrannt wurde im Schlitzer Land nachweislich noch früher. Dass die Schlitzer Brennerei auch zu den ältesten Whisky-Herstellern in Deutschland gehört, verdankt sie einem vergessenen Fass.


Die Schlitzer feiern gerne. Vom Trachtenfest bis zum Runkelrübenfest wird keine Gelegenheit ausgelassen, der Geselligkeit zu frönen. Und die Schlitzer Brennerei feiert jedes mal mit. Denn sie gehört den Schlitzer Bürgern, seit die Stadt im Jahr 2006 das einstmals gräfliche Traditionsunternehmen vom Land Hessen erwarb. Und wer weiß, vielleicht würde es bis heute keinen Whisky aus der Schlitzer Destillerie geben, wenn die Schlitzer nicht so gerne feiern würden.


Ganz besonders viel gefeiert wurde in jenem denkwürdigen Sommer 2010, als die Brennerei ihre 425-Jahr-Feier beging. So alt ist keine noch existierende Brennerei in Deutschland, und für eine solch besondere Gelegenheit wollte man auch eine besondere Abfüllung herausbringen. Also begann man, in den weitläufigen Kellern und Dachböden der historischen Anlage des ehemaligen Meierhofes nach einem geeigneten Trunk zu suchen. Und dann passierte das, was sonst nur im Kino passiert: die Schlitzer entdeckten ein längst vergessenes Fass mit 25 Jahre altem Single Malt Whisky.

Ein Kellerfund und die Folgen



Zunächst sorgte dieses Fass obskurer Herkunft für einige Verwirrung. Nur der dienstälteste Brennmeister Franz Fuchs, der bereits 1970 in der Brennerei seinen Dienst angetreten hatte, konnte sich schließlich erinnern. Sein Chef hatte einmal zu viel Malz bestellt, und da man das gute Zeug nicht verkommen lassen wollte, wurde es zu Single Malt gebrannt und dann gelagert. Das war 1985, und Whisky war damals nur wenig gefragt. Niemand brauchte dieses Fass. Und irgendwann war fast niemand mehr da, der sich noch daran erinnerte.

Als man das Whisky-Fass 2010 wiederentdeckte, war das Ergebnis überwältigend. Wie ein feiner schottischer Lowland Whisky soll er geschmeckt haben. Doch die Engel hatten in all den Jahren schon reichlich genascht. Nur noch 70 Flaschen ergab der Inhalt, die für etwa 150,-- Euro verkauft wurden. Damals ein stolzer Preis. Heute, nur 5 Jahre später, ein absolutes Super-Schnäppchen. Wohl dem, der noch eine Flasche davon in der Kellerbar hat. Es gibt nur wenig deutschen Whisky, der älter ist.

 

Wenn Brennmeister Gottfried Ickler heute diese Geschichte erzählt, bleibt er ganz gelassen. Man hat damals keinen Hype um das alte Destillat gemacht, und man macht es heute auch nicht. Für Ickler liegt die eigentliche Besonderheit des Fasses in dem, was danach kam. Über Nacht war Whisky ein Thema geworden, über das in der Brennerei geredet wurde. Und man stellte fest: es gab noch weitere alte Whisky-Fässer, die im Dornröschen-Schlaf schlummerten.

Noch mehr Whisky


Wie gesagt, die Schlitzer feiern gerne. 1995 hatte die Brennerei die Idee, ihren  Trachtenfest-Wagen mit alten Fässern der Jack Daniels Brennerei zu dekorieren. Die gab es damals noch in rauhen Massen nahezu umsonst. Der Wagen kam gut an, aber danach standen die Fässer nutzlos in der Brennerei herum. Eine Überprüfung ergab, dass etwa 25 Fässer noch intakt und brauchbar waren, und so entschloss man sich 1998, eine Maische mit einem höheren Malzgehalt als normalerweise zu brennen und die Fässer mit diesem Grain Destillat zu befüllen - und schlafen zu lassen. Und zwischen all den großen 1200-l-Fässern, die für die Lagerung von Korn traditionell belegt werden, können ein paar kleine 200-l-Fässer in den hintersten Winkeln der Kellerräume auch in Vergessenheit geraten.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass im Schlitzer Land die Uhren ein bißchen anders gehen. Im Schlitzer Land ist alles ein bißchen entspannter. Ein bißchen persönlicher. Fast ein bißchen so, wie in Schottland.


So gemächlich, wie das Wasser der Schlitz durch das kleine Landstädtchen gleitet, so gemächlich vergeht die Zeit an diesem mittelalterlichen Ort, wo viele Fachwerkhäuser Jahrhunderte alt sind und wo die Vergangenheit hinter jeder Ecke hervorblinzelt. Manchmal scheint die Zeit beinahe still zu stehen. Nur wenig hat sich in Deutschlands ältester Brennerei geändert seit ihrem letzten Umzug an den jetzigen Standort im alten Meierhof. Der größte Teil der Ausstattung stammt noch immer aus den 60er und 70er Jahren und moderne Computer sucht man vergebens. Schnaps brennen ist hier noch eine Kunst und die Qualität abhängig von dem Können der Brennmeister. An einem solchen Ort kann man schon die Zeit vergessen.

2010 aber erinnerte man sich.Und ganz wie die Schotten hatte auch die Schlitzer Distillerie den richtigen Riecher für den richtigen Zeitpunkt. Einen Teil füllte man als 12jährigen Grain Whisky direkt ab, zwei Jahre später kam der Rest als 14jähriger in die Flasche. Nur 600 Flaschen umfasste die Auflage. Glen Slitisa nannte man ihn, nach dem Flüsschen, das der Stadt im Mittelalter ihren Namen gab. Das gemächlich gleitende Wasser im Tal der Schlitz.

Aufbruch-Stimmung


2013 reichte Gottfried Ickler dann seinen Grain Whisky bei dem Wettbewerb der Germany's Best Whisky Awards in Frankfurt ein. Der Glen Slitisa überzeugte die Juroren in der Blindverkostung und gewann eine Bronzemedaille.

Jetzt waren die Schlitzer wach geworden. Gottfried Ickler besuchte Schulungen, belegte Kurse, studierte Verordnungen und stieg immer tiefer in die Materie Whisky ein. Von großem Vorteil war es dabei, dass die Schlitzer Distillerie auch bei der Korn-Brennerei keine Enzyme benutzt sondern schon immer bei der Vergärung mit Malz gearbeitet hat.

Zwei Linien wurden entwickelt, der Glen Slitisa Sour Mash Single Malt und der Glen Slitisa Single Wheat Malt, den derzeit einzigen reinen Weizenwhisky in Deutschland. Beide Varianten sind etwa fünf Jahre alt. Leider ist der Single Wheat Malt seit kurzem ausverkauft, einen neuen wird es erst wieder in ein paar Jahren geben. Im Einstiegsbereich gibt es zudem noch den "Burgenwhisky". Destillateur-Meisterin Nina Lang hat sich Anfang des Jahres mit der süßen Seite des Lebenswassers befaßt und einen Whisky-Likör entwickelt.

Heute liegen auf den Dachböden der Brennerei noch ca. 140 Fässer. Gemessen an den Mengen anderer deutscher Whisky-Produzenten ist das verschwindend gering. Doch beim Geschmack muss man den Vergleich mit den Großen der Branche keinesfalls scheuen. Der Slitisian Whisky, wie er mittlerweile heißt, gehört mit zu den besten, die man derzeit in Deutschland finden kann.

Der Lagerort unter dem Dach ist gut für den Whisky, denn hier wird es im Winter richtig kalt und im Sommer richtig heiß. Die starken Temperaturschwankungen sorgen zwar für eine hohe Verdunstungsrate, aber auch für eine schnelle Reifung: im Sommer dehnt sich der Alkohol aus und dringt tief in die Holzporen ein. Im Winter zieht sich das Destillat zusammen und nimmt dabei all die Aromenstoffe aus dem Holz mit, die man so gerne in seinem Whisky findet. Kräftig und würzig wird so ein dachgelagerter Whisky, mit viel Vanille, Karamell, und Eichenholznoten.

Fass ist nicht gleich Fass


In den kühlen Kellerräumen der Brennerei lagern ganz andere Fässer:  hier erhält der Korn der Brennerei seine langsame Reife. Mehr als 1250 Liter fassen die alten Eichenfässer, die erhaben in langen Reihen ruhen. Doch so schön sie aussehen, für die Whisky-Produktion sind sie unbrauchbar: denn Whisky und Korn sind nicht das selbe, sie werden anders gebrannt und es gelten unterschiedliche Regeln. Ein Whisky-Fass darf maximal 700 Liter fassen. Fass ist eben nicht gleich Fass.




Vom Schnaps zum Whisky

Als die Brennerei noch den Grafen von Schlitz, genannt von Görtz, gehörte, wurden hier die Überschüsse des angeschlossenen Gut Karlshof verarbeitet. Gebrannt wurde alles, was man entbehren konnte. Auch Kartoffeln. Erst als die Graf Görtz’sche Brennerei 1969 durch das Land Hessen übernommen und zur Hessischen Staatsdomäne wurde, gab man den Kartoffelbrand auf und wurde zur reinen Kornbrennerei.1993 kam dann auch eine Edelobstbrennerei hinzu.


2006 hatte das Land Hessen die Lust am Alkohol verloren und bot die Brennerei zum Verkauf an. Es drohte das gleiche Schicksal, das in der Vergangenheit so viele kleine Betriebe ereilt hat: der Aufkauf durch einen großen Konzern, die Übernahme der Marke und die Schließung des Standorts. Doch das wollten die Schlitzer unbedingt verhindern. Man feiert eben gerne in Schlitz, und die Brennerei gehört dazu.

Die Stadt sprang ein und übernahm 90% der Anteile, die restlichen 10% befinden gehören der Stadt Hünfeld. Im gleichen Jahr schied die Brennerei aus dem Branntweinmonopol aus und wird seither als Verschlussbrennerei ohne Brennrecht betrieben. Staatliche Beihilfen der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein erhält man in Schlitz deshalb nicht mehr. Trotzdem hat sich die Brennerei bis heute gut am Spirituosenmark behaupten können und die Schlitzer lieben „ihren“ Schnaps. Für Obst und Whisky werden unterschiedliche Brennblasen benutzt.
Etwa 500 Liter reinen Trinkalkohol produziert die Brennerei derzeit täglich, vor allem Obst- und Korndestillate. Die Rohstoffe dazu stammen überwiegend aus heimischer Produktion. Für Obst und Whisky werden unterschiedliche Brennblasen benutzt.


Die Herstellung von Whisky  ist bisher nur ein kleiner Bereich der Brennerei. Doch wie so viele andere deutsche Brennereien sind auch die Schlitzer bereit, Neues zu probieren.

Gottfried Ickler ist jedenfalls noch lange nicht am Ende seiner Wünsche angekommen. Im März hat er 18 neue Fässer erhalten: gebraucht, gecharrt, und vorbefüllt mit Rum, Cognac, Wein und schottischem Single Malt aus der Tullibardine Distillery. Auch ein paar Fässer von Bunnahabhain (Staoisha) waren dabei. Und die haben fantastisch nach rauchigem Torf geduftet. Befüllt wurden sie mit Single Malt und Single Wheat Malt. Auf die Ergebnisse in ein paar Jahren sind alle gespannt.

Diesmal werden sie die Fässer bestimmt nicht vergessen.





















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