Juhu! Cardhu! - Oder doch kein Grund zum Jubeln?

Die Brennerei Cardhu ist längst kein Geheimtip mehr. 1824 wurde sie von Helen Cummings und Ehemann John gegründet, doch schon 1893 übernahm John Walker die Anlage. Seither gilt Cardhu als wichtiger Lead-Malt im Blend von Johnny Walker. 
Doch auch der Single Malt hat eine wachsende Fan-Gemeinde. 

Foto: MargareteMarie


In der Vergangenheit war es nicht immer ganz einfach, Cardhu Single Malt zu erhalten. Zu groß war der Bedarf für die Blended Whiskys von Johnny Walker. 2002 versuchte der heutige Besitzer der Brennerei, der internationale Getränke-Multi Diageo, dieses Dilemma mit einem etwas unfeinen Trick zu lösen: er ersetzte damals den Cardhu Single Malt durch den Cardhu Pure Malt.

Diese Umetikettierung erlaubte es, auch Malt Whisky von anderen Brennereien des Konzerns beizumischen. Aus Cardhu Single Malt war über Nacht ein Blended Malt, oder wie es damals genannt wurde, ein Vatted Malt geworden. Proteste gegen diesen  Etiketten-Schwindel kamen von vielen Seiten, und 2005 erschien wieder ein 12jähriger Cardhu Single Malt.

Foto: MargareteMarie

Doch seit einigen Jahren hat sich die Verfügbarkeit deutlich gebessert. 2011 kamen Cardhu 15 und Cardhu 18 heraus, 2013 wurde sogar ein 21 Jahre alter Cardhu abgefüllt und  2014 erschienen dann die NAS-Abfüllungen Amber Rock sowie eine Special Cask Reserve und Cardhu Gold Reserve. Sogar mein lokalen Supermarkt hat pünktlich zur Weihnachtszeit in diesem Jahr  den Cardhu 12 im Angebot.

Die Brennerei arbeitet mittlerweile 7 Tage die Woche, und wenn man dem neuen Malt Whisky Yearbook glauben darf, betrug die Jahresproduktion 3,4 Millionen Liter Alkohol. Mit anderen Worten: man arbeitet an der Kapazitätsgrenze der Brennerei.

Doch reicht das alleine aus, um die erhöhte Verfügbarkeit zu erklären? Immer wieder kann man das Gerücht hören, dass Diageo mittlerweile in anderen Brennereien seine Technik so verändert hat, dass dort ein Whisky produziert werden kann, der dem Cardhu sehr nahe kommt, so dass der Anteil an echtem Cardhu in den Blends von Johnny Walker deutlich geringer geworden sein soll. Auch die neueste Brennerei von Diageo, die 2009 gegründete Roseisle, verfügt über die nötige Technologie, um verschiedene Whisky-Stile brennen zu können.

Vielleicht kommt aber auch der Einbruch der Verkaufszahlen für Blended Scotch in jüngster Vergangenheit dem Abfüllen von Cardhu als Single Malt zu gute. Vor allem im Luxus-Segment lassen sich die Produkte derzeit in Asien weniger gut verkaufen als noch vor zwei Jahren. Doch sind überschüssige Fässer, die eigentlich in die Blends wandern sollten, auch in einem Malt verwendbar?

Spekulationsmöglichkeiten gibt es hier viele. Bleiben wir lieber bei den Fakten und vergleichen die alte und die neue Abfüllung meines Lieblings-Cardhu:



Cardhu 18,  Abfüllung  2011


Foto: MargareteMarie

Aroma:

Ahhhh! Holz, Honig, Mandarinen, Haselnüsse, Mandeln, Blumenduft und Winteräpfel, die im Keller lagern, Birnen, Vanille, Toffee. Reichhaltig. Seidig. Satt. Kein Sherry-Monster. Dennoch Traumhaft.

Geschmack:

Ein Süßholzraspler! Aber auch dunkle Töne von Schokolade, Orange, Beeren, Anis, Tanine  und Kräutermix verwöhnen die Zunge.

Nachklang:

lang, warm, sehr angenehm


Punkte: 9.1 von 10


Cardhu 18, Abfüllung 2013


Foto: MargareteMarie


Aroma:

welch ein Unterschied! flach, spritig, unspektakulär. Die Süße ist noch da, aber deutlich schwächer. Die Seidigkeit ist verschwunden, die Früchte wirken blass wie nach einem verregneten Sommer.

Gechmack:

auf der Zunge ist der Unterschied nicht mehr ganz so stark bemerkbar, aber die neue Abfüllung wirkt weniger kompakt.

Nachklang:

der Neue läuft immer noch lang und warm den Hals hinunter. Aber das tröstet jetzt auch nicht mehr.

Punkte: 

7.6 von 10.

MargareteMarie meint:

Die  neue Abfüllung ist immer noch 18 Jahre alt. Doch sie unterscheidet sich stark von der alten. Das, was mir den Cardhu 18 so liebenswert machte, ist verschwunden. Die Abfüllung von 2011 war seidig, fruchtig, kompakt, dicht, mit vollem Aroma und trotzdem bissfest. So soll ein alter Whisky sein!

Mit der neuen Abfüllung  hat sich mehr als nur die Umverpackung geändert. Sie ist im Vergleich flacher  und recht belanglos geworden. Wenn hier die besten Fässer zum Einsatz kamen, dann möchte ich nicht wissen, wie die anderen schmecken.

Vielleicht hat man aber auch die besten Fässer für den Cardhu 21 gebraucht, der ebenfalls 2013 auf den Markt kam - zu einem deutlich höheren Preis. Wie schade. Bleibt nur zu hoffen, dass der zukünftige Nachfolger wieder mehr Spass machen wird.






Kommentare

  1. Hallo,

    ein echt spannender Artikel und sehr interessant zu sehen, dass sich der Charakter und Geschmack des Cardhu 18 Jahre in den letzten Jahren so verändert hat. Wir hatten den Cardhu 18 auch gerade im Tasting gehabt: https://www.maltwhisky.de/cardhu-18-jahre/

    Wir hatten zwar nicht den historischen Vergleich, aber die Qualität scheint sich wieder gebessert zu haben. Jedenfalls kam er uns mit Apfel und Birne relativ fruchtig, saftig und herbstlich vor. Auch Eichenholz, Nougat und Schokolade waren für uns dabei.

    Vielleicht ja ein Grund dem Cardhu 18 noch mal eine Chance zu geben? :)

    Viele Grüße

    Samuel von Maltwhisky.de

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    1. Hallo Samuel,

      danke für deine Rückmeldung. Den Unterschied merkt man eigentlich nur, wenn man alt und neu direkt nebeneinander trinkt. Oder eine ganze Flasche davon hat und den Geschmack genau kennt.

      Aber du hast recht - die Whisky-Welt ist dynamisch, und das sind jetzt schon vier Jahre her. Ich glaube, dass sich die Situation bezüglich der Verfügbarkeit bei vielen Brennereien wieder etwas entspannt hat - was vielleicht daran liegt, dass die Preise seither ja auch ganz schön nach oben gegangen sind.

      Ich bin nach wie vor großer Fan von Cardhu. Dennoch glaube ich, dass uns die letzten 5 Jahre eine kleine Revolution im Whisky-Glas beschert haben. Im Vergleich zu früher hat sich etwas verändert. Das merkt man, wenn man alte Abfüllungen probieren kann.

      Ich denke, das ist auch der Grund, warum sich der Markt zunehmend in "Neu-Trinker" und "Alt-Trinker" aufsplittet, und warum es für Messen wie die "Finest Whisky Deluxe" inzwischen tatsächlich einen Bedarf gibt.

      Vielleicht können wir das Thema ja mal vertiefen, wenn wir uns treffen.

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